Das SAT.1-Sommerinterview mit Christian Baldauf (CDU)

Der rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Christian Baldauf stellt sich auf unserer Dachterrasse den Fragen von Markus Appelmann.

Markus Appelmann, Moderator: Auf unserer Sonnenterrasse begrüßen wir die Spitzenpolitiker aus Rheinland-Pfalz und Hessen. Heute ist es Christian Baldauf. Einen schönen guten Tag!
Christian Baldauf (CDU), Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz: Hallo Herr Appelmann, freut mich sehr.
Appelmann: Und Herr Baldauf, bevor wir loslegen mit dem Talk, werfen wir einen Blick auf den Oppositionschef in Rheinland-Pfalz.
Es gibt Karrieresprünge, die haben einen Beigeschmack. Seit dem Wittlicher Parteitag vom März steht Christian Baldauf wieder da, wo er bis vor zwölf Jahren schon einmal stand: an der Spitze von Partei und Fraktion der CDU Rheinland-Pfalz. Beide Posten hatte er seinerzeit zugunsten von Julia Klöckner abgegeben. Die Hoffnungsträgerin verlor zwei Landtagswahlen, ging als Ministerin nach Berlin und ins politische Aus, nachdem die Union erst die Landtagswahl und dann die Bundestagswahl verlor. Jetzt ist Christian Baldauf wieder an der Reihe. Ein Mann, der über die Jahre Geduld und Loyalität bewiesen hat und der eine Erfahrung in einem Job hat, den die Bundespartei jetzt machen muss. Er führt die Opposition gegen eine Ampelkoalition.
Appelmann: Da kennt er sich aus. Sie sind wieder CDU-Landesvorsitzender geworden, Ende März. Das waren Sie von 2006 bis 2010 schon mal. In der Musik wird man sagen: Comeback. Also Neuanfang geht anders, oder?
Baldauf: Also ich glaube schon, dass es im Moment sehr wichtig ist, beide Ämter in eine Hand zu geben. Das ist jetzt passiert. Und mir war es besonders wichtig, es mit einem Team, einem frischen Team zu tun. Das habe ich auch paritätisch besetzen können, bin da sehr stolz und glücklich drüber.
Appelmann: Die Frauenquote kommt, Herr Baldauf?
Baldauf: Ja, das mag sein. Ich habe sie mir jetzt mal, ohne dass es sie gibt, auch schon so angeeignet. Und ich kann Ihnen nur sagen, das wundert einen ja oft in der Politik, aber das macht wirklich viel Spaß. Und wir schaffen es ja jetzt auch, die Regierung zu stellen an verschiedensten Stellen. Da werden Sie sicherlich auch noch einiges zu fragen. Ja, nein, mir geht es gut. Mir macht es viel Spaß und diese Team-Unterstützung bringt richtig was.
Appelmann: Sie sagen es gerade eben: Als Oppositionsführer wollen Sie natürlich Druck machen in Richtung Landesregierung. Doch an der perlt doch jegliche Kritik ab, wie an einer Teflonpfanne. Die Hochwasserkatastrophe im Ahral, bei der die Landesregierung nicht gut ausgesehen hat, hätte doch ein Gamechanger sein können. Warum schneidet die CDU Rheinland-Pfalz in aktuellen Umfragen noch schlechter ab als bei der letzten Landtagswahl?
Baldauf: Also zunächst mal sind die neuen Umfragen so nicht mehr, sondern da liegen wir wieder ein bisschen vorne. Da bin ich auch ganz glücklich darüber. Wobei das immer noch wenig ist. Das ist ja richtig. Man muss ja immer eines bitte sehen: Ich kann Ihnen nur sagen, warten Sie es doch bitte mal ab. Ich bekomme mit, ich war erst im Ahrtal vor kurzem. Die Menschen sind völlig frustriert über die Regierung Dreyer. Man merkt, dass man ihr auch nicht mehr zutraut, den Schwung nach vorne zu bringen. Und sie werden sehr, sehr schnell auch in den nächsten Tagen feststellen, es wird jetzt die Frage gestellt werden müssen: Was ist denn mit Herrn Lewentz, dem Innenminister? Entweder hat er an dem Abend nichts gewusst, dann wäre es politisch schlimm. Oder er hat alles gewusst und hat nichts getan. Dann wäre es politisch auch schlimm. Für ihn wird die Luft jetzt eng.
