Ambulante Psychiatrie in Klingenmünster

Psychische Erkrankungen sind leider viel zu häufig ein Tabuthema, die Psychiatrie oft mit Vorurteilen oder Unbehagen behaftet. Dabei muss niemand Angst haben, sich Unterstützung zu suchen. Fachkräfte gestalten Therapien so individuell wie möglich und stationäre Aufenthalte so kurz wie nötig. Im Pfalzklinikum in Klingenmünster geht man im Rahmen eines Modellprojektes sogar noch einen Schritt weiter. Menschen, die eigentlich stationär aufgenommen werden müssten, können in ihren eigenen vier Wänden behandelt werden.

Bianca Heider, Fachkrankenschwester Gerontopsychiartrie Pfalzklinikum
„Wie geht es Ihnen im Moment psychisch?“
Helga Lampert, 85 Jahre
„Ach, was soll ich da sagen? Ja, ich muss halt weiterhin die Medikamente nehmen und bin froh, dass ihr kommt, weil ich noch viel abzubauen habe.“
Helga Lampert hatte in ihrem Leben schon den ein oder anderen Schicksalsschlag zu verkraften. Ihre beiden Ehemänner sterben früh, zwei Töchter erzieht sie viele Jahre allein.
2015 erleidet sie zwei schwere Schlaganfälle. Drei Monate lang verbringt die heute 85-Jährige in Krankenhaus und Reha, muss wieder laufen lernen.
Ihr ganzes Leben hat Helga Lampert Gitarre gespielt. Nach den Schlaganfällen machen ihre Hände das nicht mehr mit. Jetzt ist die Traumharfe ihr Instrument.
Helga Lampert, 85 Jahre
„Ich kann das jetzt erst wieder spielen, seit ich mich wieder ins Leben gekämpft habe.“
Helga Lampert leidet an Depressionen und Angststörungen. Seit über eineinhalb Jahren ist sie am Pfalzklinikum in Therapie. Besser gesagt, das Pfalzklinikum kommt zu ihr, in Person von Bianca Heider.
Bianca Heider, Fachkrankenschwester Gerontopsychiartrie Pfalzklinikum
„Im ambulanten Bereich, da bin ich alleine bei den Menschen. Ich muss oder darf vor Ort entscheiden: Was machen wir, wie machen wir das. Und diese Verantwortung ist einfach eine ganz andere wie das im stationären Bereich ist.“
Die Zuhause-Behandlung ist aber keine einfache ambulante Psychotherapie, sondern:
Stefan Frisch, Psychologe Pfalzklinikum
„Für Erkrankungen, die eigentlich auch eine stationäre Aufnahme, also eine Aufnahme im Krankenhaus rechtfertigen. Unsere Erfahrung ist, dass das sehr gerne angenommen wird von den Patienten. Gerade von Patienten, die vielleicht schon häufiger auf Station waren, die sagen, ich möchte das eigentlich nicht, ich möchte lieber im häuslichen Umfeld behandelt werden, wo meine Familie ist, wo meine Bekannten sind.“
Das können Stefan Frisch und sein Team nun vielen ermöglichen. Patienten, die im Verdacht stehen, sich oder anderen etwas anzutun, werden aber weiterhin nur stationär behandelt.
Helga Lampert bekommt einmal pro Woche Besuch. Bei Bedarf können aber jederzeit mehr Termine vereinbart werden.
Bianca Heider, Fachkrankenschwester Gerontopsychiartrie Pfalzklinikum „Wir haben immer drauf hingearbeitet, dass Sie nicht stationär gehen müssen. Und das haben wir auch erfolgreich geschafft. Ich glaube, das funktioniert gut.“
Rund 200 Menschen haben Bianca Heider und ihre Kollegen seit Beginn des Projekts im März 2020 zuhause behandelt, die meisten mit Erfolg.
Bianca Heider, Fachkrankenschwester Gerontopsychiartrie Pfalzklinikum „Natürlich ist immer mal wieder der ein oder andere dabei, da hat es halt nicht so funktioniert. Ich meine Psychiatrie ist auch nichts … es gibt nicht die Pille, die alles gut macht.“
Das Projekt ist deutschlandweit einzigartig. Stefan Frisch und Bianca Heider hoffen, dass die Zuhause-Behandlung für Patienten, die eigentlich stationär betreut würden, bald in der Fläche Schule macht.
Helga Lampert jedenfalls hat ein großes Stück Lebensfreude zurückgewonnen. Viel Zeit verbringt sie jetzt wieder in ihrem Garten. Bianca Heider und ihre Kollegen sind für die 85-Jährige Engel, die sich kümmern und sie behüten.
Helga Lampert, 85 Jahre
„Wenn sie weg sind, könnte ich dann manchmal heulen. Weil das Vertraute ist so intensiv geworden, dass man immer drauf gewartet hat, bis jemand klingelt.“