Dannenröder Forst: Berufungsprozess gegen „Ella“

Im Zusammenhang mit den rechtswidrigen Protesten gegen den Ausbau der A49 im Dannenröder Forst hat heute ein Berufungsverfahren begonnen. Die Angeklagte sitzt seit 14 Monaten in Untersuchungshaft. Sie war unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Dagegen legte sie Berufung ein. Heute wurde der Fall vor dem Landgericht Gießen erneut verhandelt.

Auch zum Auftakt des Berufungsprozesses hält die Angeklagte ihre Identität weiterhin geheim. Sie wird deshalb wie schon zuvor als „Unbekannte weibliche Person 1“ geführt und vor Gericht der Einfachheit halber „Ella“ genannt. Weil sie bei der Räumung des Dannenröder Forstes einen Polizisten schwer verletzt und in Lebensgefahr gebracht haben soll, war die Autobahn-Gegnerin im Juni vergangenen Jahres vom Amtsgericht Alsfeld zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Dagegen hatte sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.
Mareen Fischer, Staatsanwaltschaft Gießen
„Anlass der Berufung der Staatsanwaltschaft war, grob zusammengefasst, dass nach Auffassung der Staatsanwaltschaft durch das Amtsgericht Alsfeld in der erstinstanzlichen Entscheidung nicht alle Strafzumessungsgesichtspunkte, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hätten berücksichtigt werden müssen, auch berücksichtigt wurden.“
Waltraud Verleih, Verteidigerin
„Das ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Selbst wenn die Beweisaufnahme bestätigen würde, dass Schuldfeststellungen zu treffen sind, muss das Strafmaß korrigiert werden.“
Die Staatsanwaltschaft fordert weiterhin zwei Jahre und sechs Monate Haft für Ella – die Verteidigung wird wohl erneut auf Freispruch plädieren. Vor dem Gießener Landgericht wird der Fall noch einmal neu aufgerollt. Denn es sind Videoaufnahmen aufgetaucht, die die Angeklagte entlasten könnten: Danach soll – so die Verteidigung – die Gewalt bei der Räumungsaktion zuerst von den beiden Beamten eines Spezialeinsatzkommandos ausgegangen sein, die grundlos auf die Baumbesetzerin eingeschlagen hätten.
Anders als im ersten Prozess hat sich die Angeklagte heute erstmals selbst zu Wort gemeldet. Nachdem die Polizisten ihr Sicherheitsseil gekappt und auf sie eingeschlagen hätten, habe sie in Todesangst eine Abwehrbewegung in Richtung der Beamten gemacht. Außerdem seien die SEK-Beamten, anders als behauptet, die ganze Zeit selbst durch Sicherheitsseile geschützt gewesen. Im Laufe des Berufungsprozesses sollen die beiden Polizisten deshalb noch einmal aussagen.