Landtag beschließt Bestattungsgesetz

Wir starten mit einem sensiblen Thema – mit dem Tod. Das Bestattungs-Gesetz in Rheinland-Pfalz ist mehr als 40 Jahre alt . Der REGEL-Fall sieht darin vor, dass Menschen auf einem Friedhof ihre letzte Ruhe finden – und zwar in einem Sarg. Doch weil die Praxis schon seit Jahren häufig anders aussieht, hat das Land jetzt das Gesetz für andere Formen der Bestattung geöffnet. – Das gefällt längst nicht allen.

Mit den Stimmen der Regierungskoalition und der AfD wird das neue Bestattungsgesetz heute im Landtag beschlossen. Mit der neuen Regelung entfallen die Sarg- und Friedhofspflicht. Die Asche von Verstorbenen kann so bald auch in den großen Flüssen im Land oder im heimischen Garten bestattet werden. Auch Beerdigungen in einem Seidentuch – wie es vor allem bei muslimischen Bestattungen Brauch ist – sollen ohne Sondergenehmigung erlaubt sein. Für all diese neuen Fälle ist vorher eine schriftliche Verfügung des Verstorbenen notwendig.
Die CDU hatte das Gesetz im Landtag heute schwer kritisiert. Sie ist der Ansicht, dass die Änderungen zu weit gehen und sieht die Friedhofstradition in Gefahr.
Christoph Gensch (CDU), Abgeordneter Landtag RLP
„Der Arbeitskreis kommunaler Friedhöfe schätzt, dass es in Rheinland-Pfalz zu einem Rückgang von 20-30 Prozent bei Sarg- und Urnenbeisetzungen auf Friedhöfen geben wird und auch der Gemeinde- und Städtebund rechnet mit einem signifikanten Rückgang. Das sind Zahlen, die Friedhöfe in existenzielle Nöte bringen. Ein Rückgang, der Bestattungen teurer macht, der das immaterielle Kulturerbe deutsche Friedhofskultur gefährdet. Herr Minister, Sie sind der Totengräber unserer Friedhöfe.“
Und auch von den Kirchen im Land kommt Kritik. Sie befürchten, dass durch das Entfallen der Friedhofspflicht ein öffentlich zugänglicher Ort zum Trauern für die Hinterbliebenen wegfallen könnte. Außerdem sehen sie die Totenruhe in Gefahr, wenn Privatpersonen beispielsweise die Asche ihrer Verwandten mit nach Hause nehmen.
Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz:
„Was uns stört, zumindest was uns fragwürdig erscheint ist die Privatisierung von Bestattung. Und die geringe Berücksichtigung der Trauerkultur, die traditionell gewachsen ist, und die auch Menschen, die jetzt nicht zum engsten Kreis einer Familie gehören, eine Trauer ermöglicht.“
Allen Kritikern zum Trotz ist das neue Bestattungsgesetz jetzt beschlossen.
Laut Gesundheitsminister Clemens Hoch soll es Anfang Oktober in Kraft treten.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Über das neue Gesetz spreche ich jetzt mit Gesundheitsminister Clemens Hoch. Guten Abend.
Clemens Hoch (SPD), Gesundheitsminister RLP:
Guten Abend.
Dieterle:
Herr Hoch, warum war aus Sicht der Ampelkoalition jetzt Zeit für dieses doch stark gelockerte neue Gesetz?
Hoch:
An uns wurden ganz viele Wünsche von Menschen herangetragen, selbst ihre Beerdigung planen zu wollen, und zwar individuell durch Verstreuen der Asche im eigenen Garten, oder auch der Wunsch nach Flussbestattung oder dass die Angehörigen sich wünschen, eine Urne mit nach Hause zu nehmen. Und unser Gesetz war über 40 Jahre alt und deswegen haben wir entschieden, es umfassend zu novellieren.
Dieterle:
Gibt es denn Grenzen bei den Bestattungsmöglichkeiten? Was ist nicht erlaubt?
Hoch:
Wir haben uns von dem leiten lassen, was heute schon üblich ist. Entweder ich werde in einem Sarg bestattet oder – das ist ja mittlerweile der Regelfall -, dass ich verbrannt werde. Und was danach mit der Asche geschieht, daran knüpfen wir an. Wir haben nicht neue Bestattungsformen vorgesehen, die eine Zwischenformen sind, wie zum Beispiel, dass man schneller in einem Alkoven zur Erde gemacht wird und dann erst verstreut wird, sondern wir sind an den klassischen Formen entweder Sarg oder ohne weiter fortgeschritten.
Dieterle:
Die Kirchen sehen das Ganze trotzdem kritisch, befürchten eine mögliche Störung der Totenruhe. Was sagen Sie zu diesen Befürchtungen?
Hoch:
Wir knüpfen ja nicht an den Leichnam an, sondern nur an die Asche. Und damit ist der Leichnam ja schon verbrannt. Und wir regeln diese Dinge auch sehr pietätvoll. Es geht also nur im eigenen Garten oder im Fluss, wo es dann verstreut wird. Und heute müssen dazu Menschen ins Ausland. Das wird auch geduldet und deswegen möchten wir es den Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern hier in der Heimat auch ermöglichen.
Dieterle:
Sowohl Kirche als auch CDU fühlen sich überrumpelt. Sie sagen, es habe keinen ausreichenden gesellschaftlichen Diskurs im Vorfeld gegeben. Wurde das alles schnell übers Knie gebrochen?
Hoch:
Wir haben in einem sehr umfangreichen Diskussionsprozess das zu Ende gebracht. Das ganze Verfahren war über neun Monate lang. Es gab zwei Anhörungen, eine Regierungsanhörung, eine Parlamentsanhörung. Mein Eindruck ist: Die, die sich beklagen, dass es so schnell geht, sind Menschen, die es verhindern wollen, im Land selber. Auch über den Sommer habe ich eine überwältigende Menge an Zustimmung erlebt.
Dieterle:
Die CDU wirft Ihnen vor, mit Ihrem neuen Gesetz die deutsche Friedhofskultur zu beerdigen. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Hoch:
Friedhofskultur und Pietät ist ja nichts Statisches, sondern unserem eigenen Weltbild unterworfen. Und es ist ohnehin so, dass unsere Friedhöfe gar nicht mehr so aussehen wie vor 40 Jahren. Und das wird sich auch weiter wandeln. Und trotzdem ist es gut, wenn Friedhöfe ein Ort der Trauer und der Erinnerung bleiben. Und da gibt es viele Möglichkeiten. Es können ja auch Grabsteine oder Gedenkplaketten ausgebracht werden, ohne dass dort der Leichnam wirklich beerdigt wurde.
Dieterle:
… sagt der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch. Vielen Dank für das Interview.
Hoch:
Gerne.