Appelmann: Der Landrat von der CDU, Jürgen Pföhler, hat sein Amt niedergelegt, die damalige Umweltministerin Anne Spiegel von den Grünen auch. Und Sie fordern jetzt heute noch den Rücktritt von Herrn Lewentz?
Baldauf: Er wird noch mal eine Chance von uns bekommen. Er soll noch einmal im Untersuchungsausschuss zu den Dingen, die jetzt aufgelegt wurden, Stellung nehmen können. Es sind viele Menschen dabei, die sagen, er sei nur nach Ahrweiler gefahren, als Tourist, um ein Bild zu machen. Es sind viele dabei, die nicht verstehen, dass er diese wirklich ernste Situation nicht auch wirklich an sich gezogen hat. Ich kann nur sagen, ein Gutachten bestätigt das: Er hätte an diesem Tag vor der Flut alles an sich ziehen müssen. Er hat es nicht getan. Das muss er uns jetzt erklären. Ich wüsste nicht, wie. Aber die Chance kriegt er noch.
Appelmann: Also die letzte Chance von der CDU im Untersuchungsausschuss des Landtages sozusagen. Wie hätten Sie denn das Ganze gemanagt? Weil Sie gerade eben schon gesagt haben, da läuft einiges schief im Ahrtal.
Baldauf: Für mich wäre es eine Selbstverständlichkeit gewesen, direkt in der Verantwortung auch dort ins Ahrtal zu fahren und dort auch zu bleiben. Es gibt so ein Beispiel für mich aus der Vergangenheit, das mich sehr beeindruckt hat. Der damalige saarländische Innenminister hat sich in eine Aufnahmeeinrichtung begeben, als damals die große Flüchtlingswelle kam, und hat genau geschaut, wie das laufen muss und ist erst gegangen, als es gelöst war. Und das hätte man hier auch machen müssen. Einfach zu sagen, da kümmert sich jetzt jemand vor Ort darum, was im Übrigen auch nicht funktioniert, weil die sind ja völlig überfordert gewesen da alle, das reicht nicht und das haben die nicht getan. Ich hätte mich gekümmert. Und im Übrigen hätte ich auch allen Bürgerinnen und Bürgern, die Schäden haben, die Probleme haben, eine persönliche Beratung angeboten, was auch nicht passiert ist. 15 Milliarden Euro hätten wir zur Verfügung, 500 Millionen sind bisher nur bewilligt, und nicht mal die alle ausgezahlt.
Appelmann: Sie hätten erst mal das Geld ausgeschüttet und dann erst geprüft?
Baldauf: Ja, natürlich, es geht um Ihres wie meines auch. Aber ich kann Ihnen ja nur sagen, ich habe eine 80-jährige besucht, die hat jetzt 20% bekommen dessen, was sie zu bekommen hätte und kann jetzt nicht weitermachen. Sie hat auch keine Rücklagen dafür. Ich kann nur sagen: Ja, glauben denn alle, dass diese Frau irgendwann auf die Cayman Islands verschwindet, wenn sie das Geld bekommt? Sie wird doch dieses Geld, was sie bekommt, dafür nutzen, um das Haus zu sanieren, zu renovieren. Das Haus hat einen Wert, das bleibt ja stehen. Dass man aber die Menschen vor Ort einfach im Stich lässt, dass man Mittelständlern ihre Spenden nicht auszahlen kann. Das ist ja gar nicht fassbar und ehrlicherweise peinlich für die Regierung von Malu Dreyer.
Appelmann: Soviel also zum Ahrtal heute bei uns im Sommerinterview. Wir kommen zu einem weiteren Konflikt, Herr Baldauf, der immer mehr bei uns im Geldbeutel ankommt. Das ist der Krieg in der Ukraine.
