Cum-Ex-Aktiengeschäfte: Steueranwalt Hanno Berger muss sich vor Gericht verantworten

Er war einmal Finanzbeamter und Hessens höchster Bankenprüfer – Hanno Berger. Dann wurde er mutmaßlich zur treibenden Kraft im größten Steuer-Skandal der Bundesrepublik. Durch illegale Steuertricks soll dem deutschen Staat ein Schaden von mehr als 30 Milliarden Euro entstanden sein. Weltweit könnte der Schaden bei rund 150 Milliarden Euro liegen. Berger hat sich 2012 in die Schweiz abgesetzt. Erst im Februar wurde er nach Deutschland ausgeliefert. Seit heute muss er sich vor dem Landgericht Wiesbaden verantworten.

Schulen, Polizei, Kitas: Bürger finanzieren das alles mit ihrem Steuergeld. Er soll Banken und Investoren dabei geholfen haben, dem Staat rechtswidrig Steuergeld zu entziehen: Hanno Berger. Die Staatsanwaltschaft wollte dem Steueranwalt schon letztes Jahr den Prozess machen; doch damals war er nicht zur Verhandlung erschienen. Nach seiner Auslieferung aus der Schweiz muss er sich nun wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten. Der 71-Jährige gilt als Architekt der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte.
Diese Cum-Ex-Geschäfte werden mit Aktien gemacht. Einmal im Jahr werden Aktionäre am Gewinn eines Unternehmens beteiligt. Sie erhalten eine Dividende. 25 % davon fließen direkt als Steuer an den Staat. Doch Fonds und Banken sind von dieser Steuer befreit. Sie erhalten deshalb eine Steuerbescheinigung und können sich die Steuer zurückerstatten lassen. Ziel der Cum-Ex-Geschäfte ist es, mehr Steuerbescheinigungen zu erhalten, als eigentlich Steuern bezahlt wurden. Dafür braucht man mindestens drei Beteiligte. Diese schieben die Aktien vor und nach der Gewinnausschüttung so schnell hin und her, dass das Finanzamt den Überblick verliert, wer wann die Aktien besaß, Dividende erhalten und Steuern gezahlt hat. Am Ende stellt das Finanzamt mehr Steuerbescheinigungen aus und erstattet mehr Steuern, als überhaupt bezahlt wurden.
Die Staatsanwälte brauchen mehr als zwei Stunden, um die fast 1000 Seiten lange Anklage zu verlesen: Konkret werfen sie Berger vor, zwischen 2006 und 2008 mit den Cum-Ex-Aktiengeschäften Steuer-Rückerstattungen von 113 Millionen Euro erschlichen zu haben – für Steuern, die nie gezahlt wurden; Steuern, die dem Staat dann an anderer Stelle fehlten.
Daniele Castello, Reporter: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch. Das soll Hanno Berger einmal zu einem Mitarbeiter gesagt haben. Im Gerichtsaal zeigt er auch heute kein Schuldbewusstsein. Bei der Verlesung der Anklage schüttelt er oft den Kopf.“   
Hanno Berger selbst ist der Ansicht, dass er und seine Geschäftspartner ganz legal eine Gesetzeslücke genutzt haben. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Seine Pflichtverteidiger Sebastian Kaiser und Michael Simon beantragen heute, den Prozess zu verschieben. Sie benötigten mehr Zeit, um sich in die komplizierte Thematik einzuarbeiten.
Michael Simon, Verteidiger: „Es ist nicht Sache dieser Kammer festzustellen wann Pflichtverteidiger auf das Verfahren vorbereitet sind und verteidigungsbereit sind. Das haben wir gegenüber der Kammer des Öfteren zum Ausdruck gebracht. Und die Logische Folge ist, dass wir diesen Antrag heute gestellt haben.“
Über den Antrag der Verteidiger will das Landgericht Wiesbaden am Freitag entscheiden. Gibt das Gericht dem Antrag statt, wird sich der Prozess erneut verzögern.