Behinderte finden kaum Jobs

„Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt“. So oder so ähnlich steht es in vielen Stellenausschreibungen. Doch die Realität ist eine andere: Noch immer haben es Menschen mit Behinderungen schwer, einen Job zu finden – selbst bei besserer Eignung als ihre nicht behinderten Mitbewerber.

Niko Rizidis arbeitet im Inklusions-Café Salamanca in Cölbe bei Marburg als pädagogische Fachkraft. Er betreut Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung bei deren Arbeit im Café. Dass er selbst blind ist, ist für ihn dabei kein Hindernis. Für viele Arbeitgeber aber offenbar schon, denn der Weg zu seinem Traumjob war lang und beschwerlich. Nach Abschluss seines Studiums der Erziehungs- und Bildungswissenschaften folgte ein zweijähriger Bewerbungsmarathon: 120 Bewerbungen, 23 Vorstellungsgespräche, nichts als Absagen.
Niko Rizidis, Pädagogische Fachkraft
„Dann war’s eben so, dass immer gesagt wurde: ‚Mensch, Sie haben so einen tollen Abschluss, haben sich hochgearbeitet von der Hauptschule übers Abitur zum Studium. So ein toller Abschluss, das kann sich wirklich sehen lassen. Aber leider haben wir am Ende jetzt jemanden genommen, der noch qualifizierter ist als Sie.‘ Und dann habe ich mich immer gefragt: ‚Okay, wie kann das eigentlich immer sein, dass jemand kommt, der noch qualifizierter ist als ich?‘.“
Einen Anspruch darauf, eingestellt zu werden, haben Menschen mit Behinderung nicht. Allerdings müssen private und öffentliche Arbeitgeber mit mehr als 20 Arbeitsplätzen mindestens fünf Prozent davon an schwerbehinderte Menschen vergeben. Trotzdem ist die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung nach wie vor doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung. Besonders viele sind von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. So das Ergebnis einer aktuellen Studie der „Aktion Mensch“ und der Wirtschaftszeitschrift Handelsblatt.
Christina Marx, Aktion Mensch
„Es gibt in Deutschland ungefähr 170.000 Unternehmen, die verpflichtet sind, Menschen mit Behinderung einzustellen. Und ein Viertel dieser Unternehmen beschäftigt keinen Menschen mit Behinderung. Und das ist um so erstaunlicher vor der ganzen Debatte des Fachkräftemangels, den wir ja auch gerade aktuell wieder haben. Denn Menschen mit Behinderung sind in der Regel gut und teilweise sogar besser ausgebildet als Menschen ohne Behinderung.“
Offenbar seien viele Unternehmen nach wie vor eher bereit, eine Strafzahlung zu leisten, als einen Menschen mit Behinderung einzustellen – trotz zahlreicher staatlicher Hilfsleistungen.
Christina Marx, Aktion Mensch
„Wir stellen immer wieder fest, dass viele Unternehmen die Unterstützungsleistungen vom Staat gar nicht kennen. Dabei gibt es zum Beispiel Lohnkostenzuschüsse. Es gibt Unterstützungen, wenn es darum geht, den Arbeitsplatz barrierefrei einzurichten. Zum Beispiel eine Braille-Zeile für Menschen mit einer Sehbehinderung. Es gibt auch die Möglichkeit einer Probebeschäftigung.“
Über die Probezeit ist Niko Rizidis lange hinaus: Er ist inzwischen ein fester Bestandteil im Team des Café Salamanca. Auch wenn sein Start ins Berufsleben alles andere als einfach war, will er anderen Menschen mit Behinderung auf Jobsuche Mut machen.
Niko Rizidis, Pädagogische Fachkraft
„Wenn ihr die Erfahrung macht, dass ihr so einen Bewerbungsmarathon durchlauft wie ich – mein Rat an Euch ist: Gebt nicht auf. Bleibt dran. Beweist den Menschen, dass ihr wollt, dass Ihr könnt. Und zeigt einfach, was in euch steckt.“
Denn nur, weil ein Mensch eine Beeinträchtigung habe, heiße das nicht, dass er weniger oder gar schlechter arbeite – er arbeite vielleicht nur ein bisschen anders. Und das könne für Unternehmen durchaus auch eine Bereicherung sein.