Brücke ins Nichts
Es ist eine Geschichte aus Absurdistan – genauer gesagt: aus Südhessen, zwischen Heppenheim und Lorsch. Dort steht eine alte, denkmalgeschützte Brücke für Fußgänger und Radfahrer. Die wurde gerade erst denkmalgerecht saniert: Dafür haben die beiden Städte gemeinsam mehrere Hunderttausend Euro hingeblättert. Das Problem: Weil das Gebiet auf der Lorscher Seite der Brücke zeitgleich zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, das niemand betreten darf, endet die ehemalige Verbindung zwischen Lorsch und Heppenheim jetzt an einem Zaun…
Zugegeben – schön ist sie ja, die alte Postbrücke aus dem 18. Jahrhundert. Vor allem, weil sie vor gerade einmal zwei Jahren für viel Geld aufwändig auf Vordermann gebracht wurde. Doch halt – was ist das? Wer die Brücke überquert, endet neuerdings an diesem Zaun. Menschen müssen leider draußen bleiben. Durchgang nach Lorsch verboten!
Christian Schönung, CDU, Bürgermeister Lorsch: „Ja, das ist richtig, es ist ja keine Verkehrswegebeziehung hier auf dieser Brücke mehr. Sie ist ein Denkmal, sie steht unter Denkmalschutz (…) Und dann haben wir Eigentümer, also beide Kommunen, die Pflicht, dieses Denkmal zu erhalten.“ (15 Sekunden)
Kosten: Rund 390000 Euro. Doch der Bürgermeister von Lorsch findet:
Christian Schönung, CDU, Bürgermeister Lorsch: „Das isses wert.“ (3 Sekunden)
Schließlich sei die Brücke nun mal ein wichtiger Teil der gemeinsamen Kulturgeschichte von Lorsch und Heppenheim – und deshalb unbedingt erhaltenswert, auch wenn sie ihren ursprünglichen Zweck nun nicht mehr erfülle.
Kann man so machen – muss man aber nicht. Findet der Bund der Steuerzahler.
Eva Kugler, Bund der Steuerzahler Hessen: „Da kann man natürlich die Frage stellen: Inwiefern ist es zumutbar für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dass man circa 300.000 Euro für eine Brücke ausgibt, die eigentlich überquert werden kann. Steuergeldverschwendung ist natürlich immer Ansichtssache.“ (19 Sekunden)
Ansichtssache – auch für die Steuerzahler: In diesem Fall die Menschen vor Ort, die mit der Nutzlos-Brücke leben müssen. Obwohl – irgendwie nutzen kann man sie ja immer noch.
Claudius Mädler: „Ja, das passiert schon, um dann halt den Zaun hier anzugucken.“
Cihan Yalcin: „Und auf der Brücke dann hier in beide Richtung gucken. Die Freiheit genießen, über dem seichten Bach laufen, das ist doch schön fürs Gemüt.“
Schön für’s Gemüt vielleicht schon – aber doch irgendwie ganz schön teuer für ne Aussichtsplattform auf der grünen Wiese…
Reporterin: Du weißt schon, dass das 390.000 Euro gekostet hat…?
Cemre Yalcin: „Ui…“ (lacht)
Immerhin: Die Menschen auf der Heppenheimer Seite scheinen sich mit der frisch sanierten alten Post-Brücke ins Nichts arrangiert zu haben. Was die Bürger in Lorsch so denken, war hier heute nicht zu erfahren: Denn offenbar macht sich dort niemand die Mühe, einmal um das komplette Naturschutzgebiet herumzulaufen – nur, um die Aussicht von der alten Brücke zu genießen.