Bischofskonferenz: Missbrauchsbeauftragter zieht Bilanz

Seit Montag beraten die katholischen Bischöfe bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda über Reformen der Kirche in Deutschland. Ein weiteres Thema ist der sexuelle Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche und der Besuch des Vatikan, den deutsche Bischöfe für November planen. Es dürfte ein nicht ganz harmonisches Treffen sein, denn die Bischöfe sind gespalten – in Traditionalisten und diejenigen, die eine Erneuerung wollen.

Der Synodale Weg, Reformen in der katholischen Kirche – längst überfällig sagen viele Gläubige. Im vergangenen Jahr sind in Deutschland rund 360.000 Katholiken aus der Kirche ausgetreten, so viele wie nie zuvor.
Georg Bätzing, Vorsitzender Deutsche Bischofskonferenz
„ Es gibt eine sehr deutliche mehr als Zweidrittel, bis zu Dreiviertel Mehrheit der deutschen Bischofskonferenz, die ausdrücklich sagen: ‚Wir müssen uns bewegen, es braucht Reformen und diese Reformen dürfen vor der Lehre nicht Halt machen‘.“
Doch es gestaltet sich alles andere als einfach, an alten Traditionen zu rütteln – wie dem Zölibat oder dass Frauen nicht Priesterin werden dürfen. Denn nicht nur der Vatikan blickt äußerst kritisch auf diese Erneuerungsversuche. Auch einige deutsche Bischöfe wollen die bisherigen Regeln nicht aufgeben. So hat beim Synodalen Weg gerade ein wichtiges Papier zu Reformen der Sexualmoral nicht die nötige Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe erhalten. Für viele Gläubige eine große Enttäuschung. Auch was die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals angeht, gibt es viel Kritik. Zwölf Jahre lang hat sich der Trierer Bischof Stefan Ackermann als Missbrauchsbeauftragter dieser Mammutaufgabe gewidmet. Jetzt übergibt er sie an seinen Nachfolger, den Aachener Bischof Helmut Dieser. Denn noch immer beklagen viele Opfer, dass viel zu wenig bei der Aufklärung passiert sei.
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Maike Dickhaus: Und darüber spreche ich jetzt mit Stephan Ackermann. Er ist seit 2009 Bischof von Trier und seit 2010 Missbrauchsbeauftragter der katholischen Kirche in Deutschland. Guten Abend Herr Ackermann.
Stephan Ackermann, Bischof von Trier: Guten Abend.
Dickhaus: Zwölf Jahre lang waren sie jetzt also Missbrauchs-beauftragter. Was können Sie aus Ihrer Erfahrung sagen, wie sehr haben die Missbrauchsfälle der katholischen Kirche geschadet?
Ackermann: Also, die Missbrauchsfälle haben der katholischen Kirche insofern geschadet, dass Betroffene Leid zugefügt worden ist. Das sind ja Menschen in der Kirche. Der Schaden liegt in der Zeit, in der der Missbrauch geschehen ist. Das will ich ganz deutlich sagen. Was ist da Menschen an Unrecht widerfahren. Das ist der Schaden, der aber unter der Oberfläche war, der erst seit 2010 zutage getreten ist in einem breiteren Ausmaß. Und das ist eine Phase, auch wenn sie schmerzlich ist, die aber wichtig und richtig ist für die Kirche.
Dickhaus: Wie weit ist die Aufklärung der Missbrauchsfälle denn bislang vorangekommen und wo sind Sie an Grenzen gestoßen?
Ackermann: Wir haben verschiedene Schritte durchlaufen. Zunächst mal ging es in den ersten Jahren darum, überhaupt zu hören, nachdem Betroffene bereit waren zu sprechen, Anlaufstellen zu schaffen, dass sie sich melden können mit dem, was sie an Leid erfahren haben. Das war das eine. Aber dann kam über die Jahre natürlich auch in den Blick, dass es nicht nur die Täter mit ihrer individuellen Verantwortung gibt, sondern auch die Kirchenverantwortlichen, Bischöfe, Generalvikare, Personalverantwortlichen, das, was wir als institutionelle Verantwortung bezeichnen und das ist ein Prozess, der jetzt noch weiter betrieben werden muss, da sind wir noch längst nicht am Ende.
Dickhaus: Was für Konsequenzen sind denn aus der Aufarbeitung gezogen worden?
Ackermann: Aus der Aufarbeitung sind schon eine ganze Reihe von Konsequenzen gezogen. Das eine ist eben Hilfen für Betroffene, ob das jetzt therapeutische Hilfen sind, ob das materielle Anerkennungsleistungen sind. Das ist sozusagen ein wesentlicher Punkt. Aber natürlich der ganze Bereich der Prävention, also von Schutzkonzepten gegen sexualisierte Gewalt, die wir etabliert haben in den letzten Jahren. Das verändert ja die Kultur und das trägt, wenn ich das richtig sehe, wirklich auch Früchte.
Dickhaus: Sie geben Ihr Amt als Missbrauchsbeauftragter jetzt ab. Der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz spricht von einem eklatanten Vertrauensverlust, nachdem Sie den Namen einer Betroffenen von sexuellem Missbrauch öffentlich gemacht haben und auch die Betroffeneninitiativen haben ihren Rücktritt gefordert. Sehen Sie sich selbst als gescheitert?
Ackermann: Ich würde nicht von scheitern sprechen, das heißt aber nicht, dass ich nicht Fehler gemacht habe. Es gibt Fehler, die ich wirklich bedauere. Das war kein Weg, den ich gegangen bin sozusagen, in dem alles klar war und wo ich jemand gewesen wäre, der alles, was er anpackt, richtig macht. Das habe ich auch heute in der Pressekonferenz deutlich gesagt, dass ich auch Betroffene, die ich verletzt habe, auch wenn es nicht meine Absicht war, dafür nochmal herzlich um Verzeihung bitte. Das gehört eben dann zur Geschichte der zwölf Jahre auch dazu. Und das tut mir leid.
Dickhaus: Sie werden das Amt jetzt übergeben. Wie muss es dann mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle weitergehen?
Ackermann: Also, wir haben ja auch mit dieser personellen Neuaufstellung eine neue Struktur beschlossen. Das heißt, es wird jetzt auf ein breiteres Feld gestellt in dem Sinne, dass es auch und das ist das Wichtigste, einen unabhängigen Expertenrat gibt, der auch die Möglichkeit haben soll, ein Monitoring, also eine Überwachungsfunktion, so möchte ich das mal nennen, zu haben auf die Maßnahmen die wir beschließen, auch Ideen nach vorne geben soll, wie muss es sich weiterentwickeln. Und das zeigt sich uns, unabhängige Fachexpertise von außen, die brauchen wir und die hilft uns.
Dickhaus: … sagt Bischof Stephan Ackermann, der zwölf Jahre lang Missbrauchsbeauftragter der katholischen Kirche war. Vielen Dank!
Ackermann: Ich danke.