Astrid Wallmann – die neue Chefin im Wiesbadener Landtag

Der Wechsel in der hessischen Staatskanzlei vor zwei Wochen hatte auch einen anderen Wechsel zur Folge: An der Spitze des Landtages steht jetzt eine Frau, Astrid Wallmann von der CDU. Seit 13 Jahren sitzt sie im Landtag und wir wollen Hessens neue oberste Volksvertreterin gleich genauer kennenlernen. Vorher blicken wir zurück auf eine Wahl und eine gerührte Präsidentin.

Mit großer Mehrheit, bei einigen Enthaltungen und wenigen Gegenstimmen, wird Astrid Wallmann zur neuen Landtagspräsidentin gewählt. Sie folgt Boris Rhein, der wenige Minuten zuvor zum Ministerpräsidenten gewählt worden war. Die 42-Jährige stammt aus einer traditionell politischen Familie – ihr Vater war Wiesbadener Bürgermeister, ihr Onkel hessischer Ministerpräsident. In ihrer Antrittsrede betont sie, der Landtag müsse selbstbewusst gegenüber der Regierung auftreten. Ein großes Problem sieht sie in der sinkenden Wahlbeteiligung.
Astrid Wallmann, CDU, Landtagspräsidentin Hessen
„Dann müssen wir uns alle miteinander fragen: Was sind die Gründe dafür? Wissen die Menschen das Privileg, in einer Demokratie zu leben, nicht mehr zu schätzen? Oder sind die Menschen inzwischen der Auffassung, dass eine Wahlentscheidung keine Auswirkungen mehr auf die Politik hat, dass es also keinen Unterschied macht, ob man wählt oder nicht?“
Den Unterschied deutlich zu machen – das wird auch eine Aufgabe der neuen Landtagspräsidentin sein. Sie ist aber nicht die einzige, die sich an eine neue Rolle gewöhnen muss.
Boris Rhein, CDU, Ministerpräsident Hessen
„Ich habe gar keine Glocke mehr, ich wollte grade läuten, aber ich habe ja gar nicht mehr die Glocke, die hat ja die Präsidentin.“
Und die Glocke wird Astrid Wallmann im lebendigen hessischen Landtag sicher manches Mal brauchen.

 

