Bürokratieärger für Wiesbadener Firma

Schon während der Sondierungsgespräche von Union und SPD geht es also ans Eingemachte. Die angehende neue Bundesregierung weiß, die Probleme warten nicht. Zum Beispiel die schwächelnde Wirtschaft. Der wohl angehende neue Kanzler Friedrich Merz sagte im Januar auf dem Jahresempfang der Wirtschaft in Mainz, es brauche keinen Bürokratie-Rückbau – Bürokratie-Abbau wäre das richtige Wort. Den würde sich auch ein mittelständisches Unternehmen aus Wiesbaden wünschen. Wobei man dort momentan wohl schon froh wäre, wenn nicht ständig neue Regularien dazukämen.

Hassan Tarzi klebt. Aufkleber für Aufkleber. Er und seine Kollegen beim Wiesbadener Unternehmen Holtz Office Support haben seit einigen Monaten eine Extra-Aufgabe.
Hassan Tarzi, Leiter Logistik Holtz Office Support
„Nach der neuen Ordnung müssen wir quasi alle Artikel, die wir hier haben, mit dem sogenannten Labeln aufkleben.“
„Die neue Ordnung“ – damit meint Tarzi die GPSR, die EU-Vorgabe über die allgemeine Produktsicherheit. Seit Dezember ist sie in Kraft. Seitdem dürfen Waren wie diese Stiftepackungen nicht mehr wie bisher ins Lager und von dort direkt weiter an den Kunden.
Hassan Tarzi, Leiter Logistik Holtz Office Support
„Die müssen erst mal hier hoch in die Produktion. Die Ware muss ausgepackt werden. Muss beklebt werden. Erst nachdem sie beklebt sind, können sie wieder in die Kartons zurück. Dann dürfen sie erst wieder zurück ins Lager und erst dann dürfen sie raus.“
Das verzögere die Auslieferung erheblich. Für den Firmenchef ein Ärgernis.
Christopher Holtz-Kathan, Geschäftsführer Holtz Office Support
„Im Zeitalter von Fachkräftemangel bekommen wir dann von der Politik solche Gesetze aus Brüssel auf den Tisch, die dann dazu führen, dass wir drei, vier, teilweise fünf Mitarbeiter in der Spitze damit beschäftigt hatten, über Monate 300.000, 400.000 Packungen zu belabeln mit einem Aufkleber, der letztlich sagt: Wir sind der Importeur.“
Tatsächlich steht auf dem Sticker nur die Firmenadresse und die Info, dass die Firma Holtz Office Support der exklusive EU-Importeur dieser Stiftepackung ist. Ob die Kunden sich dafür interessieren? Fraglich. Bis zu 15 Prozent der Arbeitszeit geht in der Firma mittlerweile für bürokratische Regelungen drauf. Ein weiteres Ärgernis: Deutschland sei besonders streng, was die Umsetzung der EU-Vorgaben betreffe. Während Billig-Anbieter aus China die Regeln einfach umgehen.
Christopher Holtz-Kathan, Geschäftsführer Holtz Office Support
„Es kommt regelmäßig, eigentlich fast gefühlt jedes Jahr, auch innerhalb des Jahres, immer mehr Regeln dazu. Während alle über Entbürokratisierung reden, passiert eigentlich sehr wenig, gefühlt. Und auf der anderen Seite sieht man ein anderes Regelkonstrukt, dass Temu oder Shein ohne Mehrwertsteuer, ohne Zoll in die Europäische Union importieren, ohne überhaupt irgendwelche Regeln einzuhalten. Und da wird es dann als alternativlos empfunden.“
Inzwischen haben Hassan Tarzi und seine Kollegen den Lagerbestand vollständig abgearbeitet. Doch weil neu eingetroffene Produkte die Kennzeichnung ebenfalls brauchen, müssen die Mitarbeiter hier auch in Zukunft fleißig weiterkleben.