Anne Spiegel tritt als Bundesfamilienministerin zurück

Am Ende war der Druck zu groß: Bundesfamilienministerin Anne Spiegel ist heute von ihrem Amt zurückgetreten. Zuvor war bekannt geworden, dass sie als rheinland-pfälzische Umweltministerin kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal vier Wochen Urlaub in Frankreich machte. Das sorgte für bundesweite Kritik.

Am Ende war der Druck zu groß: Bundesfamilienministerin Anne Spiegel ist heute von ihrem Amt zurückgetreten. Zuvor war bekannt geworden, dass sie als rheinland-pfälzische Umweltministerin kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal vier Wochen Urlaub in Frankreich machte. Das sorgte für bundesweite Kritik.
Zitat Anne Spiegel
„Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen. Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht.“
Mit diesen Worten teilt Anne Spiegel heute Nachmittag ihren Rücktritt als Bundesfamilienministerin mit.
Auf den Tag genau einen Monat ist es her, dass sie dem Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe in Mainz Rede und Antwort stehen musste. Schon damals stand sie erheblich unter Druck: SMS-Nachrichten nach der Flutnacht hatten den Eindruck erweckt, dass sie sich als rheinland-pfälzische Umweltministerin mehr um ihr eigenes politisches Image als um das Schicksal der Flutopfer sorgte. Einen Vorwurf, den sie vehement zurückwies.
Nun wurde jedoch bekannt, dass Spiegel kurz nach der Flutkatastrophe in einen vierwöchigen Urlaub reiste. Ihre Aussage, sie habe trotzdem per Video oder telefonisch an den Kabinettssitzungen teilgenommen, erwies sich als unwahr. Spiegel bat gestern in einer emotionalen Erklärung um Entschuldigung. Die Corona-Zeit habe ihre Kinder und ihren kranken Mann extrem belastet, die Familie habe dringend einen Urlaub gebraucht.
Anne Spiegel, Bündnis 90 / Die Grünen, Bundesfamilienministerin
„Das war ein Fehler, dass wir auch so lange in Urlaub gefahren sind. Und ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung.“
Doch zum Zeitpunkt ihres Statements hatte Anne Spiegel den Rückhalt in ihrer Partei längst verloren. Die Bundesspitze der Grünen hatte ihr schon zuvor den Rücktritt nahegelegt.
Omid Nouripour, Bündnis 90 / Die Grünen, Bundesvorsitzender
„Anne Spiegel hat Fehler eingestanden auf eine Art und Weise und mit einer Transparenz und Offenheit, wie wir sie im politischen Betrieb so nicht gegeben hat. Dafür gebührt ihr unsere große Anerkennung und großer Respekt. Der Schritt jetzt, nun zurückzutreten, ist bei aller großen Härte und so schwierig diese Entscheidung auch war, richtig.“
Die Oppositionspolitiker in Rheinland-Pfalz, die schon vorher den Rücktritt von Anne Spiegel gefordert hatten, begrüßten die heutige Entscheidung.
Stephan Wefelscheid, Freie Wähler, Obmann im Untersuchungsausschuss
„Ja, also dieser Rücktritt war überfällig. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass sie diese Konsequenzen schon früher zieht, denn es war ja seit langem erkennbar, dass sie in der Flutnacht nicht die entscheidenden Informationen weitergegeben hat, insofern war es jetzt am Ende des Tages der richtige Entschluss. Er kam sehr spät, aber lieber jetzt als gar nicht.“
Christian Baldauf, CDU, Landes- und Fraktionsvorsitzender im Landtag Rheinland-Pfalz
„Das Tragische ist die menschlich schwierige Situation für Anne Spiegel aber wir reden hier über Ministerämter, über Verantwortlichkeiten, wir reden über die Frage, was bei der schlimmen Katastrophe im Ahrtal nicht gelaufen ist, und diese Arbeit hat sie nicht in ihrer Form so dargestellt, dass sie als Ministerin tragbar war.“
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer betonte bereits am Vormittag, sie habe über Spiegels Urlaub Bescheid gewusst. Bei den Kabinettssitzungen nach der Flutkatastrophe sei das Umweltministerium immer durch einen Staatssekretär vertreten gewesen.
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Tatsächlich ist es wichtig, auch nochmal zu sagen, dass die damalige Umweltministerin Anne Spiegel ihren Urlaub mitgeteilt hat der Staatskanzlei. Nach unserer Landesverfassung und auch Geschäftsordnung gibt es eine Ressorteigenständigkeit, d.h. Minister und Ministerinnen müssen ihre Urlaube nicht genehmigt bekommen, sie müssen sicherstellen, dass sie regulär vertreten sind durch ihre Staatssekretäre und Staatssekretärinnen. Das ist auch erfolgt. In dieser Zeit zwischen dem 23.7. und 19.8 war regelmäßig ein Staatssekretär oder eine Staatssekretärin im Kabinett und hat Anne Spiegel vertreten.“
Am vergangenen Freitag musste Malu Dreyer im Flut-Untersuchungsausschuss selbst als Zeugin aussagen. Dabei stellte sie klar, sie habe darauf vertraut, dass der Katastrophenschutz vor Ort funktioniere. Bis zum späten Abend des 14. Juli habe es keinen Hinweis darauf gegeben, dass es zu einer solchen Katastrophe kommen würde.
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Ich will hier nochmal betonen, dass die Flutkatastrophe für uns am 14. Juli in dieser Dimension, in dem Ausmaß nicht vorhersehbar war. Genauso wenig wie die Tatsache, dass der Katastrophenschutz, der über Jahrzehnte in diesem Land funktioniert hat, bei vielen, vielen auch schlimmen Hochwassern zuvor, in Teilen eben auch an diesem Abend nicht funktioniert hat.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz erklärte in der Ausschusssitzung, dass sich die Einsatzleitung in der Flutnacht auf ein starkes Hochwasser vorbereitet habe, nicht auf eine Sturzflut. Das Ausmaß der größten Katastrophe, die Deutschland nach dem Krieg heimgesucht habe, sei erst am nächsten Morgen nach und nach sichtbar geworden. Die CDU wirft der Landesregierung im Anschluss an die Befragung fehlende Kommunikation vor.
Dirk Herber, CDU, Obmann im Untersuchungsausschuss
„Wir haben gehört, dass es in Rheinland-Pfalz einfach keinen Helmut Schmidt gab. Es gab keinen Kümmerer, jemand der sich wirklich der Lage angenommen hat und anpackend zugegriffen hat, sondern wir hatten leider nur Leute, die sich weggeduckt haben. “
Die Staatsanwaltschaft Koblenz sieht bislang keinen Hinweis darauf, dass sich Mitglieder der rheinland-pfälzischen Landesregierung strafbar gemacht haben. Opposition erwägt aber, sowohl  Ministerpräsidentin Dreyer als auch Innenminister Lewentz erneut im Untersuchungsausschuss vorladen zu lassen. Und auch Anne Spiegel muss hier womöglich nochmal als Zeugin aussagen. Die Aufarbeitung der Flutnacht – sie ist für Anne Spiegel auch mit ihrem Rücktritt vom Amt der Bundesfamilienministerin noch lange nicht beendet.