Markus Appelmann, Moderator: Und jetzt ist sie bei uns im Studio. Astrid Weil man die neue Präsidentin des Hessischen Landtags herzlich willkommen.
Astrid Wallmann, CDU, Landtagspräsidentin Hessen: Vielen Dank, lieber Herr Appelmann.
Appelmann: Meinen Sie auch, dass Sie die Glocke noch öfter brauchen in einem der härtesten Parlamente in Deutschland?
Wallmann: Ich werde sie bestimmt einsetzen müssen. Aber ich hoffe auch, dass die Kolleginnen und Kollegen sich immer mal maßregeln und es nicht überstrapazieren.
Appelmann: Jetzt ist ja nicht jeder Tag Plenarsitzung. Was macht denn eine Landtagspräsidentin, wenn keine Sitzung ist?
Wallmann: Tatsächlich ist die Leitung der Sitzung nur ein ganz geringer Anteil meiner Arbeitszeit. Eine ganz wichtige und zentrale Aufgabe ist die Leitung der Landtagsverwaltung mit 250 Mitarbeitern, also klassische Verwaltungstätigkeiten, und natürlich die Repräsentation nach außen. Ich repräsentiere also den hessischen Landtag überparteilich bei allen öffentlichen Terminen.
Appelmann: Sie haben es eben gesagt: überparteilich. Das ist die eine Funktion. Andererseits sind Sie aber auch direkt gewählte Abgeordnete. Wie gelingt denn dieser Spagat?
Wallmann: Ich würde sagen, zunächst mal so wie bei all meinen Vorgängern auch. Ja, es stimmt, ich bin Abgeordnete in Wiesbaden. Der Großteil meiner Termine ist aber in der Funktion der Landtagspräsidentin. Und wenn ich dann doch mal als Wiesbadener Abgeordnete unterwegs bin, ist das überhaupt kein Problem, weil das sind eigentlich in der Regel keine polarisierenden Termine. Und die Überparteilichkeit liegt mir sehr und ich freue mich sehr auch auf diese neue Rolle.
Appelmann: Ein großes Thema derzeit in der CDU ist die Frauenquote. Der Bundesvorsitzende Friedrich Merz tut sich ein bisschen schwer bei diesem Thema. Heute hat aber der Bundesvorstand getagt und der Kompromiss sieht nun vor, schrittweise, aber befristet die Frauenquote einzuführen, was auf dem nächsten Parteitag dann beschlossen werden soll. Das klingt ein bisschen nach „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Wie sehen Sie das?
Wallmann: Also vom Grunde her bin ich skeptisch gegenüber Quoten, weil am Ende macht man ja an dem Geschlecht, also an einem Merkmal fest, ob jemand eine Position bekommt oder nicht. Aber natürlich sehe ich auch, dass Frauen in der Partei unterrepräsentiert sind. Und die bisherigen Instrumente haben ja offensichtlich das Problem nicht gelöst. Und deswegen muss man sich aus meiner Sicht in dieser Frage auch bewegen. Ich habe den Kompromiss, der ja heute gefasst ist, natürlich auch schon gelesen und zur Kenntnis genommen. Ich glaube, das ist ein tragfähiger Kompromiss, dem ich mich auch anschließen könnte. Aber natürlich ist es so, dass ich die Argumente mir auch genau anhören werde, die wir beim Bundesparteitag im September dann miteinander diskutieren werden. Aber sicherlich ein denkbarer Weg und ein ganz sanftes Instrument, weil es ist natürlich am Ende auch eine Quotenregelung, die ich, wie gesagt, auch durchaus auch etwas kritisch sehe.
Appelmann: Also eigentlich sind Sie dagegen, aber Sie werden auf dem Bundesparteitag in Hannover im September dafür stimmen, weil es anders nicht funktioniert.
Wallmann: Und weil ich finde, es ist ganz wichtig, dass auch Parteien die Gesellschaft widerspiegeln. Und Frauen stellen nun mal auch die Hälfte der Bevölkerung. Das heißt, auch in den Parteien müssen Frauen sich wiederfinden. Und ich glaube, Parteien sind auch nur wählbar, wenn sie attraktiv für Familien und Frauen sind. Und Frauen sehen bestimmte Themen auch anders als Männer. Und deswegen ist es gut und richtig, dass Frauen auch am Anteil innerhalb einer Partei zunehmen. Und ich sehe aktuell eben nicht, dass andere Instrumente geholfen haben. Vielleicht gibt es auch bis zum Parteitag noch andere Ideen. Dann würde ich mich da auch nicht verschließen wollen. Aber wenn das ein gangbarer Weg ist, würde ich mich dem nicht verschließen.
Appelmann: Jetzt ist ja der Landtagspräsidenten-Job ein Sprungbrett. Wir haben gerade eben gesehen, Boris Rhein, eben noch Landtagspräsident, jetzt Ministerpräsident von Hessen. Ihr Onkel Walter Wallmann war auch Ministerpräsident. Wollen Sie das auch werden?
Wallmann: Ich bin sehr geehrt und freue mich sehr, dass ich Landtagspräsidentin sein darf. Das bin ich seit nunmehr zwei Wochen, und ich würde mich sehr freuen, wenn ich dieses Amt noch lange ausüben dürfte.
Appelmann: Wir haben Sie heute kennengelernt, die neue Landtagspräsidentin von Hessen, Astrid Wallmann. Danke für den Antrittsbesuch.
Wallmann: Vielen Dank, lieber Herr Appelmann.