Bruder Paulus zu Gast im Studio

Kurz vor Weihnachten kommen wir jetzt zu einer alten Tradition bei 1730 Sat.1 live: Wir sprechen mit dem bekanntesten Fernseh-Mönch und Großstadt-Seelsorger Deutschlands. Bruder Paulus aus Frankfurt setzt sich seit Jahrzehnten für Obdachlose ein. Mit der Franziskustreff-Stiftung will er auch zur Weihnachtzeit die Bedürftigsten erreichen.

 

Ein Moment der Freude im Frankfurter Liebfrauenkloster: Der Chef der hessischen Staatskanzlei und Vorstand der Frankfurter-Flughafen-Stiftung Axel Wintermeyer überreicht einen Check über 10.000 Euro. Mit diesem Geld möchte der Franziskustreff Obdachlosen durch die kalte Jahreszeit helfen und 200 Gutscheine für warme Kleidung und Lebensmittel verteilen.
Axel Wintermeyer (CDU), Chef der Staatskanzlei Hessen
„In Frankfurt gibt es 400 bis 500 Obdachlose und sie haben hier eine Zuflucht. Sie haben eine familiäre, warme Umgebung, die ihnen von den Franziskanern – und immerhin 60 Ehrenamtlichen, die hier mithelfen – gegeben wird. Ich glaube, das ist eine tolle Institution, die auf eine Idee von Bruder Paulus zurückgeht.“
Bis zu 180 Bedürftige kommen jeden Morgen ins Liebfrauenkloster für ein reichhaltiges Frühstück. Auch die Tür der kostenlosen Sozialberatung gleich nebenan steht ihnen jederzeit offen. Seit fast 30 Jahren engagiert sich Bruder Paulus im Vorstand der Franziskustreff-Stiftung. Trotz Vorruhestand hat der 63-jährige Träger des Bundesverdienstkreuzes auch weiterhin jeden Tag ein offenes Ohr für Menschen in Not. Am ersten Weihnachtsfeiertag wird Bruder Paulus auch wieder traditionell die Heilige Messe in der Liebfrauenkirche feiern. Auch dann stehen die Pforten für Bedürftige auf der Suche nach Trost offen.
Markus Appelmann:
Und jetzt ist er bei uns, Deutschlands bekanntester Kapuzinermönch im Studio, Bruder Paulus, wie immer alle Jahre wieder an Weihnachten.
Bruder Paulus:
Herzlich willkommen! Danke schön!
Markus Appelmann:
Bruder Paulus für viele ist Weihnachten: Geschenke, Familie, gutes Essen. Was verbinden Sie denn mit Weihnachten?
Bruder Paulus:
Ich verbinde mit Weihnachten, dass der Sinn des Lebens greifbar geworden ist. Und wenn ich in die Krippe schaue, auf diesen Jesus schaue, dann wird mir verkündet mitten in der Armut, dem Elend, dem Durcheinander. Da blitzt Gott auf und es ist für niemanden zu spät, neu diesem Licht auf die Spur zu gehen.
Markus Appelmann:
Wir haben Sie gerade eben gesehen mit dem Chef der hessischen Staatskanzlei, mit Axel Wintermeyer, der einen Scheck übergeben hat und gesagt hat: Eine ganz, ganz tolle, wichtige Institution ist das. Wie ist denn die Spendenbereitschaft dieses Jahr?
Bruder Paulus:
Die Franziskustreff-Stiftung ist eigentlich in ihrer Gründung ein Werk von ganz vielen kleinen Händen. Und bis heute gibt es Menschen, die uns 5 €,10 € ,30 € spenden und ein großes Netzwerk bilden. Ich hatte gedacht, das geht zurück und siehe da Nein, es geht nicht zurück, es ist noch gewachsen. Und ich bin sehr froh, dass natürlich auch so starke Partner kommen, weil wir natürlich auch noch starkes vorhaben mit unserer Stiftung.
Markus Appelmann:
Wir leben in einer schwierigen Zeit, von Krisen geprägt Corona, Inflation, Energiekrise. Was sagen Sie den Menschen, die das Gefühl haben, wir leben in einer Dauerkrise?
Bruder Paulus:
