Der Klimawandel und der Weinbau der Zukunft

Das Klima verändert sich und somit muss sich auch der Weinbau wandeln. Denn eigentlich mögen es die meisten Rebsorten nicht allzu warm und allzu trocken. Einige Weinbauern setzen jetzt auf eine neue Schnitttechnik. Andreas Roll aus dem rheinhessischen Gau-Heppenheim lässt die Reben wuchern. Anders als früher.

Vom Weinstock bleibt fast nichts übrig. Traditionell auf einen Trieb gekürzte Reben. Ein noch alltägliches Bild in Deutschlands größtem Weinanbaugebiet Rheinhessen.
Wildwuchs dagegen in den Weinbergen von Andreas Roll. Der Winzer beitreibt ein biodynamisches Weingut in Gau-Heppenheim. Er schwört auf den sogenannten Minimalschnitt.
Andreas Roll, Winzer aus Gau-Heppenheim
„Die Rebe ist normal ein Lianengewächs, will an Bäumen hochwachsen und quasi eine Krone über den Baum legen. 1:1 können wir das natürlich nicht imitieren, aber wir können in unseren Minimalschnittanlagen eine deutlich naturnahere Atmosphäre schaffen, indem wir die Rebe einfach größer werden lassen.“
Das bedeutet auch: Die Rebe wird viel mehr Blätter bekommen. Dadurch bleibt der Boden schattig und feucht. Das ist gut für Insekten und die Trauben werden so besser vor Sonnenbrand geschützt, erreichen aber trotzdem beste Qualität.
Andreas Roll, Winzer aus Gau-Heppenheim
„Im Prinzip ist es für uns ein Ansatz, quasi uns auf diese Klimageschichte vorzubereiten.“
Der Minimalschnitt spart auch Kosten und Zeit. Denn mehr als ein Viertel der Arbeitszeit bei der Traubenproduktion entfällt auf den klassischen Rebschnitt. Das Schneiden und Biegen ist hier reine Handarbeit. Auch Andreas Roll nimmt noch die Schere in die Hand. Er und seine Familie bewirtschaften rund 20 Hektar Rebfläche. 60 Prozent der Reben werden noch ganz klassisch geschnitten.
Andreas Roll, Winzer aus Gau-Heppenheim
„Beschäftigt einen schon einen Großteil im Januar, Februar, März, teilweise noch im April.“
Schneiden und Biegen muss der Winzer nur noch die „normalen“ Reben. Die Reben mit Minimalschnitt hat er schon vor ein paar Wochen geschnitten. Per Maschine. Die belastet den Boden am geringsten, wenn er gefroren ist. Noch dauert es natürlich bis hier etwas wächst.
Andreas Roll, Winzer aus Gau-Heppenheim
„Wir ernten aus Minimalschnitt mindestens die gleichen Qualitäten, wie aus unseren anderen Anlagen. Zum Beispiel haben wir auch einen Premiumrotwein aus Minimalschnitt.“
In fünf Jahren will Andreas Roll auf mindesten 80 Prozent seiner Weinberge nur noch mit Minimalschnitt arbeiten.
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Markus Appelmann, Moderator: Der Wildwuchs im Weinberg, darüber sprechen wir mit Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Guten Abend!
Ernst Büscher, Deutsches Weininstitut / Bodenheim: Guten Abend.
Appelmann: Aber es geht natürlich auch um allgemeine Themen. Aber lassen Sie uns mit diesem Minimalschnitt anfangen. Wird er sich durchsetzen?
Büscher: Er wird auf jeden Fall zunehmen. Er erfordert schon eine Bereitschaft, auch der Natur freien Lauf zu lassen. Man kann jetzt den Ertrag nicht so 100% kalkulieren und er ist auch nicht für jede Rebsorte geeignet. Aber er ist auf jeden Fall ein Mittel, um, sagt man, naturnah auch sehr viel Arbeit und Kosten zu sparen.