Seltene Einigkeit. Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vereinen sich die westlichen Großmächte und beschließen neue Sanktionen gegen Russland. Das Ziel: die russische Wirtschaft schwächen, die Kosten des Krieges erhöhen und damit Putin in die Knie zwingen. Doch mittlerweile fragt man sich nicht nur in Deutschland, wer hier eigentlich am längeren Hebel sitzt. Denn den Deutschen droht im Winter der Gasnotstand, wenn Russland den Hahn zudreht. Momentan wird die Pipeline Nord Stream 1 gewartet, doch ob sie danach wieder normal in Betrieb geht, dazu schweigt der Zulieferer Gazprom. Voraussichtlich ab Oktober übersteigt der Gasbedarf in unseren Haushalten die Menge, die wir ohne Lieferungen aus Russland erhalten. Mit momentan rund 60% Füllstand in den Gasspeichern ist Deutschland auf den Winter schlecht vorbereitet. Schon im Januar, so eine aktuelle Berechnung des Think Tanks Bruegel könnten unsere Vorräte aufgebraucht sein. Am Erfolg der Sanktionen gibt es unterdessen Zweifel. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU stellt die Sanktionen gegen Russland in Frage. Die deutsche Volkswirtschaft sei darauf gebaut, große Gasmengen zu niedrigen Preisen zu erhalten: „Wenn das nicht der Fall ist, bricht die Basis für unseren Wohlstand in Deutschland zusammen. Und das werden die Verbraucher und die Arbeitnehmer ganz bitter zu spüren bekommen. Auf diesem Weg sind wir.“
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, warnt Verbraucher vor einer Verdreifachung des Gaspreises oder sogar noch höheren Anstiegen. Heißt es bald also: Frieren für den Frieden? Der kommende Winter könnte zeigen, wie viel uns die Solidarität mit der Ukraine wert ist.
Appelmann: Herr Baldauf, ich unterstelle mal, Sie können sich die Energie-Mehrkosten leisten. Es gibt Menschen, die ächzen, die sagen: eine Gasrechnung, zwei, drei, viermal so hoch – das können wir uns nicht leisten. Was muss da passieren?
Baldauf: Es ist eine sehr schwierige, sehr schlimme Situation. Die zeigt aber auch, dass wir uns in den letzten Jahren viel zu abhängig gemacht haben. Das ist nun mal Fakt. Ich beschreibe es manchmal so ein bisschen als spätrömische Dekadenz. Wir haben in allen möglichen Bereichen auf der Erde gemeint, die guten Sachen für uns zu holen, aber nicht selbst geschaut.
Appelmann: Da ist ja viel Selbstkritik mit dabei…
Baldauf: Ja, das muss man ehrlicherweise ja auch sagen. Jetzt waren wir ja nicht allein in der Bundesregierung. Und ich glaube auch Parteienstreit macht da jetzt nicht viel Sinn, sondern jetzt müssen Lösungen her. Das Entscheidende ist, dass die Verstromung, die durch Gas erfolgt, zurückgefahren wird. Das muss als erstes erfolgen. Wir haben im Mai diesen Jahres die höchste Verstromungsrate von Gas gehabt, jemals in Deutschland. Und da liegt das Problem. Wenn wir vom Gas loskommen wollen, aber die Elektrizität brauchen, dann brauchen wir andere Formen, aus denen wir die Elektrizität gewinnen können. Und mir macht im Moment sehr viel Sorge tatsächlich dieser Preis. Vor allem, weil die Heizkosten-Zuschüsse nicht für die Geringverdiener gelten, für die Rentner und Studenten. Da brauchen wir eine Lösung. Mein Vorschlag: Wir nehmen eine Grundmenge an Gas. Die hat einen festen Preis, dass sie jeder bezahlen kann. Und wer mehr verbraucht, der zahlt dann über diesen Bereichen dann auch selbst.
Appelmann: Also Sie wollen einen Preisdeckel vorgeben: So viel darf ich verbrauchen für eine gewisse Menge, darüber wird’s teuer?
