Sommerinterview mit Tobias Eckert (SPD)

Schwarz-Rot – so heißt nicht nur die aktuelle Koalition im Bund, sondern seit anderthalb Jahren auch das Regierungsbündnis in Hessen. Doch laut einer aktuellen Umfrage tut den Sozialdemokraten das Regieren gar nicht gut. Die SPD in Hessen kommt in Umfragen nur noch auf 13 %. Dazu ein Bundesparteitag, der den Parteivorsitzenden abgestraft hat. Viel zu besprechen mit Tobias Eckert, dem SPD-Fraktionschef im Hessischen Landtag.

Markus Appelmann, Moderator:
Vorher haben wir ihn zum Fotoshooting getroffen, mit drei persönlichen Gegenständen. Jetzt heißt das bei uns: “Bitte recht freundlich!”.
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Ganz bodenständig. So beschreibt sich Tobias Eckert selbst. Bis heute lebt der SPD-Mann dort, wo er geboren wurde, im mittelhessischen Mengerskirchen. Dieser Wimpel zeugt von seiner Heimatverbundenheit und von seinem ersten politischen Engagement mit 17.
Tobias Eckert (SPD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Von fünf Ortschaften hatten vier einen Jugendraum und nur bei uns hat man sich an der berühmten Bushaltestelle noch getroffen. Und das war so dieses Momentum; nee da wollen wir eigentlich ne Veränderung. Und das war so der Einstieg mit in die Politik, weil da gings drum; man muss selber etwas mitgestalten, dann hat man eine Chance, dass aus den eigenen Ideen Wirklichkeit wird.“
Das kommunalpolitische Engagement führt Tobias Eckert schließlich bis in den hessischen Landtag. Immer in Gedanken dabei – seine Familie. Die selbstgemalten Bilder seiner sechsjährigen Nichte und seines zehnjährigen Neffen hängen in seinem Wiesbadener Büro. In der Rolle des Patenonkels fühlt sich Eckert richtig wohl.
Tobias Eckert (SPD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Man muss nicht selber erziehen, man darf viel Spaß haben. Man darf auch viele Sachen machen, die vielleicht daheim nicht immer so gern gesehen werden. Die verbinden mit dem Hessischen Landtag Fußballspielen auf den Fluren. Das ist das, was mein Patenkind Felix nach wie vor sagt, wenn ich sage, ich war arbeiten. Ach da, wo man Fußball spielen kann.“
Und ein bisschen Spielkind steckt auch noch in dem 44-Jährigen, der zu unserem Fotoshooting ein Raumschiff mitbringt. Um genau zu sein; einen Naboo-Starfighter aus den Star-Wars-Filmen.
Tobias Eckert (SPD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Ich bin ein bekennender Star-Wars-Fan. Und das hat man mir mal dann zum Geburtstag geschenkt. Und das begleitet mich auch heute und ich habs hier im Hessischen Landtag mit in meinem Büro stehen. Macht ordentlich Krach. Und auch das muss man ja in der Politik ab und an mal machen.“
Der Kampf um Macht – Gut gegen Böse. Es gibt so einige Star-Wars Parallelen die man zur hessischen Landespolitik ziehen kann. In diesem Sinne – möge die Macht mit Ihnen sein!
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Appelmann:
Und jetzt ist er bei uns, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Tobias Eckert, herzlich willkommen.
Tobias Eckert (SPD), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen:
Einen wunderschönen guten Abend.
Appelmann:
Um im Bild zu bleiben: Möchten Sie mal mit so einem Lichtschwert im Landtag rumwirbeln?
Eckert:
Weniger mit dem Lichtschwert als tatsächlich die Auseinandersetzung mit Worten. Davon lebt Demokratie und dazu ist der Landtag nun mal der Ort, wo das stattfindet. Deswegen weniger Lichtschwert, ein bisschen weniger martialisch, sondern tatsächlich mit Worten.
Appelmann:
Treckie oder Star Wars – gibt es denn auch Kollegen im Landtag, mit denen Sie da auf Augenhöhe diskutieren können?
