Im Studio: Ines Claus, Fraktionsvorsitzende der CDU im hessischen Landtag
„Ein fatales Signal“ – „Wortbruch“. Die Kritik an den schwarz-roten Plänen, die Stromsteuer nun doch nicht für alle zu senken, wächst. Und so wird sich heute Abend noch mal ein Koalitionsausschuss mit genau diesem Thema beschäftigen. Es könnte also noch mal Bewegung in die Sache kommen. Darüber sprechen wir gleich mit der Vorsitzenden der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, mit Ines Claus. Zuerst werfen wir einen Blick auf den Status quo.
Günstigerer Strom für alle – so hatte es die neue Bundesregierung bei Amtsantritt in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Die Stromsteuer sollte sinken und so die horrenden Preise einschmelzen, mit denen Privathaushalte, Geschäftsleute und die Industrie seit Jahren ringen. Letzte Woche dann aber die Rolle rückwärts. In einem neuen Haushaltsentwurf ist die Rede nur noch von einer Senkung der Stromsteuer für ausgewählte Branchen. Betriebe aus anderen Branchen und Bürger sollen leer ausgehen. Für viele Menschen kommt das einem Wortbruch gleich.
Walburga Brand, Rentnerin
„Erst große Versprechungen und jetzt zum Schluss hörst du wieder: Diese, diese, diese kriegen. Die Großen kriegen wieder die Unterstützung und die Kleinen müssen wieder sehen, wie sie mit dem Geld zurechtkommen und es ist leider immer dasselbe. Egal welche Regierung dran kommt: Große Versprechungen und hinten dran wird nie was gehalten.“Malte Albrecht, Politikwissenschaftle
„Wir brauchen für die Energiewende eine andere Politik. Die kriegen wir von diesem Kanzler nicht. Mich hat es nicht überrascht.“Anna-Viktoria Sawada, Schülerin
„Ich finde das richtig kacke, um ehrlich zu sein. Ich finde es einfach schwierig, dass etwas im Koalitionsvertrag drin steht, was dann nur für große Konzerne am Ende gilt und nicht für alle. Nicht für die handwerklichen Betriebe, nicht für die Bürgerinnen und Bürger. Ich bin selber davon betroffen, habe eine eigene Wohnung und würde mir schon wünschen, dass die Strompreise gesenkt werden. Auch für alle anderen.“
Enttäuschung auch beim Präsidenten des Hessischen Handwerkstags Stefan Füll. Viele energieintensive Handwerksbetriebe wie Frisöre oder Wäschereien hätten nach harten Jahren große Hoffnungen in die Entlastungen gesteckt und seien jetzt im Stich gelassen worden.
Stefan Füll, Präsident Handwerkstag Hessen
„Wir waren schon enttäuscht, weil es ja auch wieder ein bisschen Verlässlichkeit in die aktuelle Regierung wiederspiegelt und es scheint so, als könnte man auf die Worte die man dort im Koalitionsvertrag ja gemeinsam vereinbart hat auch nicht zählen. Und das hat uns schon natürlich sehr negativ betroffen gehabt.“
Auch wenn Industrie und Landwirtschaft entlastet werden sollen sind viele Menschen von der Kehrtwende der neuen Bundesregierung enttäuscht. Zwar hat die angekündigt, in der Sache noch nachbessern zu wollen. Der Schaden allerdings, ist bereits angerichtet.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Ein ganz aktuelles Thema, das offensichtlich bei vielen Menschen für Kopfschütteln sorgt. Und genau darüber spreche ich jetzt mit der Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, mit Ines Claus. Schön, dass Sie hier sind. Guten Abend.
Ines Claus (CDU), Fraktionsvorsitzende Landtag Hessen:
Guten Abend, Frau Dieterle.
Dieterle:
Frau Claus, da war viel Kritik im Beitrag zu hören. Viele haben das als einen Wortbruch empfunden. Das schadet dem Ansehen der Bundesregierung, letztlich ja auch dem Ansehen der CDU. Also eins vorweg, das kann ich sehr deutlich sagen: Die Koalition hält ihr Versprechen, die Menschen zu entlasten, und hat jetzt ein schönes, wie ich finde, Paket auf den Tisch gelegt. Denn auch die Entlastung bei den Netzentgelten kommt direkt dem Verbraucher zugute und es wird eine Entlastung der Stromsteuer geben. So steht das auch im Koalitionsvertrag drin. Und es gibt auch einige Stimmen, die sagen: “Wir wollen jetzt die nächsten Schritte schneller nehmen”, und wie schnell dieses “schnell” sein kann, das muss man sich jetzt sehr genau anschauen, weil es muss eben alles bezahlbar sein, weil es in anderen Bereichen eben auch Forderungen gibt, die wir auch umsetzen wollen. Aber ganz klar ist: Wir wollen dieses Versprechen, was wir den Menschen gegeben haben, zu entlasten bei der Stromsteuer, sehr zeitnah nehmen. Und deswegen ist es auch gut, dass ein Koalitionsausschuss stattfindet, der sich genau um dieses Thema kümmert. Und wenn ich das sagen darf, das ist genau der Punkt, den wir in Hessen auch immer nehmen dass wir miteinander diskutieren und Themen miteinander besprechen, um dann zu Lösungen zu kommen. Und wie gesagt, es ist ein Kabinettsentwurf jetzt gerade unterwegs und ich halte es genau für richtig, das weiter zu besprechen im Koalitionsausschuss und dann auch anschließend im Parlament.
