Der „Lockdown light“: Weitere Meinungen aus der Redaktion zu den Corona-Maßnahmen

David Rischke:

Die Gesundheit muss über allem stehen. Das bekommen wir schon als kleine Kinder von den Eltern so mit auf den Weg. „Hauptsache, du bist gesund.“
Das hört man überall, das denkt man überall und das sagt man auch überall. Wir befinden uns in einer globalen Situation, die wir so noch nicht erlebt haben.
Keiner von uns. Ach Stopp! Im März diesen Jahres hatten wir das ja schon Mal. Da hat sich gezeigt: Nur, wenn wir wirklich das öffentliche Leben radikal herunterfahren,
gibt es eine spürbare Entlastung, von der im Nachgang dann auch die Wirtschaft wieder ans Laufen kam. Und sogar Wirtschaftsvertreter forderten ja vor Kurzem einen harten aber
zeitlich klar begrenzten Lockdown, um die Zahlen und Infektionsketten drastisch zu senken. Dem schließe ich mich an. Dazu muss aber auch gesagt werden: Die jetzigen Maßnahmen
kann man nur als halbherzig beschreiben. Eine Art Mittelweg. Die Politik versucht den unmöglichen Spagat zwischen zu viel Nörgelei ob der so genannten Einschränkung von
irgendwelchen Freiheiten auf der einen Seite und dem Schutz der Kranken, Schwachen und besonders anfälligen Teile der Bevölkerung auf der anderen Seite.
Damit fährt die Politik einen gefährlichen Spagat, wo sie doch eigentlich deutlich machen sollte: Gesundheit geht vor!

 

Michael Otto:

Natürlich trifft dieser Lockdown die Falschen: Die Gaststättenbetreiber, die an Hygienekonzepten getüftelt haben und sie auch einhalten, die Künstler,
denen die Auftrittsmöglichkeiten genommen werden, obwohl man Abstandsgebot und Maskenpflicht nirgends so gut einhalten kann wie in einem Theatersaal,
die Freizeitsportler, die ihrem Hobby an der frischen Luft nachgehen. Und doch muss es sein: Die Appelle ans Einhalten der AHA-Regeln, die Aufforderung,
Kontakte einzuschränken – nichts davon hat das Virus aufgehalten. Wer die Menschen beim Kampf gegen Corona dabei haben will, muss ihnen klar machen,
wie ernst die Lage ist. Dafür ist dieser Lockdown anscheinend nötig, denn so mancher glaubt offenbar immer noch, dass es um eine leichte Sommergrippe geht.
Doch die Politik muss jetzt auch liefern und den gebeutelten Branchen ohne Bürokratie und vor allem großzügig unter die Arme greifen.
Und sie muss das Gesundheitssystem ertüchtigen, dass es mit einer Pandemie fertig werden kann. Denn wenn wir nach dem Brechen der zweiten Welle
in ein paar Monaten vor einer dritten stehen und uns fällt wieder nichts anderes ein, als Kneipen zu schließen, dann haben wir versagt – wir alle, und nicht nur die Politiker.

 

Carsten Praeg:

Eines vorweg: Selbstverständlich steht der Schutz menschlichen Lebens über wirtschaftlichen Interessen. Nur das letztere gerade für Wirte, Kulturschaffende,
Hoteliers und Restaurantbesitzer zugleich ihre Existenzgrundlage bedeuten. Und natürlich darf man einen sich weltweit ausbreitenden Virus nicht verharmlosen.
Man kann es aber auch etwas mehr wie der Virologe Hendrik Streeck sehen, weniger angesichts steigender allgemeiner Zahlen in Panik verfallen und sich mehr auf
die Intensivfälle konzentrieren. Nach neuesten Studien landen nur fünf Prozent der Corona-Infizierten im Krankenhaus und unter einem Prozent überhaupt auf der
Intensivstation. Das bedeutet nicht, dass man die Risikogruppen nicht schützen sollte. Aber wenn Virologen einstimmig Kneipen und Hotels NICHT als Hotspots ausmachen,
diese von der Politik aber trotzdem dazu gemacht und stigmatisiert werden – dann fällt es schwer, den Betroffenen die neuen Maßnahmen als „verhältnismäßig“ zu verkaufen.
Und selbst wenn der Bund weitere Hilfsgelder in Aussicht stellt – von denen viele gerade bei den Freischaffenden der Eventbranche bis jetzt schon nicht angekommen sind: Auch die staatlichen Mittel sind keinesfalls unendlich – zumal es sich um Schulden handelt, die aus unseren Steuergeldern irgendwann zurückgezahlt werden müssen.
Dann sind auch all diejenigen finanziell betroffen, die ihren Job in der Krise bislang problemlos halten konnten.