Eckert:
Es gibt sowohl bekennende Star-Wars- als auch Star-Trek-Fans auch innerhalb der Landesregierung. Und da trennt sich dann, ich will nicht sagen, die Spreu vom Weizen. Aber da gibt es schon die Unterschiede. Und neben dem Alltagsgeschäft sich auch über solche Sachen auszutauschen, hat ja auch was.
Appelmann:
“Möge die Macht mit ihnen sein”, möchte man den SPD-Genossen derzeit zurufen. Jetzt wird’s politisch bei uns. Denn bei Lars Klingbeil, dem Parteivorsitzenden, ist momentan eher von Ohnmacht die Rede.
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Lars Klingbeil (SPD), Co-Bundesvorsitzender
„Das Ergebnis ist für mich ein schweres Ergebnis.“
Bärbel Bas (SPD), Co-Bundesvorsitzende
„Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das großartige Vertrauen. Danke.“
So unterschiedlich können frisch gewählte Parteivorsitzende klingen.
Lars Klingbeil, alter und neuer SPD-Chef gewählt mit nur rund 65 Prozent. Abgestraft von seinen Genossen.
Bärbel Bas, neue Chefin der Partei, gewählt mit rund 95 Prozent. In ihrer Rede spricht die Arbeitsministerin von „Klassenkampf von oben“ und warnt vor einem „sozialen Kahlschlag“.
Bärbel Bas (SPD), Bundesvorsitzende, am 27.06.25
„Unser Problem ist der wachsende Unterschied zwischen Oben und Unten, zwischen Arm und Reich und da müssen wir ran, das ist unser Auftrag:“
Klassisch linke Themen von Bärbel Bas, der Vertreterin des linken Flügels ihrer Partei.
Und das, obwohl die SPD bei der Bundestagswahl deutlich mehr Stimmen an die Union und die AfD verloren hat als an alle anderen Parteien zusammen. 16,4 Prozent holte die Partei im Februar – ein historisch schlechter Wert, der derzeit in Umfragen sogar noch unterboten wird. Bei 14-15 Prozent liegt die Partei im Bund, bei nur noch 13 Prozent in Hessen.
Sowohl in Wiesbaden als auch in Berlin heißt es für die Sozialdemokraten jetzt: Sie sitzen in der Zwickmühle. Denn sie müssen einerseits das eigene Profil schärfen und andererseits in Regierungsverantwortung Kompromisse eingehen.
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Appelmann:
Ein Erneuerungsprozess in Regierungsverantwortung, das gleicht doch der Quadratur des Kreises. Das kann doch eigentlich nicht gelingen.
Eckert:
Es gibt viele, die auch gesagt haben, man muss deswegen manchmal ja in Oppositionszeiten sich erneuern. Das hat erkennbar bei vielen anderen auch nicht funktioniert. Von daher halte ich nichts von diesem Widerspruch, sondern die Frage In der Tat – und es ist keine Zwickmühle, sondern es ist die Aufgabe von Parteien, auf der einen Seite deutlich zu machen, wo sie ihre Schwerpunkte hat, wo wir auch Veränderungen wollen. Und die Demokratie lebt vom Kompromiss, aber solche Kompromisse auch in Regierungsverantwortung umzusetzen. Und ich lade dann jeden ein. Wer mehr davon haben will, der muss dann beim nächsten Mal halt SPD wählen, wenn wir diese Zwischenschritte machen. Deswegen …
Appelmann:
“Wählen” ist ganz gut. Wenn wir noch mal auf die Wahl von Lars Klingbeil gucken. Keine 65 %. Damit haben Sie Ihren Parteivorsitzenden Vizekanzler doch maximal geschwächt.
Eckert:
Also ich hätte mir nach einer sehr zugewandten Diskussion in der Generalaussprache am Parteitag in Berlin schon auch noch mal ein klareres Votum für die Parteispitze gewünscht. Einfach damit wir gemeinsam auch die Herausforderungen bewältigen können. Da waren viele Gründe sicherlich ausschlaggebend für den einen oder anderen Delegierten auf dem Parteitag. Mich haben beide Kandidaten überzeugt. Deswegen habe ich ihnen beiden auch mein Vertrauen gegeben. Aber ehrlicherweise: Jetzt gilt es tatsächlich, die Herausforderungen zu meistern. Dafür haben wir jetzt einen Bundesvorstand, wo ich mich freue, dass drei Hessinnen und Hessen auch mit vertreten sind. Und diese Herausforderung zu lösen, das ist jetzt unsere Aufgabe. Weniger einzelne Wahlergebnisse. In der Tat, ich hätte mir was anderes gewünscht. Aber das gehört dann auch zu demokratischen Wahlen. Sie so zu akzeptieren, wie sie sind.
