Bauwirtschaft sucht Wege aus der Krise

Das Jahr 2025 wird für die Baubranche aller Voraussicht nach kein gutes. Die Krise verschärft sich gerade weiter. 400.000 neue Wohnungen im Jahr – dieses Ziel hatte sich die Ampel-Regierung in Berlin vor drei Jahren in den Koalitionsvertrag geschrieben. Und ist daran krachend gescheitert: Die Baubranche schätzt, dass im vergangenen Jahr bestenfalls 200.000 neue Wohnungen entstanden sind – viel zu wenige also. Woran das liegt und welche Lösungen es für das Problem geben könnte – darüber rede ich gleich mit dem Präsidenten des Verbandes baugewerblicher Unternehmer in Hessen. Zuvor aber erst mal ein Überblick über die aktuelle Lage.

400.000 neue Wohnungen im Jahr – von diesem Ziel ist man in Deutschland in etwa so weit entfernt wie vom Keller bis zum Dachgiebel. Vor allem in den Ballungsräumen fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Die Mieten steigen und steigen – und doch wird viel zu wenig neu gebaut, vor allem in den Städten. Ob Wohnungen komplett neu gebaut werden oder zum Beispiel durch den Umbau von ehemaligen Bürogebäuden entstehen, spielt dabei keine Rolle: Neben den steigenden Energie- und Baukosten ist es ist die immer weiter ausufernde Bürokratie, die der Branche am meisten zu schaffen macht. Abertausende Bauvorschriften und endlos langes Warten auf Genehmigungen machen Bauherren in Deutschland das Leben schwer. Ein Lösungsansatz könnte hier das so genannte „serielle Bauen“ sein – also der Hausbau aus vorgefertigten und bereits genehmigten Einzelteilen. Das könnte auch bei einem Vorschlag von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz eine wichtige Rolle spielen: Mit einem „Bau-Turbo-Programm“ will er sich im Falle eines Wahlsieges dafür einsetzen, so schnell wie möglich möglichst viele „Minihäuser“ zu bauen. Diese sollen über nicht mehr als 80 Quadratmeter Wohnfläche sowie ein kleines Vorgärtchen verfügen, auf einen teuren Keller verzichten und dank Fertigbauweise vielen Menschen und dabei besonders jungen Familien erstmals den Traum vom erschwinglichen Eigenheim ermöglichen. Um eine echte Entspannung am Wohnungsmarkt zu erreichen, müssten laut Experten allerdings so schnell wie möglich rund eine Million neue Wohnungen entstehen.
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Markus Appelmann, Moderation:
Eine große Zahl. Über die sprechen wir jetzt mit Thomas Reimann, der Präsident des Verbands der Bau gewerblichen Unternehmer in Hessen. Guten Abend.
Thomas Reimann, Präsident des Verbands baugewerblicher Unternehmer in Hessen:
Schönen guten Abend.
Appelmann:
Eine ganz offene Frage, Herr Reimann vorweg: Wie geht es denn der Baubranche in Hessen mit der Bitte um kurze Antwort?
Reimann:
Nun, die leidet natürlich auch unter dem, was passiert. Mangel an Wohnungsneubau, Mangel an anderen Infrastrukturmaßnahmen. Nichtsdestotrotz ist sie immer noch zuversichtlich und leistungsfähig.
Appelmann:
400.000 Wohnungen pro Jahr steht im Ampelkoalitionsvertrag der letzten Bundesregierung. Das ist nie zustande gekommen. Am Ende waren es so um die 200.000 Wohnungen. Woran liegt es?
Reimann:
Nun, es ist alles verkompliziert worden. Bauen ist einfach zu umständlich gestaltet worden. Es hat ja bis 2021 gut funktioniert. Aber dann hat die Bunderegierung, respektive das Bauministerium schon dafür gesorgt, dass mehr Chaos und Irritation herrschte als Zuverlässigkeit und Vertrauensbildung. Investoren brauchen Vertrauen in das, was sie tun, über mehrere Jahre hinweg. Wenn sie das nicht haben, weil ständig ein neuer Weg eingeschlagen wird, dann verlieren sie das Interesse an der Investition und dann werden keine Wohnungen gebaut.
Appelmann:
Ihre Prognose: Wie viele Wohnungen werden in diesem Jahr noch gebaut?
Reimann:
Also ich möchte nicht schwarzmalen, aber bis die Impulse aus einer neuen Bundesregierung möglicherweise in den Markt zurückkommen, sehe ich derzeit eine Obergrenze von 150.000 Wohnungen in Deutschland.