Baldauf: Richtig. Wo ich genau damit leben kann, das berechnet ist, damit ich meinen Haushalt unterstütze. Uns muss es ja darum gehen, dass Rentnerinnen, Rentner, dass auch Geringverdiener das alles bezahlen können, Familien, darunter darf doch niemand leiden. Über die alternativen Energiemöglichkeiten sprechen wir gleich. Lassen Sie uns zunächst über die Sanktionen sprechen. Ihr Parteifreund von der CDU, Michael Kretschmer, der sächsische Ministerpräsident, stellt die Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland in Frage. Er sagt, den wesentlichen Schaden erleidet Deutschland. Hat er recht?
Baldauf: Wenn man vom Ist-Zustand ausgeht, stimmt das, weil wir ja abhängig sind. Aber entscheidend ist doch, dass wir jetzt schnell versuchen, anderweitige Möglichkeiten auch auszuschöpfen, von der Kernenergie über die Kohleverstromung bis zur Gasgewinnung aus anderen Ländern, dass wir unabhängiger werden. Völlig unabhängig werden wir nie, weil wir immer Energie von außen brauchen werden.
Appelmann: Aber es wird immer erst mal ein bisschen Zeit brauchen. Lassen Sie uns vielleicht das Ganze mal ins Land holen. Wir haben den weltgrößten Chemiekonzern in Ludwigshafen, die BASF. Wenn da kein Gas mehr ankommt, wird der Steamcracker heruntergefahren und es geht um tausende Arbeitsplätze. Es kann doch nicht der richtige Weg sein, dass wir die Wirtschaft in Deutschland ruinieren?
Baldauf: Nein, das ist richtig. Und deshalb ist die Bundesregierung jetzt aufgefordert, jetzt endlich einmal umgehend auch ein breites Portfolio von Möglichkeiten aufzulegen. Das fehlt. Man diskutiert über alles Mögliche, man entscheidet es nicht.
Appelmann: Gewisse Sanktionen auch zurückschrauben?
Baldauf: Sanktionen würde ich im Moment nicht zurückschrauben, weil ich der sicheren Überzeugung bin, was man ja auch mitbekommt von Sachverständigen, dass wir die Möglichkeit haben, die Energieversorgung auch über andere Länder zu gewährleisten. Nur, man muss es mal tun. Da beginnt es aber auch schon im eigenen Land mit der Frage, die sicherlich von Ihnen noch kommen wird: Wieso wird nicht über die Laufzeitverlängerung der Kernenergie nachgedacht? 6% des erzeugten Stroms kommen daher. Jeder sagt, dass sie verlängerbar sind, alleine Gundremmingen drei Millionen Haushalte versorgt, alleine Isar Zwei 1,5 Millionen Haushalte versorgt. Ich will damit sagen: Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen. Und im Moment sehe ich nur, dass in Berlin nur diskutiert wird und ehrlicherweise im Land ich von Frau Dreyer gar keine Vorschläge höre.
Appelmann: Dann lassen Sie uns doch direkt mal mit den Atomkraftwerken anknüpfen. Die CDU hat sich klar dafür ausgesprochen: Laufzeitverlängerung. Jetzt wächst die Unterstützung für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen von der CDU um die Grünen so ein bisschen zu piesacken, zum Bewegen zu bringen. Ist diese Frage nicht zu ernst, um da mit dem türkischen Basar um die Ecke zu kommen?
Baldauf: Ich werbe dafür, dass wir uns reelle Fragen stellen. Und dazu gehört schlichtweg: Wie schaffe ich es, dass ich im Winter ausreichend elektrische Energie zu bezahlbaren Preisen vor allem für die geringen Einkommen, für die Rentner und Studenten habe. Nicht nur für die, aber vor allem für die. Dazu weiß ich nicht, was jetzt das Tempolimit dazu beitragen soll. Dass wir insgesamt in unserer Gesellschaft dringend darüber nachdenken müssen, ob wir die Masse an Energie und an Rohstoffen weiter so verbrauchen, dass wir auch darüber nachdenken müssen, ob wir ein Drittel der Nahrungsmittel wegwerfen oder ähnliches. Das ist eine Sache, die müssen wir sehr, sehr intensiv diskutieren, nachhaltig diskutieren. Aber ein Tempolimit? Im Moment erschließt sich mir nicht, was das an Mehr an Energie und an günstigeren Preisen für den Winter bringen soll.