Appelmann:
Ein Grund für das schlechte Abschneiden von Lars Klingbeil wird sein, dass er vor dem Parteitag verkündet hat, dass die Strompreise für Bürger nicht sinken werden. Ganz anders stand es ja im Koalitionsvertrag. Jetzt, trotz massiver Proteste, das ernüchternde Ergebnis des Koalitionsausschusses von gestern Abend. Es bleibt alles dabei. Der Strompreis für die Bürger kann nicht gesenkt werden. Können Sie verstehen, dass die Bürger sauer sind, dass da ein Wahlversprechen gebrochen wurde?
Eckert:
Ich kann die Ungeduld und die Unruhe verstehen, indem man das, was im Koalitionsvertrag steht, auch zügig umsetzt. Aber der Koalitionsvertrag gilt jetzt für die gesamte Legislaturperiode in Berlin, so wie für uns in Wiesbaden. Und da gilt es dann auch in Zeiten angespannter Haushalte Prioritäten zu setzen ….
Appelmann:
Das hat man doch vor zwei Monaten auch schon gewusst.
Eckert:
… und einen Schritt nach dem anderen zu gehen und deswegen zu sagen: “Der eine Schritt wird jetzt gegangen, der nächste Schritt kommt”. Und es gibt ja Entlastungen auch für Endkundinnen und Endkunden. In der Frage des Strompreises, da gibt es Berechnungen, auch die noch mal heute Nacht klargezogen worden sind.
Appelmann:
Aber die Stromsteuer sinkt nicht für Bürger. Und die Bürger, ich will das ganz kurz vermitteln, die sagen sich: “Da ist jetzt so viel Geld im System, da wird ein riesen 500 Milliarden Investitionsprogramm gestartet, ein Schuldenprogramm, aber für den Strompreis zu senken, ist kein Geld da”.
Eckert:
Wir starten in der Tat ein Investitionsprogramm. Es ist kein Schuldenprogramm. Es ist die Frage: Können wir uns erlauben, diese Schulden zu tätigen? Und ich frage dann zurück: Können wir uns erlauben, diese Schulden nicht aufzunehmen, damit wir in Infrastruktur finanzieren, damit wir Krankenhäuser finanzieren, damit wir in Infrastruktur, Straße, Schiene, Digitalisierung, unsere Bildung auch Geld mobilisieren? Denn Deutschland hat ein Infrastrukturproblem. Und dafür jetzt ein klares Zeichen zu setzen, das ist das eine. Es ist aber kein konsumtiver Bereich, in dem wir sagen: “Was können wir zu den laufenden Kosten machen?” Wir haben in Deutschland eine Schuldenbremse, und die haben wir uns für die Haushaltsaufstellungen alle zu halten. Und drei Jahre kein Wirtschaftswachstum sind für ein System, was Wirtschaftswachstum braucht, um seine Ausgaben zu finanzieren, hat nach drei Jahren ohne Wirtschaftswachstum ein finanzielles Problem. Und deswegen Es ist ja nicht: “Es kommt nicht”, es kommt nur nicht jetzt in den ersten 100 Tagen. Und ich finde, die Herausforderung dieser neuen Koalition in Berlin, was sie in 50 Tagen hinbekommen haben mit dem Haushalt für 2025 den Investitionsplan …
Appelmann:
Aber lassen Sie uns noch mal ganz kurz bei diesem Strompreis bleiben, denn wir erleben doch gerade dieses zerstrittene Bild, was wir in der Ampelregierung auch erlebt haben. Da ist doch Streit in der Koalition und das ist doch ein desaströses Bild, was die Bundesregierung abgibt.
