Sommerinterview mit Steven Wink (FDP)

Wir sprechen heute über die FDP, die sich in wahrhaft schwierigen Zeiten befindet und aktuell droht, aus der politischen Landschaft zu verschwinden.

Eva Dieterle, Moderatorin:
In Rheinland-Pfalz sind die Liberalen aktuell noch Teil der Landesregierung. Und wenn es nach dem FDP Fraktionsvorsitzenden Steven Wink geht, dann soll das bitte auch so bleiben. Unter anderem darüber sprechen wir gleich. Doch vorher wollen wir mehr über den neuen Mann an der Spitze der Fraktion erfahren. Deshalb haben wir ihn zum Fotoshooting mit seinen drei Lieblingsgegenständen getroffen. Und bereits da hat er sich kämpferisch gezeigt.
———-
Führhand, Schlaghand, ausweichen. Bewegungen, die Steven Wink aus dem EffEff beherrscht. Boxen, seit vielen Jahren eine Leidenschaft des 41-Jährigen.
Steven Wink (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag RLP
„Früher hatte man so das Bild, da wird einfach blind draufgehauen. Das ist aber mitnichten so. Nachdenken, konzentrieren, Disziplin zeigen und dann seinen aufgezeigten Weg quasi im Kampf zu boxen. Und so ist es im Leben ja auch, man braucht die Disziplin und da muss man seinen Weg auch verfolgen, um was zu erreichen.“
Mit elf Jahren streift sich der FDP-Politiker zum ersten Mal die Boxhandschuhe über. Das ist übrigens noch eines seiner ersten Paare. Ihre Bedeutung, für Wink geht sie weit über den Sport hinaus.
Steven Wink (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag RLP
„Ich bin jetzt kein Unternehmersohn, wir sind keine reiche Familie. Drei Geschwister, einen behinderten Bruder, die Mutter alleine. Also das war sein Leben selbst zu gestalten quasi.“
Heute ist Wink selbst Papa, lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Pirmasens. Er hat auch Fußball gespielt und viele Jahre die Mannschaft seines Sohnes trainiert. Seit knapp drei Monaten ist Steven Wink nun Vorsitzender seiner Fraktion. Das heißt auch, weniger Zeit für die Familie.
Steven Wink (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag RLP
„Natürlich ist aber der Sohn der, der am meisten verzichten musste mit dem neuen Amt. Und so steht der Fußball quasi für die Verbindung zur Familie, aber auch ein stückweit für die Diskrepanz, die so ein Beruf und Familie dann auch mit sich bringt.“
Und welche Trainereigenschaften sind hilfreich im neuen Amt?
Steven Wink (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag RLP
„Team-Management ist definitiv nötig. Man hat verschiedene Charaktere. Ich hab hauptsächlich fünf- bis vierzehnjährige trainiert. Die habe ich jetzt natürlich nicht in der Fraktion, die sind alle ein Stück älter. Aber manchmal die gleichen Züge.“
Und, wie im Boxen brauche es Disziplin. Kein Problem für Wink, der acht Jahre lang Bundeswehrsoldat war, unter anderem Fallschirmjäger.
———-
Dieterle:
Jetzt ist er zum Glück ohne Boxhandschuhe bei mir im Studio. Steven Wink, schön, dass Sie hier sind. Guten Abend. Wir sehen Sie hier auf dem Bild mit einem Barett. Das zieht sich so ein bisschen bei Ihnen durch, der Sport, denn auch bei den Fallschirmjägern muss man ziemlich sportlich sein, oder?
Steven Wink (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag RLP:
Allerdings, ja. Ich war ja zu Beginn meiner Bundeswehrzeit bei der Marine und wollte da Kampfschwimmer werden. Und da fing das alles an mit der Laufbahn bei der Bundeswehr. Und zum Ende hin kam dann der Wechsel ins Saarland zu den Fallschirmjägern.
Dieterle:
Und da hat Sport auch eine Rolle gespielt.
Wink:
Ja, regelmäßig Sport, Fitnesstests natürlich. Man muss auf seine Fitness achten und hab ja auch selbst wahrzunehmen, sage ich mal, dass er so bleibt, stabil bleibt.
Dieterle:
Können Sie sich noch an Ihren ersten Fallschirmsprung erinnern? Was war das für ein Gefühl?
