Chefvolkswirt der Commerzbank zu Wirtschaftsaussichten 2025

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, erwartet für das kommende Jahr nur ein sehr schwaches Wirtschaftswachstum in Deutschland. Nach dem Rückgang der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr, prognostiziert die Commerzbank ein Wachstum von gerade einmal 0,2 Prozent. 2026 soll das Bruttoinlandsprodukt dann deutlicher – um rund 1 Prozent – zulegen. Sieht die Wirtschaft also endlich Licht am Ende des Tunnels? Michael Heide hat bei Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer nachgefragt.

Michael Heide, Reporter:
Herr Krämer, die deutsche Wirtschaft kommt nicht in Schwung. Seit Jahren sind die Zahlen eher rückläufig, als dass es mal nach oben gehen würde, und auch für das kommenden Jahr kommende Jahr haben die Wirtschaftswaisen wieder nur ein Miniwachstum von 0,4 % prognostiziert. Woran liegt das? Warum kommt die deutsche Wirtschaft nicht in Schwung?
Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank:
Ja, da gibt es mehrere Ursachen. Eine natürlich: Die Europäische Zentralbank musste ja wegen der hohen Inflation die Zinsen anheben. Das belastet die Bauwirtschaft, das ist klar. Auf der anderen Seite China. Das läuft nicht mehr so richtig für die Exportindustrie. Also ein wichtiger Absatzmarkt, wo sie Probleme bekommt. Das andere ist natürlich auch, dass die Standortbedingungen in Deutschland seit den Merkeljahren erodieren.
Krämer:
Die Unternehmen leiden unter zu hohen Steuern, unter zu teurer Energie, unter Bürokratie, unter schlechten Straßen, Schienen etc. Und deshalb: Viele Unternehmen sind frustriert. Und was Investitionen anbelangt, da gehen Sie lieber im Ausland, als das hier zu machen. Also es sind Dinge, die können wir nicht ändern – mit Blick auf China, aber es sind auch viele, viele eigene Hausarbeiten, die wir erledigen müssen, damit das besser wird.
Heide:
Kann es denn besser werden? Wie blicken Sie denn auf das Jahr 2025? Gibt es auch Grund für Optimismus?
Krämer:
Natürlich könnte es besser werden, das ist klar. Wir wissen nur noch nicht, wie die Bundestagswahl ausgeht. Was wir wissen, ist, dass die Europäische Zentralbank, dass viele andere Zentralbanken begonnen haben, ihre Leitzinsen zu senken, mit der üblichen Verzögerung sollte das dann auch vielleicht ab dem Frühjahr nächsten Jahres so ein bisschen einen Aufschwung geben in Deutschland. Hinzu kommt ja auch: Die Konsumenten haben zuletzt nach vielen Jahren der Zurückhaltung wieder etwas mehr ausgegeben. Und was die Energiekosten anbelangt – natürlich ist Energie noch deutlich teurer als beispielsweise in den USA. Aber 2/3 des Kostenschubs bei der Energie aus dem Jahr 2022 sind rückgängig gemacht. Also von daher, gewisse Aufwärtskräfte haben wir ab dem Frühjahr. Nur es wird halt sehr, sehr moderat, eher blutleer ausfallen, die Aufwärtsbewegung in Deutschland, weil halt diese ganzen Strukturprobleme in Deutschland durch die Politik nicht gelöst worden sind bisher.
Heide:
Das ist etwas, was die Politik lösen kann. Wir bekommen bald eine neue Bundesregierung. Natürlich wissen wir nicht, wer das sein wird, aber was muss denn aus Ihrer Sicht diese neue Bundesregierung tun, um die Konjunktur wieder anzukurbeln?
Krämer:
Also wichtig ist, dass wir eine Bundesregierung haben, die also jenseits von irgendwelchen Narrativen und wirklich ein gemeinsames Grundverständnis davon hat, was getan werden muss. Und das muss aus dem Geist der Marktwirtschaft heraus erfolgen, das muss aus dem Geist eines Vertrauens heraus erfolgen, dass die Politik die Rahmenbedingungen setzt, aber die Unternehmen selber in diesem Rahmen machen lässt und ihnen auch vertraut. Und das bedeutet dann ganz konkret: Also Bürokratieabbau muss her, die öffentliche Infrastruktur muss durch Investitionen auf Vordermann gebracht werden. Die Energiepolitik muss sich ändern, damit die Energiepreise hier wieder wettbewerbsfähig werden. Und was die Steuern anbelangt: Auch die sind deutlich höher als in wichtigen Wettbewerbsländern. Auch da muss etwas geschehen. Also eine sehr breite Palette muss gemacht werden, um die seit Jahren, seit den Merkeljahren zu beobachtende Erosion der Standortqualität zu beheben. Die deutschen Unternehmen sind wirklich sehr, sehr stark, auch gerade im Mittelstand, viele fleißige Beschäftigte und all die verdienen endlich wieder bessere Rahmenbedingungen.
Heide:
Dann kommen auch noch äußere Faktoren dazu. Der alte und bald neue US-Präsident Donald Trump hat zum Beispiel angekündigt, massive Schutzzölle zu erheben. Wie gefährlich könnte das denn für die deutsche Wirtschaft werden?
Krämer:
Also wir sind ein Exportland, das natürlich potenziell wirklich gefährlich, wenn die Amerikaner auf breiter Front Importzölle verhängen würden. Das ist allerdings kein Naturgesetz, ist nur eine Ankündigung, eine Drohung. Entscheidend wird jetzt sein, dass die Europäische Union mit dieser Drohung klug umgeht. Auch Angebote macht. Trump ist ein Dealmaker. Also zum Beispiel die Autozölle. Die Autozölle der Europäischen Union sind höher als die der Amerikaner. Warum senken wir die nicht zumindest auf das Niveau der Amerikaner, vielleicht sogar darunter? Oder Im Agrarbereich könnten wir ebenfalls unsere Zölle senken. Wir könnten uns stärker beteiligen an den Kosten des Ukrainekrieges, mehr für die eigene Verteidigungsfähigkeit tun und dann auch Aufträge an die amerikanische Rüstungsindustrie vergeben. Sie merken, man kommt auf viele Ideen, wie man solche Verhandlungen um die Zölle entspannen kann. Und ich kann nur hoffen, dass die Europäische Union klug vorgeht und nicht wie im Fall von China Zölle auf den Import von chinesischen Elektroautos verhängt, die Deutschland nicht wollte und auch die die deutsche Autoindustrie nicht wollte.
Heide:
Die Lage ist schwierig, aber nicht hoffnungslos. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Krämer.
Krämer:
Gerne.