Eckert:
Ich ermuntere in der Tat unseren Koalitionspartner, dass man zu diesem Stil, den wir in Hessen pflegen und da unterscheiden wir uns durchaus auch von der Bundespolitik, gemeinsam um Lösungen ringt, dann gemeinsam mit dem Ziel, eine Lösung auch zu präsentieren und die gemeinsam trägt. Und gerade an der Stelle habe ich viele Stimmen auch aus der Union vernommen, die dann nach den gemeinsam gefassten Beschlüssen von Bundeskanzler, Vizekanzler und dem Kabinett das wieder in Frage gestellt haben. Das sorgt nicht für Stabilität der in der Politik, das sorgt nicht für Vertrauen. Und, Sie haben angesprochen, genau das haben wir auf der bundespolitischen Ebene durch viele Akteure in den letzten Jahren zu viel erlebt. Ich finde, die Hessen-Koalition macht das in Wiesbaden anders. Wir machen das besser, wir machen es auch, ich finde, erfolgreicher, denn gemeinsam werden wir alle daran gemessen, können wir die Probleme der Menschen lösen und nicht über ein Kleinklein in den einzelnen Debatten. Deswegen war, ich glaube, die Klarziehung auch noch mal im Koalitionsausschuss wichtig.
Appelmann:
Über Hessen sprechen wir natürlich gleich noch im Detail. Lassen Sie uns noch mal ganz kurz über Ihre Partei sprechen. Im Beitrag ist es schon angeklungen Warum ist die SPD keine Arbeiterpartei mehr und ich möchte Ihnen da eine Zahl liefern. 720.000 Wähler sind bei der letzten Bundestagswahl von der SPD zur AfD gewandert. Was bekommt der Wähler von der AfD, was die SPD nicht bieten kann?
Eckert:
Die AfD bietet alles andere als Lösungskompetenz und tatsächlich Ideen, wie wir Herausforderungen gemeinsam meistern. Und das ist das, woran wir ein Problem haben. Wir kriegen vieles unserer Baustellen und Ideen, dass Menschen merken, es stehen die auch mit im Mittelpunkt, die dieses Land am Laufen halten, die von morgens bis abends arbeiten gehen, nebenbei ihre Kinder erziehen, tatsächlich auch Ehrenamt leben und vieles andere mehr.
Appelmann:
Sie reden das jetzt schön. Sie haben die Arbeiter verloren.
Eckert:
Nein. Sie stellen wir nicht in den Mittelpunkt und können ihnen nicht beschreiben, dass die Herausforderungen zum Beispiel in der Industrie, dass wir auch in Zukunft Industriearbeitsplätze haben wollen. Und daran haben wir tatsächlich sozusagen ein nicht nur kommunikatives, sondern auch ein paar Baustellen, ein handwerkliches Problem gehabt, deutlich zu machen: Wir wollen Industriearbeitsplätze, wir sind für euch da und wir kümmern uns um die Herausforderung. Transformation der Wirtschaft ist eine große Herausforderung, aber nur gemeinsam können wir sie bewältigen. Deswegen machen wir zum Beispiel in Hessen den Hessenfonds, um Arbeitsplätze zu erhalten. Und ich glaube, das Signal, diese Kernzielgruppe einer Partei, die sich nach wie vor und ich finde zu Recht definiert als die Partei der Arbeit, die hat ein Problem, wenn die Menschen ihnen das nicht mehr abnehmen …
Appelmann:
Aber es kommt nicht an bei ihnen, bei den Menschen. Wenn wir uns den aktuellen Hessentrend anschauen, da ist die SPD derzeit bei 13 %.Viertstärkste Kraft. Das ist doch bitter. Haben Sie sich die Frage nach dem Warum mal gestellt?