Denen sage ich: Na klar, Leben in einer Dauerkrise. Das hat schon mit einem Schrei angefangen, als wir geboren wurden. Und dann mussten wir oft auf die Nase fallen, und wir sind eigentlich von Misserfolg zu Misserfolg gegangen, um dann immer erfolgreicher zu werden. Wer auf sein Leben schaut, der weiß Es gibt immer neue Krisen und Krisen fordern uns heraus, neu zu werden.
Und dass wir jetzt die Krisen so nah fühlen, das liegt ein bisschen daran, dass uns die alle ins Haus getragen werden. Aber Krisen hat es immer gegeben, und Krisen sind Anlässe aufzustehen.
Markus Appelmann:
Eine Krise ist der Krieg, ein wenig friedvolles 2022 mit dem Krieg in der Ukraine, der russische Angriffskrieg. Was sagen Sie den Menschen, die sagen: Wo ist denn der Gott in dieser Zeit? Warum hilft er denn nicht?
Bruder Paulus:
Ich glaube, dass Gott sehr stark hilft, wenn ich sehe, wie groß die Solidarität ist, wie groß die Sehnsucht zum Frieden ist. Und ich sage auch ganz deutlich, wie groß plötzlich die Erkenntnis ist, dass unsere Werte auch stark verteidigt werden müssen. Das war vor 20 Jahren noch nicht so, da haben wir gedacht Diskussionen und Gespräch, das ist genug. Nein, leider. Der Mensch ist so böse, dass man dem Bösen etwas ganz Starkes und wenn es Waffen sind, entgegensetzen muss. Das ist, finde ich, in der Reifung ein Schritt in der Menschheit, wenn ich auch hoffe, dass Waffen bald wieder schweigen und das Gespräch wieder beginnt.
Markus Appelmann:
Wir laufen langsam in Richtung Heiligabend. Morgen ist es soweit. Die Weihnachtsfeiertage stehen vor der Tür und da hätten wir gerne auch noch einen Ratschlag von Bruder Paulus. Für viele beginnt jetzt wieder eine ganz stressige Zeit. Das Essen muss zubereitet werden, die ganze Familie kommt zusammen. Wie schaffe ich es denn, dass Weihnachten besinnlich wird?
Bruder Paulus:
Zum einen ist: Ändern Sie Ihre Einstellung, sagen Sie nicht Hoffentlich wird das so wie letztes Jahr. Nein, sagen Sie. Mal sehen, wie es dieses Jahr wird. Bestimmt wird es ganz anders. Und ich will mich freuen über das Neue wie an Weihnachten. Man sich freut über das neugeborene Kind. Und das zweite ist: Bitte morgens einmal eine Runde drehen, eine Viertelstunde bevor der Stress kommt. So wie Martin Luther schon gesagt hat, tief durchatmen. Martin Luther hat schon einmal gesagt Heute ist so viel zu tun, da muss ich erst mal eine halbe Stunde beten. Und ich finde, das ist an Weihnachten besonders wichtig, dass ich auch sage, wenn Stille ist, dann ist die Chance, dass wirklich Neues werden kann.
Markus Appelmann:
Ich habe gerade von der Tradition gesprochen, dass wir Sie jedes Jahr an Weihnachten einladen. Jetzt geht es für Sie aber nächstes Jahr von Frankfurt nach München. Was passiert denn da mit dem Franziskustreff, mit den vielen obdachlosen Menschen in Frankfurt?
Bruder Paulus:
Ein franziskanischer Mönch, so wie ich, der wechselt mal seine Orte und der weiß das, was er getan hat. Das wird gut weitergehen. Die Franziskustreff-Stiftung ist ja von mir gegründet worden, aber natürlich von unserem Orden. Und ich bleibe auch da, so denke ich, im Vorstand noch erhalten, sodass ich auch schauen kann, dass das, was ich jetzt vorbereitet habe, die Stiftungen, jüngere in andere Hände zu geben, dass das gut weiterwachsen wird, so dass unsere obdachlosen Gäste sicher sein können.
Der Franziskustreff mit seinen vielen Wohltäterinnen und Wohltätern wird an ihrer Seite bleiben.
Markus Appelmann:
Danke schön, dass Sie heute noch mal bei uns waren. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten, Bruder Paulus.
Bruder Paulus:
Danke. Ihnen auch. Danke.