Dieterle:
Man hatte den Eindruck, dass die Union zuerst versucht hat, den Schwarzen Peter ein bisschen der SPD zuzuschieben. Dann hat sich aber auch Kanzler Friedrich Merz öffentlich geäußert. Er hat das Ganze verteidigt. Es sei einfach nicht finanzierbar. Stellt man sich natürlich die Frage: Erst wird so was in den Raum gestellt, danach wieder unter Finanzierungsvorbehalt. So kann man natürlich viel ankündigen und am Ende dann wenig liefern.
Claus:
Es steht relativ zeitgleich im Koalitionsvertrag drin. Dort steht drin, dass wir die Stromsteuer senken wollen und dass es einen Finanzierungsvorbehalt gibt. Und die Frage ist jetzt: Wie gehen wir mit den Forderungen, die wir alle auch selbst gestellt haben, um? Denn ganz klar ist: Wir leben im dritten Jahr nach einer Rezession. So was hat es noch nicht gegeben. Und wir müssen gucken, dass wir das, was wir erwirtschaften, auch ordentlich ausgeben und eben mit dem Geld, was wir haben, auch umgehen können. Und wir müssen gucken, wie wir die anderen versprechen, dass wir die Kommunen entlasten zum Beispiel oder dass wir eine Stabilisierung bei den Pflegeversicherungsbeiträgen haben, auch einlösen können. Aber insgesamt will ich noch mal deutlich auch beim Thema Strom darauf hinweisen, dass eine deutliche Entlastung auch schon bei den Stromnetzentgelte drin ist. Und den nächsten Schritt, den wollen wir auch nehmen. Und ganz klar ist: Es geht hier nicht um Verschieben vom Schwarzen Peter. Das sind, glaube ich, alle Menschen leid. Es geht darum, jetzt das Verbindende zu finden, aber das geordnet im Rahmen des Koalitionsvertrages. Und ich sage es auch sehr deutlich: am besten schnell.
Dieterle:
Und trotzdem gibt es jetzt dieses enorme Schuldenpaket, milliardenschwer, für die Bundesregierung, um handlungsfähig zu sein. Und obwohl dieses Geld da ist, sagt man: “Aber für diese Stromsteuersenkungen reicht’s doch nicht”. Das ist doch von außen betrachtet verrückt. Wie viel Geld braucht es denn noch?
Claus:
Das ist nachvollziehbar, dass diese Frage gestellt wird. Aber auch da müssen wir unterscheiden, für was dieses Geld verwendet werden soll. Und das ist ja auch wichtig, dass es gebunden auch verabschiedet wurde. Und dieser Teil ist eben für Infrastrukturprojekte gedacht, weil es kann auch keiner von der Hand weisen, dass wir dort aufzuholen haben und vor allen Dingen auch ein Investitionsbooster geben, dass wieder investiert wird, dass Anreize geschaffen werden, dass Unternehmen hier auch wieder investieren, dass die Steuern steigen, dass wir dann eben auch insbesondere andere Rahmenbedingungen für die Menschen setzen können. Und deswegen muss man die beiden Teilbereiche auch trennen. Aber es ist so wichtig, auch darüber zu sprechen, denn es braucht jetzt beides. Wir brauchen Reformen, wir brauchen Investitionen, aber wir müssen auch sparen.
Dieterle:
Wir bleiben bei diesem XXL-Schuldenpaket, denn auch Hessen bekommt davon ja einen ganz schönen Batzen ab. Und Ministerpräsident Boris Rhein hat in seiner Regierungserklärung jetzt eine Investitionsoffensive angekündigt. Und was sich dahinter verbirgt, das schauen wir uns jetzt an.
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Vergangenen März hatte der Bundestag noch mit alter Mehrheit ein riesiges schuldenfinanziertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur beschlossen. Die CDU hatte noch kurz zuvor mit der Schuldenbremse Wahlkampf gemacht und bis dahin ähnliche Vorschläge im Parlament blockiert.
Von den 500 Milliarden Euro fließen etwa siebeneinhalb nach Hessen. Gestreckt über zwölf Jahre, macht das pro Jahr also 625 Millionen Euro. Die Länder, die sich außerdem stärker als bisher verschulden dürfen, können laut neuestem Beschluss mit ihrem Anteil vom Sondervermögen machen was sie wollen. Der Begriff „Infrastruktur“ – längst aufgeweicht.
Ministerpräsident Boris Rhein kündigt an, das Geld klug einzusetzen, nennt als Beispiele die Luft- und Raumfahrt, Innere Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Mehr als die Hälfte solle an die Kommunen gehen.
Mathias Wagner (Bündnis 90 / Die Grümem), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Jetzt müsste der Ministerpräsident konkret sagen, was tut er eigentlich in seiner Verantwortung für bessere Kitas, für gute Schulen für eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen und hierzu hören wir einfach vom Ministerpräsidenten und von Schwarz-Rot in Hessen nichts.“