Appelmann: Fachkräfte-Thema ist ja auch im Weinbau groß. Wir hatten es heute schon in der Sendung. Aber auch die Anpassung an den Klimawandel und da sind wir jetzt gerade mal in Rheinhessen hier unterwegs, aber genauso auch im Rheingau wächst ganz viel Riesling, der beliebteste Wein der Deutschen, und erste Experten sagen: Riesling wird bei den aktuellen klimatischen Bedingungen nicht mehr lange in Deutschland ambaubar sein. Der mag die Hitze nicht so. Stimmt das denn?
Büscher: Ja, er merkt die Hitze nicht so, das stimmt. Aber der Minimalschnitt ist zum Beispiel auch eine Möglichkeit, um die Reife etwas nach hinten hinauszuzögern. Denn die Trauben reifen langsamer und dadurch kann dann die Reife dann auch wieder im September / Oktober stattfinden. Man hat weniger Sonnenbrandgefahr, denn die Blätter, die beschützen die Trauben, sodass dann auch bei Temperaturen von 40 Grad, die wir mittlerweile haben im Sommer manchmal, kein Sonnenbrand an den Trauben stattfindet.
Appelmann: Aber es gibt auch Klimagewinner. Die deutschen Rotweine werden immer besser, hört man.
Büscher: Das ist wohl wahr. Deutsche Spätburgunder sind mittlerweile auch international sogar ein Geheimtipp, weil die Burgunder ja doch ein bisschen teurer sind – also aus Burgund die Burgunder sehr, sehr hochpreisig sind -, werden jetzt die deutschen Spätburgunder entdeckt und die sind wirklich international komplett vergleichbar und konkurrenzfähig.
Appelmann: Der Weinbau soll immer nachhaltiger werden. Das fordert auch die Europäische Union und möchte, dass immer weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Wir lassen zu diesem Thema mal Winzer Konstantin Guntrum zu Wort kommen, aus Nierstein kommt er und er sagt dazu folgendes.
Konstantin Guntrum, Winzer aus Nierstein
„Kurz zusammengefasst bedeuten die Pläne der EU das Ende der Kulturlandschaft Roter Hang, sie bedeuten das Ende des Weinbaus in Deutschland, weil 80 Prozent der Weinbaufläche in Deutschland betroffen ist. Die Pläne bedeuten unseren Ruin.“
Appelmann: Ist der Weinbau in Deutschland am Ende, wenn dieses Pflanzenschutzgesetz kommt?
Büscher: Es ist ja erst mal ein Vorschlag der Europäischen Kommission, den Pflanzenschutzmitteleinsatz in sensiblen Gebieten – das sind Landschaftsschutzgebiete, in denen oftmals aber auch Weinbau betrieben wird -, wenn da der Pflanzenschutzmitteleinsatz verboten werden würde, dann könnte man keinen Weinbau mehr betreiben, das ist richtig. Denn wir haben die Schädlinge, den Mehltau – echter und falscher Mehltau, das sind Pilzkrankheiten, die sind aus Amerika eingeschleppt worden vor 150 Jahren,und seitdem müssen wir unsere Reben behandeln, sonst gibt es keinen Wein.
Appelmann: Abschließende Frage: Der Weinanbau wird immer komplexer. Das hören wir da raus. Heißt das am Ende – und das wird unsere Zuschauer interessieren: Der Wein aus Deutschland wird teurer werden?
Büscher: Es sind natürlich verschiedene Faktoren. Auch die Gaspreise gehen durch die Decke, kann man wirklich sagen, und viele Rohstoffe werden knapp. Er wird wahrscheinlich ein bisschen teurer werden, aber wir haben auch immer noch Möglichkeiten, beispielsweise mit Rebsorten, die man jetzt nicht mehr spritzen muss oder nur noch ganz wenig spritzen muss, da auch gegenzusteuern und dann auch noch weiterhin Weinbau hier in Deutschland zu betreiben.
Appelmann: Das bringt uns Hoffnung. Das Klima wandelt sich, der Weinbau auch. Danke an Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut.
Büscher: Ich danke Ihnen.