Appelmann: Also Sie verstehen Ihre Kollegen von der CDU auch nicht, warum Sie sich da in diese Richtung positionieren momentan?
Baldauf: Das müssten Sie die fragen.
Appelmann: Sie haben gerade eben gesagt: mehr an Energie, Nachhaltigkeit war gerade auch ein Stichwort, erneuerbare Energien müsste man ausbauen. Sie haben sich im Landtagswahlkampf klar positioniert und haben gesagt: Keine Windkraftanlagen im Pfälzerwald! War das rückblickend ein Fehler, weil so die Energiewende nicht gelingen kann?
Baldauf: Es wäre ja wunderbar, Herr Appelmann, wenn alleine die Energie im Pfälzerwald alles retten würde. Das ist ja nicht der Fall. Wir müssen ja ehrlich sein, und das ist auch so, das wird natürlich von den anderen immer dann anders dargestellt, vor allem von den Grünen. Es gibt ausreichend Flächen in Rheinland-Pfalz, wo man Windanlagen aufstellen kann, und das ist nicht in der Kernzone des Pfälzerwaldes. Im Übrigen höre ich auch nicht von der SPD und anderen, dass sie das machen wollen. Richtig ist: Wir müssen jetzt bei der Neuauflage des Landesentwicklungsprogrammes, wo geregelt ist, was wo passiert, natürlich auch mehr Mut haben, da mehr Flächen auszuweisen – richtig. Ich kann aber auch sagen: ich sehe vor allem gerade bei der Photovoltaik einen riesigen Nachholbedarf. Die Landesregierung hat 7000 Liegenschaften. Davon sind lediglich unter 100 mit Photovoltaik ausgestattet. Ja, wo ist denn da die Vorbildfunktion?
Appelmann: Mehr Flächen ausweisen, auch in Richtung Pfälzerwald Randzone?
Baldauf: Wenn es an die Randzonen geht, müssen wir darüber diskutieren. Das wird ja jetzt auch schon getan. Und im Übrigen gibt es ja auch schon Flächen, die dort ausgewiesen sind, wo man sie aufstellen kann. Es ist nicht das Problem, dass es die Flächen nicht gäbe. Es gibt im Moment nur keine Investoren dafür. Das ist der Unterschied. Und da muss man noch mal schauen, wie man das auch entsprechend marktkonform hinbekommt. Wenn aber alle anderen Energieformen steigen in den Preisen, werden auch Windanlagen, Photovoltaik sehr rentabel.
Appelmann: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von der CSU hat am Wochenende eine Frage aufgeworfen. Das will ich noch ganz kurz am Ende dieses Energie-Blocks mit Ihnen besprechen. Jetzt kann es ja sein, dass Ende der Woche Putin sagt: Ich schicke kein Gas über Nord Stream 1, sondern ich schicke es über Nord Stream 2. Da ist ja alles installiert. Nehmen wir das Gas?
Baldauf: Ja es gibt ja noch weitaus mehrere Leitungen, über die ja auch immer diskutiert wird. Die, die direkt durch die Ukraine geht, die, die durch die Türkei gehen. Ich bin der Auffassung, wir haben jetzt eine Sanktionierung und die Sanktionierung bedeutet auch, dass Nord Stream 2 nicht ans Netz geht und deshalb muss alles dafür getan werden, dass das auch nicht erfolgt. Dann braucht es jetzt schnelle Genehmigungsverfahren, für die Terminals LNG-Gas. Es braucht die Verlängerung der Kernkraftwerkslaufzeiten. Es braucht auch eine intensivere Kohlebefeuerung mit entsprechender Energieerzeugung. Ich weiß auch, dass wir das Klima schützen müssen, aber zunächst müssen wir kurzfristig auch dafür sorgen, dass wir über den Winter kommen.
