Sommerinterview mit Robert Lambrou (AfD)

Heute sprechen wir über eine Partei, die sich selbst als “Alternative für Deutschland” bezeichnet, über die AfD. Andere sehen in der AfD eher eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Über all das sprechen wir gleich mit dem Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Hessischen Landtag, der gleichzeitig auch Landessprecher seiner Partei ist, mit Robert Lambrou.

Eva Dieterle, Moderatorin:
Doch bevor wir das tun, haben wir auch ihn zu einem Fotoshooting im Landtag getroffen. Und der Auftrag lautete: drei Lieblingsgegenstände müssen mit und einer davon ist wohl bei vielen Menschen kaum noch wegzudenken.
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Seit dem Jahr 2018 steht die AfD in Hessen im politischen Rampenlicht. Dabei besonders im Fokus: Robert Lambrou. 57 Jahre alt, geboren im westfälischen Münster, zu Hause in Wiesbaden – und seit sieben Jahren hessischer Partei- und Fraktionsvorsitzender. Für den Oppositionsführer im Landtag ist vor allem ein Gegenstand absolut unverzichtbar: Sein Smartphone.
Robert Lambrou (AfD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Ich bin immer erreichbar. Das wissen auch die Parteikollegen. Bei mir klingelt das Telefon auch in der Regel ab 7 Uhr morgens. Und das geht bis spät abends – 23 Uhr, 24 Uhr.“
Schwer erreichbar ist Robert Lambrou eigentlich nur zu einem Zeitpunkt: Und zwar dann, wenn er mal wieder im Schwimmbad seine Bahnen zieht. Dieses Armband ist seine Dauerkarte – am liebsten springt er direkt früh morgens vor der Arbeit ins Becken.
Robert Lambrou (AfD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Es gibt Tage, wo ich eigentlich nicht ins Schwimmbad möchte. Sobald ich dann aber im Wasser bin, dann ist alles gut. Und dann ziehe ich auch den Stiefel durch – ein oder zwei Stunden.“
Das Schwimmen, sagt er, halte ihn fit – und helfe auch beim Stressabbau. Netter Nebeneffekt: Die Pfunde purzeln – und zwar wie verrückt.
Robert Lambrou (AfD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Ich habe zum Beispiel letztes Jahr 20 Kilogramm abgenommen. Auch mit Schwimmen. Und das Schwimmen hilft mir halt auch, das Gewicht zu halten jetzt seit Januar.“
Doch Robert Lambrou ist nicht nur eine Wasser-, sondern auch eine Leseratte. Romane, Sachbücher, politische Abhandlungen: Der AfD-Politiker verschlingt alles, was er in die Finger bekommt. Besonders angetan hat es ihm das Buch „Höhenrausch“ von Jürgen Leinemann.
Robert Lambrou (AfD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Ich habe das Buch mehrfach gelesen. Es beschreibt die Falle, in die Spitzenpolitiker gehen, wenn sie den Bezug zu den Wählern und zur Wirklichkeit verlieren.“
Denn in vielen Fällen, so Robert Lambrou, kreisten Politiker irgendwann einfach nur noch um sich selbst.
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Dieterle:
Jetzt ist er weder im Schwimmbecken noch am Handy, sondern hier bei mir im Studio: Robert Lambrou. Hallo!
Robert Lambrou (AfD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen:
Hallo, Frau Dieterle, vielen Dank für die Einladung.
Dieterle:
Herr Lambrou, wir sehen hier im Hintergrund Sie noch mal mit dem Buch, das Sie mitgebracht haben, zum Shooting. Was tun Sie denn gegen einen Höhenrausch und für mehr Bodenhaftung?