Eckert:
Wir stellen uns die Frage nicht nur wegen dem letzten Hessentrend, sondern auch intensiv die ganze Zeit. Weil an der gesamten Umfrage für Hessen beschäftigt mich ein Wert noch mehr als der SPD-Wert – die Frage der Problemlösungskompetenz, weil das ist ein Zukunftswert und da haben alle demokratischen Parteien verloren und die Menschen billigen einer rechtsradikalen Partei wie der AfD ein Maß zu an Problemlösungskompetenzen. Und für mich ist klar und das ist die Erfahrung aus dem Landtag, der AfD geht es gut, wenn es dem Land schlecht geht. Sie haben gar kein Interesse das zu lösen
Appelmann:
Da sind wir beim Thema, denn das große Thema in diesem Hessentrend ist immer noch Migration bei den Menschen. Sie haben gesagt: “Zurückweisung aller Asylbewerber an den Grenzen” im Wahlkampf, “das ist nicht möglich”. Jetzt sehen wir, dass es möglich ist. Die SPD geht diesen Unionskurs mit. Haben Sie da einen Fehler gemacht? Müssen Sie den eingestehen?
Eckert:
Nein. Die Frage ist tatsächlich auch in der in dieser Umsetzung: Recht und Gesetz gelten. Die europäischen Herausforderungen sind zu bewältigen. Wir sollten das – und das ist auch weiterhin meine Meinung – immer im Miteinander der europäischen Partnerinnen und Partner organisieren. Wir sehen es gerade an der polnischen Grenze, dass sozusagen das eine oder andere des Bundesinnenministers vielleicht jetzt nicht dafür geholfen hat, dass wir gemeinsam diese Wege gehen. Wichtig ist aber auch, dass wir aufzeigen, wo wir tatsächlich Lösungen haben. Politik hat auch im Bundestagswahlkampf von allen Beteiligten das Thema theamtisiert in einer Art und Weise, wo deutlich wird: Ja, es ist das größte und wichtigste Thema. Und wir haben in unserem Land große Herausforderungen, auch was die Integrationsleistungen angeht und was wir – und da bin ich zum Beispiel unserem Sozialministerium sehr, sehr dankbar – was können wir tatsächlich konkret tun, um Menschen in Arbeit zu bringen, sie in ihrer Integrationsleistung zu unterstützen und vieles andere mehr? Deswegen: Ja, es ist ein wichtiges Thema und daran arbeiten wir. Deswegen haben wir Punkte wie die Bezahlkarte in Hessen jetzt auch nach und nach umgesetzt und Ähnliches mehr. Aber ich glaube, am Ende geht es um die Problemlösungskompetenz in den Fragen und nicht nur die Schlagzeile. Und da hat erkennbar die AfD nur die Schlagzeile und sie will das Problem auch nicht lösen.
Appelmann:
Gehen wir da noch mal konkret dran. Ein Berliner Gericht hat vor gut vier Wochen die Zurückweisung dreier Asylbewerber aus Somalia für rechtswidrig erklärt. Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori, Ihr SPD-Freund, hat dazu dann folgendes gesagt:
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Kaweh Mansoori (SPD), Wirtschaftsminister Hessen
„Konsequent wäre allerdings, die neue Praxis bis dahin auszusetzen. Vertrauen in rechtsstaatliche Gewaltenteilung scheint mir wichtiger als die kurzfristige Durchsetzung politischer Ziele.“
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Appelmann:
Sehen Sie das auch so?
Eckert:
Ich stimme Kaweh Mansoori ausdrücklich zu. Ich glaube tatsächlich, in einem Rechtsstaat ist es wichtig, dass wir – und wir haben einen funktionierenden Rechtsstaat anders als in manchen anderen Demokratien – wir gerade hinschauen, wie wir gerade in diesem Bereich echte Abbauprozesse stattfinden …
Appelmann:
Also Sie würden Asylbewerber an der Grenze aktuell nicht mehr zurückweisen?
Eckert:
… und deswegen zu sagen, es ist für einen Rechtsstaat wichtig, Gerichtsurteile eben nicht wegzuwischen, wie das in der politischen Diskussion und aus dieser Zeit rührt, dieses Zitat …
Appelmann:
Sie sprechen sich gerade für eine Änderung des Prozederes aus.
Eckert:
… dass sie entsprechend tatsächlich an dieser Stelle sagen: “Wir müssen genau hinschauen.” Es ist eine Einzelfallentscheidung. Die weiteren Gerichte werden entscheiden. Aber es wäre vielleicht klug, anders und sachgerecht mit dieser Debatte umzugehen, als das der eine oder andere in Berlin im Moment tut.