Appelmann: Also ist uns die Umwelt egal? Erstmal müssen wir gucken, dass wir über den Winter kommen?
Baldauf: Ja das können Sie ja so nicht sagen. Wenn Sie so fragen, frage ich Sie umgekehrt: Ist denn Kernenergie umweltschädlich oder klimaschädlich? Da wird ja auch drüber gestritten. Die EU hat es ja anders gesehen. Kohle, ja, schwierig. Aber Habeck selbst sagt ja, dass es nicht anders geht und es ist ja auch richtig, ist real. Wir müssen schauen, dass wir im Winter aufgrund der vernachlässigten Breite, die wir vorher nicht dargestellt haben, darüber hinwegkommen. Das sind wir den Menschen in Deutschland, in Rheinland-Pfalz schuldig.
Appelmann: Und jetzt schauen wir auf Ihre Partei, Herr Baldauf, auf die CDU. Wunden lecken heißt es da nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl im letzten Jahr.
Der mit Abstand schlechteste Wahlkampf aller Zeiten führte zum schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten bei der Bundestagswahl. Das Kanzleramt fiel nach langen, langen Merkel-Jahren nahezu kampflos an die Sozialdemokraten. Als Merkel weg war, hinterließ diese eine Partei, die personell und inhaltlich am Ende war. Doch die Christdemokraten scheinen sich erstaunlich schnell nach diesem Desaster zu berappeln. Der neue Mann an der Spitze der Partei und der Unions-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, wirkt wie eine Vitaminspritze für die ausgelaugten Konservativen. Im Bundestag gibt es wieder eine richtige Opposition, die ihren Namen verdient und dem Kanzler ab und an Feuer macht. Insgesamt scheint wieder eine klarere Linie erkennbar und auch der Mut, sich wieder stärker zu einer konservativ-bürgerlichen Politik zu bekennen. Stärker als dies in den profillosen Merkel-Jahren der Fall war. Und siehe da: die CDU liegt im Ranking der Parteien wieder dort, wo sie nach eigenem Anspruch auch hingehört – vor den Grünen und vor der SPD. Und mit Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gewann sie zwei Landtagswahlen. Keineswegs selbstverständlich nach dem rabenschwarzen Jahr 2021.
Appelmann: Ja, in den Umfragen liegt die Union wieder vorn. Wir haben es eben gesehen. Ist es nicht besonders ärgerlich für Sie, dass die Union die Bundestagswahl offenbar wegen eines falschen Kanzlerkandidaten verloren hat?
Baldauf: Wir müssen ja auch selbstkritisch feststellen, dass auch bei der Landtagswahl kein gutes Ergebnis herauskam. Und das arbeiten wir ja auch auf in der Partei. Die Bundestagswahl hatte die Faktoren: keine Geschlossenheit, ja, falscher Kandidat und es war kein Siegeswille da. Und dann passiert so was leider.
Appelmann: Herr Baldauf, ein Thema zeigt momentan die Zerstrittenheit in der CDU. Es geht um das Thema Frauenquote. Frauen in der Jungen Union, ja, eigentlich die gesamte Junge Union macht mobil gegen diese Frauenquote. Sie auch?
Baldauf: Ich halte alleine die Diskussion um eine Frauenquote für viel zu kurz gesprungen. In Rheinland Pfalz haben wir in den letzten Jahren es immer anders versucht und auch geregelt. Ich habe ein Team um mich herum, wo es eine Parität gibt. Wir haben bei der Landesliste Parität zumindest in den vorderen Bereichen gemacht. Mir geht es darum, und das erwarte ich auch von meiner Partei in Rheinland-Pfalz, dass wir in den Kreisvorständen, in den Gemeindevorständen Parität erreichen. Es muss von unten nach oben wachsen. Und dafür brauche ich zunächst keine Quote.