Lambrou:
Ich habe Leute in meinem Kreis, die mir klar ihre Meinung sagen. Und wenn ich auch nur die Tendenz habe, so in einen Höhenrausch zu gehen, dann kriege ich es auch mit der verbalen Bratpfanne und die holen mich gut auf den Boden der Tatsachen zurück. Und es ist wichtig, dass man sich als sogenannter Spitzenpolitiker nicht mit Jasagern umgibt. Und das ist auch eine Lehre aus diesem Buch, die ich gezogen habe.
Dieterle:
Auch über die AfD wird viel geschrieben und Ihre Partei weist die Verantwortung für diese negative Berichterstattung gerne weit von sich, obwohl es ja durchaus auch eigene Parteimitglieder sind, die immer wieder mit sehr zweifelhaften Aussagen für Aufsehen sorgen. Über all das sprechen wir gleich. Doch zunächst ein Blick auf die Lage der Partei.
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Der hessische AfD-Landesvorsitzende Robert Lambrou ist überzeugt, dass die CDU früher oder später mit seiner Partei zusammenarbeiten wird.   Doch nach der Bundestagswahl steht fest: Von früher kann keine Rede sein. Denn die AfD konnte ihren Stimmenanteil zwar verdoppeln. Aber die Union hält an ihrer Brandmauer fest. Im Koalitionsvertrag mit der SPD steht ausdrücklich: „Die Koalitionspartner schließen auf allen politischen Ebenen jede Zusammenarbeit mit (…) rechtsextremen Parteien aus.“ Dementsprechend werden im Bundestag und hessischen Landtag weiterhin alle Anträge der AfD abgelehnt. Im Mai hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD aufgrund eines Gutachtens als gesichert rechts-extremistisch eingestuft. Doch die Partei hat dagegen geklagt. Deshalb hat die Behörde die Einstufung ausgesetzt, bis der Rechtsstreit entschieden ist. Doch das über 1000 Seiten dicke Gutachten kann jeder lesen: Danach hat unter anderem die hessische AfD-Europaabgeordnete Christine Anderson behauptet, bei der EU gehe es um die Errichtung eines totalitären Überwachungsstaates, in dem eine globale Eilte über eine willenlose Masse frei verfügen kann.“ Und der brandenburgische AfD-Fraktionsvorsitzende Hans-Christoph Berndt hat gesagt: „Ich bin fest überzeugt, solange wir noch 20, 30, 40 Millionen Deutsche im Land sind, haben wir die Kraft und haben wir die Möglichkeiten, die Dinge zum Besseren zu wenden.“
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Dieterle:
Herr Lambrou, wer sind denn die “über 30 Millionen anderen deutschen Staatsbürger”? Sind das keine Deutschen?
Lambrou:
Also da muss man ganz klar festhalten, dass jeder, der einen deutschen Pass hat, auch Deutscher ist. Die AfD hat hier im Januar 2021 eine entsprechende Grundsatzerklärung abgegeben. Und die gilt.
Dieterle:
Und trotzdem – Sie sind ja eigentlich selbst betroffen, Sie haben ja auch Migrationshintergrund – müsste Sie es doch massiv stören, dass nach wie vor in ihrer Partei unterschieden wird – Zitat – zwischen “Passdeutschen” und “Volksdeutschen”. Das ist doch eine Herabwürdigung von Menschen mit Migrationshintergrund.
Lambrou:
Mein Vater ist Grieche, ich selber bin in Deutschland geboren und habe seit dem sechsten Lebensjahr den deutschen Pass. Es ist klar, dass diese Masseneinwanderung der letzten zehn Jahre dieses Land anfängt irreparabel zu beschädigen. Und das macht vielen Menschen zu Recht Angst. Und da ist die Wortwahl dann auch manchmal derbe und nicht angemessen. Aber ich finde, dass es wichtiger ist, über die Probleme zu reden, die die Masseneinwanderung verursacht hat, als über die Wortwahl von dem einen oder anderen Parteikollegen. Die Mehrheit der Bevölkerung will seit Jahren, dass diese Masseneinwanderung ändert. Und diese Äußerungen, die teilweise auch nicht in Ordnung sind, die werden dann schnell genommen, um dieses Thema zu tabuisieren. Wir müssen ehrlich über die Folgen dieser illegalen Masseneinwanderung reden.