Appelmann:
Herr Eckert, da setzen wir einen Punkt und kommen zu einem knappen Gut, zum Wohnraum, denn der fehlt derzeit wirklich an allen Ecken und Enden.
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Auf wenige Wohnungen kommen viele Bewerber. Dieses Bild kennt man nicht nur, aber besonders aus Frankfurt. In der Mainmetropole fehlen Wohnungen. Um der Nachfrage gerecht zu werden, müssten bis 2030 jährlich rund 4.300 zusätzliche Wohnungen entstehen.
Frankfurt ist kein Einzelfall. Deutschlandweit ist der Wohnungsmarkt seit vielen Jahren angespannt.
Die frühere Ampelregierung in Berlin wollte deshalb 400.000 neue Wohnungen bauen. Dieses Ziel hat sie weit verfehlt.
Im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung sucht man eine Zielmarke in Bezug auf den Neubau von Wohnungen vergebens. Stattdessen will die neue SPD-Bauministerin Verena Hubertz aus Rheinland-Pfalz die Kosten für den Bau halbieren.
Und auch die hessische Landesregierung will Entlastungen. Mit dem sogenannten Hessengeld – einer Förderung für die erste eigene Immobilie – will sie Bauen vor allem für Familien attraktiv machen und die Baubranche ankurbeln.
Das Hessengeld ein Anfang, sagt Rainer von Borstel vom Verband baugewerblicher Unternehmer. Aber:
Rainer von Borstel, Geschäftsführer Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen
„In der Umsetzung ist es nicht so von entscheidender Bedeutung. Das Hessengeld hilft, dass man die Grunderwerbsteuer erstattet bekommt, das sind die Baunebenkosten. Aber es wirkt sich leider nicht auf die Baukosten aus und die schlussendlich sind entscheidend von Krediten.“
Von einem echten Boost für die Baubranche will von Borsel in Bezug auf das Hessengeld nicht reden, vielmehr sorge es für Mitnahmeeffekte bei ohnehin geplanten Immobilienkäufen
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Appelmann:
Dafür, dass es keine Anreize schafft. Ist es ein teures Instrument, oder?
Eckert:
Deswegen haben wir ja nicht ein Instrument, sondern einen ganzen Instrumentenkasten in dieser Frage auf den Weg gebracht. Gerade in der letzten Plenarwoche die Hessische Bauordnung mit unseren Vorschlägen für eben genau diese Punkte, die im Bericht angesprochen worden sind. Wie können wir günstiger bauen, damit wir auch günstigeren Wohnraum anbieten können? Weil bei aller Subventionierung – wir werden das nicht in den Griff bekommen, wenn wir nicht von den Baukosten herunterkommen. Und deswegen passt das, was der Bund macht, aber auch das, was wir in Wiesbaden vorgelegt haben und jetzt in der parlamentarischen Beratung haben. Das ist im Übrigen keine politische Idee, sondern wir haben, und das finde ich, eine kluge Idee, Fachleute aus der Praxis eingeladen, ihre Vorschläge zu präsentieren, daraus in der Baukommission Vorschläge zu erarbeiten. Und wir setzen es jetzt im Parlament um. Das ist die erste Runde. Die zweite ist jetzt gerade schon in der Mache. Also genau ist es ein stetiger Prozess, weil wir müssen von den Kosten runter, damit wir bezahlbaren Wohnraum auch anbieten können.
Appelmann:
Das sagt auch Verena Hubertz, Ihre SPD-Parteifreundin, Bundesbauministerin. Die sagt: “Die Baukosten halbieren und die Klimaziele trotzdem erreichen”. Das klingt ungefähr so realistisch wie das letzte Ziel von Klara Geywitz auch von der SPD, die Bundesbauministerin, die von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr gesprochen hat. Schaffen wir das, die Baukosten zu halbieren, ganz ehrlich?