Appelmann:
Und das ist nicht viel. Erste Impulse gibt es ja. Wir haben es eben gesehen Der Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz sagt: “Kleine Häuser, 80 Quadratmeter. Serielles Bauen.” Ist das der Bauturbo fürs Land?
Reimann:
Ganz sicher nicht. Ich gehe davon aus, dass das ein Beitrag zu einem möglichen Bauen für Wohnungsbau sein kann. Aber serielles Bauen hat noch nie so gegriffen in Deutschland, wie man sich das vorgestellt hat, und wird auch in Zukunft nicht der Renner in Deutschland sein.
Appelmann:
Weil es einfach nicht günstiger ist, oder warum?
Reimann:
Nun, wir haben auch lange Vorfertigungszeiten, wir haben auch da Vorschriften und Regeln, die überbordend sind. Letztendlich wird im seriellen Bau nicht anders gebaut wie in der konventionellen Bauart. Von daher muss man erst mal dort ansetzen, wo Kosten verursacht werden, nämlich beim Bürokratieabbau. Deutlich weniger Vorschriften, deutlich weniger Gesetze. Auch beim seriellen Bauen, auch bei den Minihäusern von Herrn Merz. Dann ist bezahlbarer Wohnraum herstellbar.
Appelmann:
Was auch immer wieder ein Vorschlag ist, gerade im Rhein Main Gebiet, wo wir doch Zehntausende Quadratmeter leerstehende Bürofläche haben, die einfach umzuwidmen zur normalen Wohnfläche. Was halten Sie davon?
Reimann:
Nun, es gibt ja im Umland schöne Beispiele, wie das funktioniert hat, wie beispielsweise in Hanau. Ich halte davon sehr viel, und ich glaube, das ist ein sehr guter Weg, den man gehen sollte, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Denn es fällt ja zum Beispiel der Abbruch und die Entsorgung, die sehr teuer sind, nicht nur in Hessen, weg. Dort wird umgewidmet, dort wieder revitalisiert und mit dem Bestand, den man hat, Neues geschaffen, was deutlich günstiger geschaffen werden kann, als würden wir es ganz neu herstellen.
Appelmann:
Und günstiger ist auch ein gutes Stichwort, um einfach mal den Blick über den Tellerrand schweifen zu lassen. Wenn wir in die Niederlande schauen, da wird dort zum Beispiel 30 % günstiger gebaut als bei uns. Warum schaffen die das und wir nicht?
Reimann:
Ich denke, wir wollten es noch nicht nachmachen. Die Niederländer haben das ja hervorragend gelöst, indem sie wirklich 30 % ihrer Gesetze aus den Gesetzen genommen haben. Eine Baurechtsreform, die auch gegriffen hat. In unmittelbarer Abfolge war Bauen tatsächlich deutlich günstiger, 32 % um genau zu sein. Von daher sollte man da folgen, um bezahlbaren Wohnraum wieder in Deutschland schaffen zu können. Denn das ist eine wirklich realistische Chance.
Appelmann:
Wir sind kurz vor der Bundestagswahl. Es wird sich eine neue Bundesregierung bilden. Was muss die angehen, damit endlich wieder neue und viel mehr Wohnungen gebaut werden?
Reimann:
Also zunächst einmal brauchen wir in dem Ministerium Kompetenz. Wir brauchen Sach- und Fachverstand. Wir dürfen nicht ideologiegetrieben sein. Dann wird es uns möglich sein, mit der Branche auch das zu erreichen, was uns zu Beginn dieser Legislaturperiode versprochen wurde: 400.000 Wohnungen im Jahr schaffen zu können. Die Bauwirtschaft ist leistungsfähig. Sie könnte das bringen.
Appelmann:
Da vielleicht noch eine kurze Nachfrage dazu. Meinen Sie, die Bauwirtschaft würde derzeit überhaupt noch diese 400.000 Wohnungen schaffen?
Reimann:
Man muss uns etwas Zeit geben, denn die letzten Jahre sorgten dafür, dass wir Arbeitsplätze abgebaut haben. Wir haben Fachkräfte verloren, wir haben Betriebe schließen sehen, nicht aufgrund von Insolvenz, sondern weil die Perspektive gefehlt hat. Die Nachfolger sind nicht gefunden worden. Das sind Menschen, die uns jetzt fehlen in der Umsetzung. Sofort wird es nicht klappen, aber mit einer zuverlässigen Regierung, die uns Vertrauen gibt in diese Märkte, wird es uns wieder gelingen, 400.000 Wohnungen im Jahr zu schaffen.
Appelmann:
… sagt Thomas Reimann, der Präsident des Verbands baugewerblicher Unternehmer in Hessen. Danke für Ihren Besuch.
Reimann:
Herzlichen Dank.