Dieterle:
Wir würden weniger über die Zitate sprechen, wenn sie nicht in dieser Massivität und Härte ausfallen würden. Deswegen bleiben wir dabei auch noch, schauen auf eine weitere Aussage, diesmal von einem AfD-Bundestagsabgeordneten von Gereon Bollmann.
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Gereon Bollmann (AfD), Bundestagsabgeordneter
„Wir leiden immer mehr unter der zunehmenden Massenmigration, hinter der sich der geplante Austausch unseres Volkes verbirgt.“
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Dieterle:
Wer plant denn da gezielt das deutsche Volk auszutauschen?
Lambrou:
Das weiß ich nicht. Ich sehe halt nur, dass in den letzten zehn Jahren Millionen von Menschen illegal gekommen sind, während netto übrigens 1 Million Deutsche ausgewandert sind. Und mit meinem eigenen Migrationshintergrund weiß ich, dass Integration schlicht und ergreifend auch ab einem bestimmten Mischungsverhältnis nicht mehr funktioniert. Wir erleben doch mittlerweile auf allen gesellschaftlichen Ebenen eine Überforderung des Staates. Ob das jetzt Kitas sind, Schulen, innere Sicherheit, wie lange Sie brauchen, um einen Termin zu kriegen beim Arzt – ja, das hat verschiedene Gründe. Aber diese Masseneinwanderung, die verschärft bestehende Probleme über ein Maß hinaus, wo wir sie gesellschaftspolitisch noch lösen können. Und darüber muss geredet wird.
Dieterle:
Sie haben jetzt gerade mit einem kurzen “Das weiß ich nicht” quasi diesen großen Austausch, diese rechtsextreme These, die bei der AfD kein Einzelfall ist, abgetan. Aber es gibt durchaus noch weitere Beispiele Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel aus Hessen. Sie hat getwittert über die “gezielte Verdrängung weißer Bevölkerungsgruppen”. Also wieder dieses Gezielte, Geplante. Eine andere Parteikollegin vergleicht Menschen mit Migrationshintergrund mit “invasiven Arten”. So spricht man doch nicht über Menschen.
Lambrou:
Ich bin bei Ihnen. Sie werden bei mir auch keine solche Zitate finden. Und die Partei muss hier auch, das sage ich ganz klar, auch noch Hausaufgaben machen. Aber es sind Einzelstimmen, wenige Abgeordnete. In der Breite besteht diese Partei mittlerweile aus über 50.000 Menschen und 99,9 % der Äußerungen sind in Ordnung. Und ich möchte, dass wir über die Probleme reden, die dieses Land hat und dass wir die Probleme der Bürger lösen und diese Äußerungen, über die wir gerade reden, das sind unangenehme Begleiterscheinungen von vielen Leuten, die sich immer größere Sorgen machen um die Zukunft Deutschlands.
Dieterle:
Wir schauen jetzt mal nach Rheinland-Pfalz, denn da gab es einen AfD-Parteitag und da hat sich Jan Bollinger zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Frühjahr aufstellen und wählen lassen. Und wir hören mal, was er gesagt hat.
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Jan Bolinger (AfD), Spitzenkandidat Landtagswahl RLP, am 14.6.25
„SPD, Grüne und Linke sind die Abrissbirnen unseres Landes und die Totengräber unseres Volkes. Wir müssen diese antideutschen Linksradikalen auf den Abfallhaufen der Geschichte entsorgen.“
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Dieterle:
Ja, Herr Lambrou, also das ist jetzt gerade erst passiert. Das wird dann schwierig zu glauben, dass es Einzelfälle sind. Was ist das? Haut man dann auf einem Parteitag einfach noch mal extra einen raus für die eigene Klientel?
