Bauherren und Bauunternehmer unter Kostendruck

Wer nicht überteuert mieten will, hat früher gekauft. Doch bei den aktuellen Baupreisen ist das für viele unmöglich. Die Baukosten sind innerhalb eines einzigen Jahres um über 14 Prozent gestiegen, so viel wie seit 1970 nicht mehr. Schwere Zeiten für Häuslebauer.

Es ist vor allem die galoppierende Inflation, die Bauherrn wie Bauunternehmern zurzeit das Leben schwer macht: Alles wird teurer – das gilt besonders für Baumaterial. So ist etwa der Preis für Dämmstoff innerhalb eines einzigen Jahres um etwa 30 % gestiegen. Betonstahl hat sich um mehr als 70 % verteuert, und für Holz werden sogar rund 85 % mehr fällig als noch vor einem Jahr.
Hauptgrund für die Kostenexplosion am Bau: Weil in Folge der Corona-Krise die Lieferketten nach wie vor gestört sind, ist die Nachfrage auf dem Weltmarkt derzeit höher als das Angebot. Das sorgt nicht nur für immer neue Höchstpreise, sondern auch für lange Wartezeiten. Selbst die einfachsten Dinge sind oft nur schwer zu bekommen – wie diese Plastikrohre, auf die ein Bauunternehmer bis zu sechs Monate lang warten muss.
Weitere Preistreiber: Die vielen strengen Bauvorschriften, die wegen der Klimaziele der neuen Bundesregierung wohl noch einmal deutlich verschärft werden. So hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vergangene Woche bereits angekündigt, im April einen Gesetzentwurf für mehr Klimaschutz vorzulegen. Demnach soll künftig für alle gewerblichen Neubauten eine Solarpflicht gelten. Solardächer auf privaten Neubauten sollen laut Habeck aber auch zur Regel werden.
Weitere Kosten, die den Hausbau teurer machen. Für Bauexperten ein Widerspruch zu einer zentralen Forderung im Koalitionsvertrag der Ampel, nach der in Deutschland künftig 400.000 neue Wohnungen im Jahr entstehen sollen.
Markus Appelmann, Moderator: Das sind viele Themen, die wir jetzt mit dem Frankfurter Bauunternehmer Thomas Reimann besprechen können. Er ist Vizepräsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände und spricht für 1,5 Millionen Beschäftigte in Hessen. Guten Abend!
Thomas M. Reimann, Vorstandsvorsitzender ALEA AG: Vielen Dank für die Einladung.
Appelmann: Herr Reimann, wir haben eben gehört Kostenexplosion am Bau, Probleme mit den Lieferketten. Wo hakt es denn in Ihrer Branche derzeit am meisten?
Thomas M. Reimann, Vizepräsident Vereinigung hessicher Unternehmerverbände (VhU): Es sind die Lieferketten, die das Bauen problematisch machen, die den Preis treiben. Man kommt einfach nicht mit dem, was man braucht, so nach, wie es notwendig ist.
Appelmann: Da drückt also der Schuh und das macht das Bauen teurer. Deswegen eine klare Frage für unsere Zuschauer zu Hause: Können Sie noch guten Gewissens empfehlen, momentan zu bauen?
Reimann: Je eher, desto besser. Bauen wird nicht günstiger werden. Ja, die Preise sind massiv gestiegen, aber ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Monaten, in den kommenden Jahren noch teurer werden wird.
Denn Corona hat den Markt nachhaltig verändert.
Appelmann: Da Bauen seit Jahren teurer wird, explodieren auch die Mietpreise. Manche Familien zahlen die Hälfte ihres Einkommens für die Miete. Sehen Sie, dass die Bundesregierung da irgendwie gegensteuert derzeit?
Reimann: Bedauerlicherweise sehe ich kein Gegensteuern und das verlangen wir schon seit längerer Zeit. Wir haben zu viele Vorschriften, wir haben zu viele Gesetze. Das alles macht es problematisch. Wir brauchen die Investoren, um den Wohnraum, der benötigt wird, zu schaffen. Das sollte man nicht mit immer neuen Regularien verhindern.
Appelmann: Dann lassen Sie uns mal über Wohnraum sprechen. Die Ampelkoalition hat im Vertrag momentan drinstehen, dass 400.000 Wohnungen pro Jahr entstehen sollen. Sind denn die Rahmenbedingungen derzeit so in Deutschland, dass das überhaupt schaffbar ist?