Appelmann: Aber jetzt geht es um die Abstimmung im September in Hannover. Friedrich Merz, der Bundesvorsitzende, ist auch kein Fan dieser Frauenquote, hat einen Kompromiss eingebracht und sagt: Schrittweise soll die Frauenquote auf 50% erhöht werden und das Ganze befristet. Da stimmen Sie nicht zu.
Baldauf: Wir sind ja im Moment jetzt mal Mitte Juli und es wird von unserer Seite aus noch Vorschläge geben, die das entsprechend auch mit unterstützen. Also nicht die Quote, sondern die Frage: Wie bekomme ich mehr Frauen, auch interessiert, in Ämter hinein? Und das reicht nicht aus, alleine nur eine Quote abzustimmen, sondern das muss mehr sein. Und dann diskutieren wir auf diesem Parteitag nicht nur diesen einen Punkt, sondern auch die Möglichkeiten, die es ansonsten gibt. Und dann muss entschieden werden, ob wir überhaupt noch eine Quote brauchen.
Appelmann: Okay. Wenn sich aber nichts bewegt, dann bleiben Sie bei Ihrem Nein zur Frauenquote?
Baldauf: Bisher sehe ich nicht, dass sie alleine reicht.
Appelmann: Das höre ich raus. Und jetzt kommen wir an diesem Punkt zum Traditionellen im Sommerinterview. Wir kommen zu unserer Schnellfragerunde. Schnelle Fragen von mir und hoffentlich schnelle Antworten von Ihnen.
Baldauf: Das hoffe ich auch.
Appelmann: Gehen Sie jetzt, wo der FCK wieder in der zweiten Liga ist, wieder mit Trikot zum Bäcker?
Baldauf: So, wie bisher auch. Also Authentizität zeigt ja auch und Leidenschaft für einen Verein: wenn es schlecht läuft, ist man dabei und wenn es gut läuft, ist man dabei. Gilt ja für meine Partei genauso. Und das ist alles jetzt in Ordnung. Ich bin sehr glücklich darüber, dass das auch in einer ruhigen Bahn läuft. Thomas Hengen macht das sehr gut und es macht ja auch wieder richtig Spaß. Man merkt es ja auch. Die Hütte ist voll, die spielen ordentlich, alles gut.
Appelmann: Auf einer Skala von 1 bis 10: wie diszipliniert sind Sie?
Baldauf: Subjektiv, von mir aus gesehen: acht. Wenn ich meine Frau frage: vier. Und wenn ich meine Presse-Unterstützerinnen frage aus der Fraktion, ist es vielleicht hoffentlich fünf.
Appelmann: Bald sind Sie 40 Jahre in der CDU, über 30 Jahre in der Opposition hier in Rheinland-Pfalz. Gibt es eine härtere Strafe?
Baldauf: Nö, das ist eine Herausforderung, keine Strafe. Können Sie ja nicht ändern. Wenn die Wählerinnen und Wähler so entscheiden, dann muss man überlegen, warum und muss beim nächsten Mal schauen, dass man ein anderes Ergebnis kriegt.
Appelmann: Was finden Sie an Ministerpräsidentin Malu Dreyer bewundernswert?
Baldauf: Ihr stetes Lächeln und Weglächeln. Und dass sie es schafft, relativ wenig zu entscheiden, relativ wenig voranzubringen und trotzdem immer lächelnd und segnend durchs Land zu laufen.
Appelmann: Letzte Frage: Was ist Ihre erste Amtshandlung, wenn Sie nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommen?
Baldauf: Erste Amtshandlung ist noch mal meiner Frau ‚Guten Abend‘ zu sagen. Das halte ich für ganz wichtig. Und im Übrigen auch mal zu fragen: Was machen die Kinder? Also es sind eher die privaten Sachen. Amtshandlung klingt ja so, als ob ich da weitermachen würde. Nee, da muss man auch mal ein bisschen runterkommen und dann ist gut.
Appelmann: Okay. Stichwort: Nach Hause kommen. Das war unser Sommerinterview heute mit dem Oppositionschef im rheinland-pfälzischen Landtag, Christian Baldauf. Danke Ihnen!
Baldauf: Danke auch und einen schönen Tag!