Eckert:
Wir schaffen, sie deutlich zu senken. Ansonsten halte ich wenig nur von der Debatte “An welchem Prozent bin ich stehen geblieben?”. Tatsächlich, wir müssen da runter. Da sind wir sowohl im Bund als auch im Land aktiv gerade mit dabei. Damit wir bezahlbar bauen können. Und ich halte das für keinen Widerspruch in der Frage von Klimaneutralität und die Herausforderung für den Wohnungsbau gegen die Kostenbelastung zu stellen. Da gibt es viele Stellschrauben, die, wenn man sich mit den Details beschäftigt, manchmal wirklich irgendwann Sinn ergeben haben, aber heute manchmal wirklich surreal daherkommen. Und da bisschen aufzuräumen, da Veränderungen zu schaffen, damit wir auch schneller werden können in der Umsetzung von “Wir müssten mal was bauen” hin zu “Wir bauen”.
Appelmann:
So reden wir schon lange. Baukosten halbieren, Klimaziele erreichen und die Mietpreisbremse ausweiten Das sind Ihre Ziele. Das ist doch wie Gas geben und bremsen gleichzeitig.
Eckert:
Nein. Wir schaffen mit der Mietpreisbremse ein bisschen Luft und Zeit, damit wir, bis wir entsprechend Angebot zur Verfügung haben, wirklich keinen explodierenden weiteren Mietmarkt haben. Es ist nicht Gas und Bremse. Da werden Leute investieren selbstverständlich, weil natürlich die Regelungen dafür, was Angebot und Nachfrage schafft, die werden sich entsprechend und sind für sie attraktiv. Und die Mietpreisbremse soll eben verhindern, dass gerade auch in den Wohnungen mit Bestand, in Mieterwechseln nicht wir nachher in eine Situation kommen, die nachher sich niemand mehr leisten kann. Im Übrigen sind das die Punkte, die Sie angesprochen haben, ja alles andere als unsere einzigen Punkte. Wir sind im Moment gerade dabei, dem Kampf, dem spekulativen Leerstand. Wir haben in Frankfurt leerstehende Wohnungen als Spekulationsobjekt. Wir wollen, dass diese Wohnungen dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden.
Appelmann:
Klar ist, es muss endlich mal gebaut werden und Sie müssen die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Herr Eckert, da setzen wir einen Punkt und kommen noch auf unsere Rubrik zusammen. Die heißt “Auf ein Wort”. Ich liefere Ihnen ein Wort und Sie liefern mir Ihren Gedankengang in diesem Moment.
Eckert:
Sehr gerne.
Appelmann:
Okay. “Playstation”.
Eckert:
Habe ich mal genutzt, aber nicht mehr aktuell.
Appelmann:
“Shitstorm”.
Eckert:
Passiert. Muss man aushalten …
Appelmann:
Haben Sie einen erlebt?
Eckert:
… ist man aber ganz froh, wenn man es vermeiden kann.
Appelmann:
“Flohmarktfund”.
Eckert:
Ich habe selber auf Flohmärkten verkauft auch schon. Habe auch das eine oder andere eingekauft. Aber ich könnte ihnen jetzt kein besonderes Highlight nennen, außer, dass ich an der Stelle höchstens für meinen Limburger Flohmarkt Werbung machen könnte, weil da finden Sie tatsächlich wunderbare Funde.
Appelmann:
Wenn Sie dabei sind.
Eckert:
Ich komme auch vorbei. Anfang September.
Appelmann:
“Lieblingsbuch”.
Eckert:
Ich lese unglaublich gerne regionale Krimis, so zum nebenbei weglesen und deswegen habe ich mir für den Griechenlandurlaub einige Kriminalromane aus Griechenland besorgt. Aber kein einzelnes Buch, was ich häufiger lese.
Appelmann:
Caipirinha.
Eckert:
Sehr gut, Aperol Spritz noch lieber.
Appelmann:
Und Urlaub, haben wir gehört, geht es nach Griechenland.
Eckert:
Genau, nach Griechenland. Von daher ist die Temperatur jetzt schon eine kleine Vorbereitung.
Appelmann:
In der Tat. Ich greife hinter meinen Sessel und habe zum Schluss unseres Sommerinterviews noch ein kleines Dankeschön. Und zwar ein Bild aus unserem Fotoshooting, das hoffentlich einen schönen Platz bei Ihnen findet.
Eckert:
Vielen Dank. Herzlichen Dank. Ja, mit dem passenden Flieger dabei. Vielen herzlichen Dank!
Appelmann:
Dankeschön, Tobias Eckert.
Eckert:
Danke.