Reimann: Also die Bauwirtschaft ist durchaus imstande, diese 400.000 Wohnungen, die man da plant, zu schaffen, herzustellen. Ja, dieser Wohnraum wird benötigt und dieser Wohnraum sollte auch gebaut werden. Aber ich glaube, dass uns vieles daran hindern wird, diese Zahl auch zu erreichen. Es sind, wie ich schon sagte, zum einen die Vorschriften und Gesetze, die den Investor davon abhalten, jetzt in die Investition für neuen Wohnraum zu gehen. Zum anderen aber auch die Lieferketten, die gestört sind, und die sicherlich dazu beitragen werden, dass nicht so schnell gebaut werden kann, wie wir das einmal gewohnt waren.
Appelmann: Wie sieht es mit dem Thema Baugrundstücke aus? Gibt es da derzeit genug, dass überhaupt so viel Wohnraum geschaffen werden kann?
Reimann: Also, Baugrundstücke und der Baupreis hängen ja unmittelbar zusammen. Das Bauland ist knapp, der Preis regelt sich, wie wir das mal gelernt haben, über Angebot und Nachfrage. Das Angebot ist zu gering, die Nachfrage zu groß. Wir bräuchten deutlich mehr Bauland. Gerade in den Ballungszentren. Und hier kann ich auch wieder nur an die Regierung appellieren, auch hier in Hessen oder Rheinland-Pfalz, dass man da Initiative zeigen sollte. Man kann durchaus über lohnende Maßnahmen wie etwa den kommunalen Finanzausgleich Anregungen geben. Gemeinden, die mehr Bauland ausweisen, werden belohnt, Gemeinden, die weniger ausweisen, bekommen dann weniger Geld. Und ich glaube, dass setzt schon mehr Land, dann auch frei und senkt den Preis dann zumindest mal für das Grundstück.
Appelmann: Des Weiteren steht im neuen Koalitionsvertrag, wir haben es gerade eben gesehen, dass bei gewerblichen Neubauten eine Solarpflicht gelten soll. Im Privatbereich soll Solar auf dem Dach die Regel werden. Was halten Sie davon?
Reimann: Wenig – um es ganz einfach auf den Punkt zu bringen: Wir sind eine Gesellschaft, die technologieoffen die Ziele angehen sollte. Lassen Sie uns ein Ziel definieren und lassen Sie es uns ohne Vorschriften oder Gesetze erreichen. Wir brauchen nicht die Vorgaben. Wir wissen, wie wir das erreichen können. Ein Solardach ist nicht unbedingt die Lösung, die wir benötigen. Wir haben tolle andere Möglichkeiten, wie etwa die Erdwärme oder die Wärmepumpe. Sagen, was man will, wo das Ziel liegen soll für ein Haus und dann es entstehen lassen mit einem technologieoffenen Ausgang.
Appelmann: Abschließende Frage: Die Bundesregierung wirbt für serielles Bauen, also einheitliches Bauen. Ist das die Rückkehr zum gesichtslosen Plattenbau aus der DDR, wie man ihn kennt?
Reimann: Also, ich favorisiere das serielle Bauen nicht, weil ich auch nicht glaube, dass es unbedingt dadurch günstiger und schneller wird. Grundsätzlich müssten wir überlegen, vielleicht anders zu bauen, mal den Keller wegzulassen, dann hat man die Möglichkeit, günstiger zu bauen. Das war im Übrigen schon mal 1985 / 87 ein gängiges Modell hier in Frankfurt am Main, wo man familienfreundliches Wohnen so geschaffen hat und günstig Häuser angeboten hat. Ein Einfamilienhaus mit 100 Quadratmeter Wohnfläche und einem zum Ausbau vorbereiteten Dachgeschoss für damals 115.000 €. Da sollten wir uns daran erinnern, das sollten wir wieder angehen. Dann haben wir auch eine Chance, bezahlbaren Wohnraum herzustellen.
Appelmann: … sagt der Vizepräsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände. Er spricht für 1,5 Millionen Beschäftigte in Hessen. Thomas Reimann, danke Ihnen!
Reimann: Herzlichen Dank!