Lambrou:
Es geht hier um die Listenwahl für den nächsten Landtag. Da geht es um ein Mandat für die nächsten fünf Jahre. Da geht es für die Kollegen, die kandidieren, um alles. Und da wird dann auch mal derbe formuliert und zugespitzt.
Dieterle:
Aber Menschen “auf den Abfallhaufen der Geschichte”?
Lambrou:
Ist nicht meine Wortwahl. Und ich finde diese Formulierung auch nicht so gut. Aber noch einmal: Ich bleibe dabei, wir sollten hier als Politiker in einem Sommerinterview über die Probleme der Bürger dieses Landes reden und wie wir sie lösen können und welche Vorschläge die AfD hat.
Dieterle:
Das haben Sie jetzt mehrfach gesagt, eben gerade auch gesagt: “Nicht so gut”. Eine richtige Distanzierung sieht anders aus. Jedes Jahr sitzen Sie hier, Herr Lambrou, und müssen sich für solche Zitate rechtfertigen. Die kommen aber nun mal aus Ihren eigenen Parteireihen. Hat die AfD dann ihre Leute nicht im Griff? Oder ist es doch etwas ganz Gezieltes, um eben auch dieses radikale Narrativ zu bedienen, weil der Eindruck erweckt, nun mal.
Lambrou:
Sie bringen hier natürlich die unangenehmsten der unangenehmsten Zitate. Wir reden halt nicht über …
Dieterle:
Aber es gibt sie, wir haben sie ja nicht selbst geschrieben. Sie kommen aus der AfD. Es sind auch keine geleakten Chats, abgehörte Telefonate. Es sind öffentlich gepostete Tweets und ich hätte noch sehr viel mehr Beispiele. Es sind Auszüge auf Homepages von Bundestagsabgeordneten, alle ganz bewusst gebrandet mit dem AfD-Logo im Namen ihrer Partei. Also es ist ja nicht frei erfunden.
Lambrou:
Es gibt Äußerungen, die daneben sind, auch bei anderen Parteien. Dennoch sollte jede Partei bei sich selber anfangen zu schauen, dass man nicht über bestimmte verbale rote Linien geht. Was ich halt auch sehe ist, wir sind seit der Gründung vor über zwölf Jahren, ich war von Anfang an dabei, sind wir in eine Ecke gedrängt worden, stigmatisiert worden, diffamiert worden. Das macht natürlich auch was mit unseren Leuten. Wir sind auch ein Stück weit in einer Wagenburgmentalität und so kann man die eine oder andere Äußerung halt auch erklären.
Dieterle:
Okay, also es ist ein bisschen der Opferstatus.
Lambrou:
Die sind nicht in Ordnung. Aber noch einmal in solchen Interviews konzentrieren wir uns auf wirklich die schwierigsten Äußerungen. Und in dieser Partei werden viele politische Statements aufgestellt …
Dieterle:
Auch die schwierigsten Äußerungen sind Tatsachen. Herr Lambrou, wir kommen jetzt mal zu Sachthemen, denn all das, was wir gerade besprochen haben, hat ja auch Konsequenzen. Es führt nämlich dazu, dass keine andere Partei mit Ihnen zusammenarbeiten möchte. Deswegen bleibt Ihnen in Hessen auch nur die Oppositionsbank. Und genau dahin schauen wir jetzt, nach Hessen.
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Seit eineinhalb Jahren lenkt Schwarz-Rot die Geschicke des Landes Hessen. Und CDU und SPD stoßen einiges an.
So hat die Landesregierung Anfang der Woche ein Paket zum Abbau von Bürokratie beschlossen. Dieses sieht vor, über 90 Landesgesetze und Vorschriften zu entschlacken.
In seiner jüngsten Regierungserklärung Ende Juni hat Ministerpräsident Boris Rhein außerdem eine Investitionsoffensive angekündigt.
Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident Hessen
„In der Luft- und Raumfahrt, in der inneren Sicherheit, in der Verteidigungsindustrie, bei Künstlicher Intelligenz, bei Cybersicherheit, bei der Kernfusion und bei Pharma und Chemie, beim Finanzplatz.“
Mit dem Hessenfonds fördert die Landesregierung Investitionsvorhaben von Unternehmen, Änderungen an der Bauordnung und Zuschüsse für den Kauf der ersten eigenen Immobilie sollen die Baubranche ankurbeln.
Bei den Bürgern scheint vieles davon gut anzukommen. In aktuellen Umfragen steht die Hessen-CDU bei 36 Prozent.
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Dieterle:
Herr Lambrou, Sie sprechen von einem jahrzehntelangen Versagen der CDU. Sehr viele Menschen in Hessen scheinen das ja aber anders zu sehen. Wir haben gerade den Hessentrend gesehen, stattliche 36 % für die Partei des Ministerpräsidenten.
Lambrou:
Ja, Boris Rhein erweckt den Eindruck einer konservativen Wende, die aber in der Tat nicht vollzogen wurde. Und das sehen halt einige Bürger auch sehr klar. Wir stehen bei 18 %. Das ist ein sehr stabiler Wert. Und wir haben vor allen Dingen im Vergleich zum letzten Hessentrend bei den Kompetenzwerten stark zugelegt, um fünf Prozentpunkte, sind auch die zweitstärkste Kraft. Das heißt, die Bürger trauen uns auch eine ganze Menge zu.
Dieterle:
Ändert aber nichts daran, dass mit Ihnen keiner zusammenarbeiten möchte, Sie deshalb ja nicht in die Umsetzung kommen werden auf absehbare Zeit.
Lambrou:
Abwarten. Ich denke, dass sich Dinge bewegen. Es gibt eine Mehrheit in der Bevölkerung, die zum Beispiel ein Ende dieser Masseneinwanderung haben will. Es gibt auch im Parlament eigentlich auch eine Mehrheit dafür. Wenn die CDU es hier ernst meint, dann kann sie das mit der SPD nicht umsetzen. Wir sehen das sowohl in Hessen als auch auf Bundesebene. Mit der AfD würde es gehen. Man muss sich da nicht mögen. Aber es geht doch darum, dass Politiker die Probleme dieses Landes lösen sollen und auch den Willen der Mehrheit der Bevölkerung umsetzen. Es ist die CDU, die es nicht tut. Und ich denke, dass das bei Wahlen tendenziell so ausgehen wird, dass die AfD immer stärker wird. Es sind ja jetzt schon jeder fünfte oder jeder vierte Bürger, der sagt: “Ich wähle AfD”, weil sie den anderen Parteien nicht mehr vertrauen.
Dieterle:
Bereich Entbürokratisierung – eines der Reizthemen, greift in jeden Lebensbereich hinein. In Hessen gibt es einen eigenen Entbürokratisierungsminister dafür und der hat jetzt 90 Änderungen bei Gesetzen und Verordnungen angestoßen und auf den Weg gebracht. Das müsste ein Schritt für Sie sein in die richtige Richtung, oder?
Lambrou:
Ja, es sind Trippelschritte in die richtige Richtung. Was wir brauchen, ist in viel größerem Maße weniger Berichts- und Dokumentationspflichten für Unternehmer. Und da muss noch viel mehr passieren. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die CDU in Hessen regiert seit 25 Jahren. Das Bürokratiemonster, was sie jetzt bekämpft, das hat sie selber mit geschaffen.
Dieterle:
Es liegt in der Natur der Opposition, dass Sie die Landesregierung kritisieren. Wir kommen auf einen weiteren Punkt, wo Sie eine andere Position einnehmen und das ist das Thema Vorratsdatenspeicherung.
