BA.5 treibt die Corona-Neuinfektionen in die Höhe

Haben Sie in den letzten Tagen mal auf die Corona-Zahlen geschaut? Über 100.000 Neuinfektionen pro Tag sind die Regel. Ganz anders als im letzten Sommer als die Corona-Neuinfektionen kaum eine Rolle spielten. Wir stecken also mitten in einer Sommerwelle. Schuld ist die aktuell dominante Omikron-Variante BA.5. Was darüber bekannt ist? Ein Überblick.

In der Praxis von Hausarzt Christoph Lembens in Mainz gibt es alle Hände voll zu tun. Immer mehr Patienten melden sich gerade mit einem positiven Coronatest. Für die Praxis eine enorme Belastung. Mehr als 150 Patienten müssen am Tag kontaktiert werden um deren Krankheitsverlauf zu überwachen. Der Allgemeinmediziner beobachtet dabei bedeutende Unterschiede zu früheren Varianten.
Dr. Christoph Lembens, Allgemeinmediziner aus Mainz
„Die Infektionen verlaufen schwerer. Die Infektionen verlaufen länger und die Infektionen haben ein längeres Nachspiel. Die Patienten leiden länger, selbst wenn sie wieder arbeitsfähig sind. Wenn wir am Anfang des Jahres mit acht Tagen gut durchgekommen sind, haben wir jetzt zehn Tage plus. Ich selbst habe Mitarbeiter, die waren vier Wochen krank.“
Bislang brachte Omikron vor allem Schnupfen und Abgeschlagenheit. Mit der Variante BA.5 kommen jetzt weitere Symptome hinzu.
Dr. Christoph Lembens, Allgemeinmediziner aus Mainz
„Die Patienten haben mehr Halsschmerzen, die Patienten haben mehr einen starken Husten. Und unisono ist es so, dass die Patienten sagen: ‚Wir haben fünf Schnelltests gemacht – alle negativ; ich hab kein Corona!‘. Wir machen dann aufgrund der Klinik einen PCR-Test – und siehe da: Sie haben Corona. Also die Krankheit ist auch tückisch, was die Sicherheit der Schnelltests angeht.“
Die Infektionszahlen sind derzeit so hoch wie noch nie in einem Corona-Sommer. Hinzu kommt eine große Dunkelziffer, weil weniger getestet wird. Das Ergebnis: Die Krankenhäuser laufen wieder voll. Im Vergleich zum letzten Sommer hat sich die Zahl der Coronapatienten in Kliniken verdoppelt.
Doch im Alltag hat man den Eindruck, Corona ist kein Thema mehr. Sommer, Sonne, Freiheit.
Kassenärzte-Chef Andreas Gassen hat nun sogar vorgeschlagen die Isolationspflicht für Infizierte aufzuheben. Heißt: selbst mit positivem Test dürften die Menschen dann arbeiten gehen.
Ein gefährlicher Vorschlag findet der Frankfurter Virologe Martin Stürmer.
Dr. Martin Stürmer, Virologe
„Gesund fühlen, keine Symptome haben heißt nicht, dass man nicht das Virus noch in sich trägt und es weitergeben kann. Damit sehe ich eine Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben. Und je nachdem wo die Personen arbeiten – in vulnerablen Bereichen, wie Pflegeheimen oder Kliniken – habe ich auch wieder ein höheres Risiko für meine Patienten.“
Denn die Schutzmaßnahmen seien weitestgehend abgeschafft. Zudem sei die Corona-Variante BA.5 noch ansteckender als ihre Vorgänger.
Dr. Martin Stürmer, Virologe
„Sie kann sich sehr effektiv verbreiten. Also sie hat sehr hohe Effizienz, an unsere Körperzellen anzudocken und uns entsprechend zu infizieren. Aber sie ist auch eine sogenannte Immun-Escape-Variante. Das heißt, der Schutz, den die Menschen durch vorhergehende Infektionen oder Impfungen aufgebaut haben, geht bei der BA.5-Variante fast ins Leere. Wenn wir jetzt noch anfangen die Menschen auf die Arbeit gehen zu lassen, die nachweislich infiziert sind, würden wir das Infektionsgeschehen nur noch weiter beschleunigen.“
Noch wisse man beispielsweise wenig über die gesundheitlichen Folgen einer Mehrfachinfektion, sagt Hausarzt Christoph Lembens. Auch er hält eine Isolation von mindestens fünf Tagen für zwingend geboten.
Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium will perspektivisch alle Einschränkungen aufheben – die allgemeine Absonderungspflicht soll aber zunächst beibehalten werden, insbesondere um vulnerable Gruppen zu schützen.
Daniel Stich, SPD, Landesimpfkoordinator Rheinland-Pfalz
„Das heißt, Menschen, die in den Alten- und Pflegeheimen leben, Menschen, die chronisch krank sind. Und für die zu schützen bedarf es nach wie vor in dieser Phase auch noch ein paar Instrumente. Das muss unser Kernanliegen sein. Das hat was mit Solidarität zu tun. Dass natürlich irgendwann in der Zielvision wir uns diesem Zustand nähern, ist was anderes. Aber für die nächste Phase, da halt ich es für richtig, dass wir nochmal für den Schutz der vulnerablen Gruppen alles tun.“
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat bereits signalisiert die Isolationspflicht nicht aufheben zu wollen. Denn eins ist sicher: Nach der Sommerwelle rollt wohl bald die Herbstwelle auf uns zu.