Im Talk: Hessische Gesundheitsministerin wirbt für Widerspruchslösung bei Organspende

Es ist wichtig, über das Thema Organspende zu sprechen und sich damit auseinanderzusetzen.

Markus Appelmann, Moderator:
Das tun wir jetzt mit der hessischen Gesundheitsministerin Diana Stolz. Guten Abend.
Diana Stolz (CDU), Gesundheitsministerin Hessen:
Guten Abend.
Appelmann:
Frau Stolz, wir haben gerade eben gehört, der Mann im Beitrag ist für die Widerspruchslösung. Sie auch?
Stolz:
Na ja, zum Schluss ist es die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Und ich möchte gerne in einer Gesellschaft leben, die das Grundprinzip hat, dass sie auch mittels Organspende Leben retten möchte. Und ich finde, das kam in dem Beitrag sehr, sehr gut rüber: Über was reden wir hier eigentlich? Wir reden auf der einen Seite über Menschen, die teils jahrelang darauf warten, teils auch zu lange, die es gar nicht mehr erreichen, dass dieser erlösende Anruf kommt. Und es geht nicht nur um die Menschen, die auf ein Organ warten. Es geht auch um das Umfeld derer. Also stellen Sie sich vor, Sie sind Eltern und warten für Ihr Kind auf ein Organ. Stellen Sie sich vor, Sie sind Ehepartner und warten für Ihr Partner auf ein Organ. Was das über Jahre auch mit Familien macht, was es mit dem Umfeld macht.
Appelmann:
Deshalb hat das Land Hessen ja jetzt eine Initiative gestartet mit weiteren Bundesländern im Bundesrat. Was passiert da gerade politisch? Wie schnell kann so was gehen?
Stolz:
Jetzt liegt der Ball wieder beim Bundestag. Da lag er schon häufiger. Und ich erhoffe mir natürlich, dass es eine politische Mehrheit jetzt auch endlich mal im Bundestag für die sogenannte Widerspruchslösung gibt. Im Bundesrat gab es die schon häufiger. Wir haben jetzt alleine wieder zehn Länder, die sich da auf den Weg gemacht haben und das eingebracht haben.
Appelmann:
Die Organspenden in Hessen waren auf niedrigem Niveau und sind jetzt in diesem Jahr sogar noch mal zurückgegangen. Von Januar bis August wurden 111 Organe gespendet. Im Vergleichszeitraum 2024 waren es 186 Organe. Warum sind so wenige Menschen bereit, Organe zu spenden, Leben zu spenden?
Stolz:
Na ja, es sind eigentlich gar nicht so wenig Menschen bereit, Organe zu spenden. Wir wissen aus ganz vielen repräsentativen Umfragen, dass der Großteil, weit über 80 % der Deutschen, bereit sind, Organe zu spenden. Das Problem ist unter anderem – also, es ist nicht immer nur ein Thema, aber eins ist, dass wir bei uns sozusagen erst mal Nicht-Spender sind und uns erklären müssen. Und diese Erklärung, die fällt uns sehr schwer offenkundig, zumindest es zu dokumentieren, darüber zu sprechen. Das ist, wie es eben im Beitrag gesagt worden ist, bei uns eine Hemmschwelle in Deutschland über das Thema Organspende zu diskutieren. Und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass jeder eine Entscheidung trifft. Das ist mein ganz großer Anspruch. Übrigens auch wenn die Widerspruchslösung nicht kommen sollte, ist mein ganz wichtiger Appell: Bitte setzen Sie sich mit dem Thema auseinander. Bitte treffen Sie eine Entscheidung, weil keine Entscheidung zu treffen ist das Schlimmste.
Appelmann:
Wenn wir diese Entscheidung treffen, gibt es den Organspendeausweis zum Beispiel und es gibt das Organspende Register. Dafür sprechen Sie sich aus. Was ist das genau?
Stolz:
Das Organspenderegister ist im Prinzip etwas, was im letzten Jahr geschaffen worden ist, dass man sozusagen online seine Bereitschaft dokumentieren kann. Es ist aber auch völlig okay, wenn Sie es auf Papierform machen. Es ist völlig okay, wenn Sie es Ihren Angehörigen einfach nur mitteilen. Übrigens ist das mit den Angehörigen mir noch ein ganz großes Anliegen, weil auch deshalb ist es so wichtig, dass jeder sich entscheidet, ob er Organspender sein möchte oder nicht. Beides ist übrigens völlig in Ordnung. Also es ist völlig in Ordnung zu sagen: “Ich möchte nicht Organspender sein”. Auch das ist zu respektieren. Wobei ich natürlich dafür werbe, dass man sich für die Organspende bereit erklärt. Aber ich möchte auch nicht, dass die Angehörigen in die schwierige Situation kommen, in der sie im Moment sind. Ihr Angehöriger hat einen Hirntod, verstirbt und dann wird gefragt: Was hat er gewollt? Möchte er Organspender sein oder nicht? Und diese Entscheidung, die müssen nicht die Angehörigen treffen sollen, sondern das sollte eigentlich schon jeder zu Lebzeiten für sich entschieden haben.
Appelmann:
Organspende kann Leben retten. Dazu haben wir mit der hessischen Gesundheitsministerin gesprochen. Diana Stolz. Danke für den Besuch.
Stolz:
Danke Ihnen.