Der Krieg in der Ukraine belastet die Wirtschaft

In der Ukraine tobt der Krieg. Auch heute haben uns wieder dramatische Bilder erreicht. Am Morgen hat es erneut schwere russische Angriffe gegeben. Außerdem soll ein kilometerlanger Konvoi aus russischem Militärfahrzeugen vor der Hauptstadt Kiew stehen – so zeigen es Satellitenbilder. Beobachter rechnen mit einer weiteren Eskalation. Hier in Deutschland bereitet man sich parallel auf Kriegsflüchtlinge vor. Außerdem gibt es viele Spenden – und Hilfs-Aktionen. Und auch die Unternehmen hier sind in großer Sorge. Dieser Krieg wird auch unmittelbare Auswirkungen auf sie haben. Nach der ohnehin sehr angespannten Situation durch Corona, Chip-Mangel und explodierende Energie-Preise verschärft sich die Lage jetzt nochmals. Experten warnen bereits, dass Liefer-Ausfälle bei wichtigen Rohstoffe aus Russland wie Nickel und Aluminium weitere Störungen in den Lieferketten, zum Beispiel in der Automobil-Produktion, auslösen können. Wir reden gleich darüber mit dem Haupt-Geschäftsführer der Landes-Vereinigung der Unternehmer-Verbände in Rheinland-Pfalz – mit Karsten Tacke – doch zuerst sind wir in Sembach bei Kaiserslautern.

Der Krieg in der Ukraine ist auch in Sembach zu spüren. Hier produziert die Unternehmensgruppe Heger seit 1902 die verschiedensten Gussteile – wie sie zum Beispiel für Motoren und Windkraftanlagen gebraucht werden. Gerade Windkraftanlagen würden immer wichtiger werden – auch wegen des Krieges.
Johannes Heger, Geschäftsführer HegerGuss: „Was wir hier sehen sie Gussteile für die Freiheit – es sind Rotornaben für neue Windränder, und wenn diese Windräder Strom erzeugen, dann müssen wir weniger Strom aus Russland importieren.“
Doch diese Zukunftsvision helfe in der Gegenwart nicht – denn der steigende Strompreis bereitet auch HegerGuss steigende Sorgen.
Johannes Heger, Geschäftsführer HegerGuss: „Wir schmelzen mit Strom. Das Gießen ist arbeitsintensiv und energieintensiv. (…) Das macht in einem Monat bei uns zuletzt im letzten Jahr etwa 150.000 aus, aber das ist im Januar schon angestiegen auf 500.000 Euro.“
Durch diesen Strompreis sei es unmöglich, lange weiter zu produzieren. Die Arbeitsplätze des Unternehmens seien gefährdet. Mit seinen Sorgen dürfte Johannes Heger nicht alleine sein. Die Voraussetzungen für einen langen Wirtschaftskrieg sind denkbar ungünstig. Schon vor dem Krieg in der Ukraine stiegen die Energiekosten auf immer neue Rekordhöhen. Denn nachdem die alte Bundesregierung entschieden hatte, alle Atomkraftwerke in Deutschland stillzulegen, beschloss die neue Bundesregierung, Öl, Gas und Kohle durch eine steigende CO2-Steuer immer teurer zu machen. Damit will sie den Umstieg auf umweltfreundliche Erneuerbare Energien beschleunigen. Der Angriff von Russland, unserem wichtigsten Öl-, Gas- und Kohlelieferant, treibt die Preise jetzt zusätzlich nach oben. Denn die Russen könnten den Nachschub drosseln. Oder die Bundesregierung könnte den Energieimport stoppen. Bislang haben die westlichen Staaten nicht alle russischen Banken vom internationale Zahlungssystem Swift ausgeschlossen, damit insbesondere Deutschland um weiter Öl, Gas und Kohle kaufen kann. Doch sie könnten bald  entscheiden, dass eine solche Unterstützung eines kriegführenden Staates nicht mehr akzeptabel ist. Doch nicht nur die steigenden Energiekosten belasten die deutsche Wirtschaft. Russland ist auch einer der weltweit größten Lieferanten wichtiger Rohstoffe, zum Beispiel von Nickel, Aluminium und Palladium. Auch die Preise für diese Metalle, die für die Auto-, Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie unverzichtbar sind, sind in den vergangenen Tagen auf neue Rekordhöhen gestiegen. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Tagen beschlossen, wegen der hohen Energiepreise die Privathaushalte durch staatliche Zuschüsse unterstützen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck versprach: Auch Unternehmen könnten, wenn sie durch Krieg und Sanktionen stark belastet werden, mit staatlicher Unterstützung rechnen. Doch Bundesfinanzminister Christian Lindner stellte auch klar: Die Politik könne die deutsche Wirtschaft nicht vor allen Folgen des Kriegs in der Ukraine schützen. Doch auf genauso einen Schutzschirm für Unternehmen hofft auch Heger – genauso wie auf ein schnelles Ende des Krieges, dessen Folgen auch in den rheinland-pfälzischen Unternehmen noch lange nicht abzusehen sind.