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Es ist ein immer größeres Problem. Kinderpornografie im Netz. Die Dunkelziffer ist riesig. Das Bundeskriminalamt betont: IP-Adressen seien oft der einzige Ansatzpunkt für Ermittlungen – in Fällen von Kinderpornographie aber auch in anderen Bereichen der Internetkriminalität, wie zum Beispiel dem Drogenhandel im Darknet.
Der Bundesrat hatte dazu im Herbst vergangenen Jahres eine Gesetzesinitiative beschlossen. Der Inhalt: Internetanbieter sollen verpflichtet werden, die IP-Adressen ihrer Nutzer zu speichern. Anlasslos, einen Monat lang. Eingebracht hatte die Initiative die hessische Landesregierung.
Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident Hessen, am 27.9.2024
„Das Internet darf nicht weiter zu einem rechtsfreien Raum verkommen, Datenschutz darf kein Täterschutz sein. Das liebe Kolleginnen und Kollegen ist falsch verstandene Liberalität. Es ist allerhöchste Zeit.“
So sieht das auch die neue schwarz-rote Bundesregierung. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat bereits angekündigt, dass die Speicherung von IP-Adressen wieder eingeführt werde. Zum Ärger der AfD, denn sie ist klar dagegen.
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Dieterle:
Herr Lambrou, warum sind Sie dagegen? Hat zum Beispiel im Bereich Kinderpornografie da Aufklärung nicht allerhöchste Priorität?
Lambrou:
Kinderpornografie ist ein entsetzliches Verbrechen und muss auf allen Ebenen bekämpft werden. Wir sehen, dass hier dieses Thema “Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung” aber über dieses Thema versucht wird, emotional aufzuladen. Wir sehen auch, dass …
Dieterle:
Aber es ist ja ein hoch emotionales Thema, das dringend besprochen werden muss und geändert werden muss.
Lambrou:
Es geht laut dem Landesjustizminister Heinz, CDU, auch darum, dass man mit der Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel auch Hasspostings und Regierungskritik verfolgen möchte. Und es gilt hier abzuwägen zwischen den verschiedenen Rechtsgütern. Eine Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dass die Daten von allen Bundesbürgern 30 Tage lang gespeichert werden.
Dieterle:
Genau. Und Zugriff … Also die Daten werden bei den Telekommunikationsanbietern gespeichert und Zugriff gibt es nur beim Verdachtsfall einer wirklich schweren Straftat und Mordandrohung, schwerer Drogenhandel, Kinderpornographie und auch nur, wenn ein Gericht dem stattgegeben hat. Ist ja mitnichten so, dass jeder einen freien Zugriff darauf hätte.
Lambrou:
Ja, wir trauen hier der Regierung eben nicht, dass sie in Wirklichkeit etwas ganz anderes im Schilde führt. Wir sehen doch, was heutzutage passiert, wenn ein Bürger einen Politiker “Schwachkopf” nennt.
Dieterle:
Wir hören mal rein, was jemand über genau das Thema Vorratsdatenspeicherung denkt, der Tag für Tag im Internet gegen Kinderpornografie kämpft. Und dass es Oberstaatsanwalt Benjamin Krause von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet und Computerkriminalität in Frankfurt.
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Benjamin Krause, Oberstaatsanwaltschaft
„Im vergangenen Jahre 2024 mussten wir insgesamt 15.000 Fälle mit Hinweise auf Kinderpornographie bei deutschen Nutzern einstellen. Unter anderem und insbesondere weil die IP-Adressen nicht mehr dem Anschlussinhaber zugeordnet werden konnten. Ja, aktuell haben wir ungefähr eine Aufklärungsquote von 40 Prozent. Das heißt, in sechs von zehn Fällen können wir es nicht aktuell. Mit einer einmonatigen Speicherung wäre es uns schon möglich, neun von zehn Fällen aufzuklären – also 90 Prozent.“
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Dieterle:
Sind das keine überzeugenden Argumente, Ihre Meinung noch mal zu überdenken?