Interview mit Karsten Tacke, Hauptgeschäftsführer Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz:
Eva Dieterle: „Die Auswirkungen des Ukraine Krieges beschäftigen auch die Unternehmen hier bei uns extrem und damit auch den Hauptgeschäftsführer des Landes Vereinigung der Unternehmerverbände Rheinland Pfalz Carsten Tacke. Heute liegt bei mir im Studio. Guten Abend!“
Karsten Tacke: „Guten Abend Frau Dieterle“
Eva Dieterle: „Ja, Herr Tacke, viele Ihrer Mitgliedsunternehmen haben in der Ukraine vor Ort Mitarbeiter natürlich auch Kunden, Lieferanten. Die Betroffenheit ist groß. Mit welchen Anliegen wenden sich die Firmen aktuell an Sie?“
Karsten Tacke: „Die Firmen sind natürlich erst einmal in großer Sorge um ihre Mitarbeiter, um ihre Geschäftspartner, um deren Familien. Das treibt die Unternehmen sehr um. Aber am Ende des Tages natürlich auch die Sorge um ihr eigenes Geschäftsmodell und die Perspektiven.“
Eva Dieterle: „Sind Sie denn mit den Sanktionen einverstanden, auch wenn sie auch deutsche Unternehmen betreffen?
Karsten Tacke: „Also eine Verschiebung von Grenzen in Europa und im Fall der Ukraine direkt vor unserer Haustür ist indiskutabel. Deswegen sind die Sanktionen richtig und vor allen Dingen auch sachgerecht. Natürlich kann das mit Nachteilen verbunden sein für die Bundesrepublik, für unsere Unternehmen und auch für die Arbeitsplätze. Aber Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif. Und das ist eben der Preis, den wir zahlen müssen, um den Druck auszuüben, damit die Diplomatie wieder Vorrang hat.“
Eva Dieterle: „ Ich möchte trotzdem noch mal genauer auf die Sanktionen schauen. Können Sie denn jetzt schon abschätzen, welche da am härtesten auch die Unternehmen hier bei uns treffen?“
Karsten Tacke: „Das ist schwierig zu sagen, weil das immer davon abhängt, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist und wie intensiv auch die individuellen Geschäftsbeziehungen nach Osteuropa sind. Was aber alle Unternehmen gleichermaßen trifft, ist diese extreme Steigerung bei den Energiepreisen. Das trifft natürlich energieintensive Unternehmen viel härter als andere. Und das Problem bei den Energiepreisen ist eben, dass man sie meistens vom Endkunden nicht wieder zurückbekommt oder dass man, wenn man frühzeitig produziert, aber das Produkt erst spät verkauft. Natürlich diese hohen Kosten zwischen finanzieren muss. Und das kann ein Unternehmen schon in existenzbedrohende Situationen bringen. Und deswegen bräuchten wir hier von der Regierung auch schnell und unbürokratische Hilfe. Wohlgemerkt keine Subventionen. Sondern uns geht es hier dann eher um Notfall, Kredite oder Bürgschaften.“
Eva Dieterle: „Auf die Forderungen möchte ich gleich noch mal zu sprechen kommen. Ich möchte erst noch mal auf diese Gefahr schauen, die es unmittelbar durch die so hohen Energiepreise gibt. Wie groß ist die also auch für die Arbeitsplätze hier in Deutschland?“
Karsten Tacke: „Wir haben eine Vervielfachung der Energiekosten, die die Unternehmen am Ende des Tages nicht immer an ihre Endkunden weitergeben können. Und was noch viel schwieriger ist, wenn sie zwischen der Produktion, also der Herstellung eines Produktes und dessen Veräußerung eine längere Zeitspanne haben und die Energiekosten sind sehr hoch, muss das Unternehmen diese zwischen finanzieren und das sind Aufwendungen, die man in dieser Größenordnung und wie gesagt, wir reden um eine Vervielfältigung der Energiepreise, mit der man nicht gerechnet hat. Und das kann schon eine schwierige Situation herbeiführen. Und das kostet am Ende des Tages bei Unternehmen, die volle Auftragsbücher haben und hoch qualifizierte Mitarbeiter haben, eben auch Arbeitsplätze. Wenn das so weitergeht.“
Eva Dieterle: „Haben Sie auch die Befürchtung, dass Unternehmen Produktionen komplett einstellen müssen oder ins Ausland auswandern müssen, weil sie es hier einfach nicht mehr trägt?
Karsten Tacke: „Es hängt davon ab, wie lange und wie dauerhaft diese Steigerung der Energiepreise anhält.  Am Ende des Tages sind die Energiepreise ein Standort- und Kostenfaktor, mit dem die Unternehmen rechnen müssen. Ich glaube, dass wir derzeit gut beraten sind, wenn wir in der derzeitigen Situation schnelle, unbürokratische Hilfe anbieten. Das sichert Arbeitsplätze und hilft den Unternehmen.“
EvaDieterle: „Da sind wir noch mal bei den Forderungen. Ganz konkret Was sagen Sie, wo muss die Bundesregierung jetzt helfen?“
Karsten Tacke: „Es ist zunächst mal richtig, dass die Bundesregierung wesentliche Kostenfaktoren aus den Energiepreisen schon rausgenommen hat. Das ist eben der Wegfall der sogenannten EEG Umlage, aber der greift eben erst im Juli. Und das Problem, das Sie Unternehmen haben, ist, dass die Energiekosten jetzt dann fallen. Sie fallen schnell an und eben nicht erst im Juli. Und deswegen brauchen wir unbürokratische Hilfe. Schnell, jetzt und sofort. Indem man den Unternehmen mit Notfallkrediten oder Überbrückungsbürgschaften hier zur Seite steht und so Arbeitsplätze sichert.
Eva Dieterle: „Das sind beklemmende Zeiten, Herr Tacke, vielen Dank, dass Sie heute bei uns waren.“
Karsten Tacke: „Gerne.“