Lambrou:
Wir wissen, dass die Sicherheitsbehörden dieses Thema mehrheitlich anders sehen. Keine Frage. Ich weiß aber auch, dass zu Zeiten, als wir die Vorratsdatenspeicherung schon hatten, die Aufklärungsquote eben nicht signifikant höher lag.
Dieterle:
Aber was heißt “mehrheitlich anders”? Da spricht ja ein Oberstaatsanwalt, der sich Tag für Tag damit beschäftigt, ein Mann aus der Praxis.
Lambrou:
Richtig. Und als Politiker ist es meine Aufgabe, Interessen verschiedener Bevölkerungsgruppen gegeneinander abzuwägen. Und wir von der AfD kommen übrigens auch wie die FDP zu dem Schluss, dass die Freiheitsrechte für die gesamte Bevölkerung hier höher zu gewichten sind. Die restlichen Argumente hatte ich ja schon genannt.
Dieterle:
Okay, an dieser Stelle bleibt uns nichts weiter als ein sehr harter Cut, denn wir wollen zum Schluss noch mal zu einer schnellen Runde kommen, zu einer persönlicheren Runde. Sie bekommen einen Haufen Begriffe von mir und ich von Ihnen eine möglichst spontane Assoziation. “High Five”.
Lambrou:
“High Five”, das ist etwas beim Sport, wenn ein gelungener Spielzug ist, dass man sich dann abklatscht.
Dieterle:
Machen Sie das manchmal?
Lambrou:
Beim Schwimmen ist es ein bisschen schwierig, das ist eine Einzelsportart.#
Dieterle:
“Backen”.
Lambrou:
Backen. Ich bin jemand, der gerne isst, aber nicht so gut kochen kann. Das heißt, ich backe relativ selten.
Dieterle:
Dann geht es weiter mit Trinken. “Gin Tonic”.
Lambrou:
Ich trinke in der Tat kaum Alkohol und insofern habe ich mit dieser ganzen Welt, ob das Wein oder Gin ist oder was auch immer, nichts am Hut.
Dieterle:
Okay. “Regenbogenfahne”.
Lambrou:
Regenbogenfahne ist erst mal eine Fahne, die eine Fahne wie jede andere ist. Ich finde es schade, dass sie politisch so stark instrumentalisiert wurde in den letzten Jahren.
Dieterle:
Und sie steht für Hoffnung, Frieden, Vielfalt.
Lambrou:
Sie steht halt inzwischen auch für andere Dinge.
Dieterle:
Zum Beispiel noch für 9 Millionen Menschen, die sich selbst als queer bezeichnen.
Lambrou:
Ich denke, dass es völlig okay ist, ob man heterosexuell oder homosexuell ist. Aber der politische Aktivismus, der in eine ganz bestimmte Richtung geht, das ist, was wir kritisieren.
Dieterle:
“Gärtnern”. Haben Sie einen Garten?
Lambrou:
Ich habe keinen Garten. Ich hätte aber sehr gerne einen Garten. Ich bin gerne in der Natur. Ich gehe gerne am Wasser spazieren, mache gerne Spaziergänge in der Natur.
Dieterle:
“Ventilator”.
Lambrou:
Ventilator ist in der Tat etwas, was ich bei diesem Wetter lieber im Büro habe als eine mobile Klimaanlage.
Dieterle:
Warum?
Lambrou:
Weil es für mich angenehmer ist. So eine Klimaanlage schafft bei mir auch schnell eine Erkältung.
Dieterle:
Okay, gut. Also heute haben wir hier eine Klimaanlage im Studio. Aber Sie sind jetzt entlassen. Wir haben aber noch was für Sie. Und zwar gibt es am Ende für jeden Gast noch ein Foto aus dem Shooting und auch Sie bekommen natürlich eins mit nach Hause und vielleicht finden Sie einen schönen Platz dafür. Vielen Dank, dass Sie sich den Fragen gestellt haben.
Lambrou:
Sehr gerne.