Wink:
Absolut kann ich mich noch daran erinnern. Es gab so kleine Kniffs manchmal von den Piloten, auch um Estspringer ein bisschen zu ärgern, die Maschine ein bisschen mehr gekippt. Also man war schon sehr nervös. Allerdings, und das ist gut für die deutsche Bundeswehr, wir haben sehr schnelle Absetzungen, nennt man das, also ganz viele Personen springen auf einmal in einer Linie aus dem Flugzeug heraus und ich stand in der Mitte drin. Also ich hatte wenig Zeit zum Nachdenken.
Dieterle:
Sehr gut. Ja, da ist die Überleitung auch schon perfekt. Sie wird ihnen zwar nicht gefallen, aber man kann sagen, die FDP befindet sich auch im freien Fall. Und darüber sprechen wir jetzt.
———-
Der FDP droht der Absturz in die Bedeutungslosigkeit.
Erst provozieren die Liberalen das Aus der Ampelregierung im Bund, dann fahren sie bei der vorgezogenen Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. 4,3 Prozent.
Die FDP fliegt aus dem Bundestag. Kurz darauf tritt Partei-Chef Christian Lindner zurück.
Und nach dem Parteiaustritt von Volker Wissing braucht auch die FDP in Rheinland-Pfalz eine neue Führung. Im April wählen die Delegierten Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt zur neuen Landesvorsitzenden. Mit nur rund 68 Prozent der Stimmen. Und das, obwohl es keinen Gegenkandidaten gibt.
Daniela Schmitt (FDP), Landesvorsitzende RLP
„Ich verstehe das Ergebnis als ein sehr ehrliches Ergebnis.“
Auf jeden Fall ein Ergebnis, das zeigt, wie zerstritten der Landesverband ist. Wenige Tage vor dem Parteitag hatte sich der damalige FDP-Fraktionsvorsitzende Philipp Fernis zusammen mit anderen führenden Parteimitgliedern gegen Schmitt als Landesvorsitzende ausgesprochen. Für das Team Schmitt ständen sie nicht zur Verfügung, hieß es.
Querelen zur Unzeit. Denn noch sind die Liberalen hier in Rheinland-Pfalz zwar Teil der Ampelregierung – doch ob sie bei der Wahl im kommenden Frühjahr überhaupt den Sprung in den Landtag schaffen, ist fraglich. Momentan steht die FDP hier in Umfragen gerade mal bei 3 Prozent.
————
Dieterle:
Kein Rückenwind für Frau Schmitt. Das sind eigentlich keine guten Vorzeichen für die Landtagswahl, die bald kommt.
Wink:
Ich glaube, nach dem Ampel-Aus in Berlin und mit dem Rauswurf aus dem Bundestag, gab es eine Rüttelei auch in der Partei. Man hat die Richtung gesucht, man hat die Themen gesucht, was wichtig war. Und ich glaube, da war im Wahlkampf ein Zeichen. Man hat sich sehr auf ein Thema verengt und hat nicht gezeigt, wofür der Liberalismus an sich, die liberale Idee eigentlich stehen kann. Über die ganze Themenbreite hinweg. Und die Leute haben dann die Antworten nicht gesehen auf ihre Probleme, die Wählerinnen und Wähler. Das war ein Problem. Danach wurde die Richtung gesucht, wie gesagt, die Themen gesucht und da gab es Rütteleien.
Dieterle:
Das ist auch mit unter 70 % nicht spurlos an der FDP in Rheinland-Pfalz vorbeigegangen.
Wink:
Ich sag mal so, manchmal gibt es zu Hause kleine Streitigkeiten, aber Reibung erzeugt Wärme und Wärme erzeugt Energie. Also von daher müssen wir das dann auch mitnehmen in den Wahlkampf.
Dieterle:
Sie haben einiges gerade schon angesprochen. Die Frage ist,w ie wollen Sie das Steuer noch herumreißen? Sie haben quasi die politische große Bühne verloren, sind im Bundestag nicht mehr vertreten. Wie soll das dann in Rheinland-Pfalz noch klappen in den nächsten Monaten?
Wink:
Also ich habe das Ziel gesetzt, für mich persönlich und auch in Zusammenarbeit mit der Fraktion, eben diese Themenbreite, wie ich sie angesprochen habe, darzustellen – in der Gesundheitspolitik, in der inneren Sicherheit, in der Sozialpolitik natürlich auch die Wirtschaftspolitik, aber wie ist das im Verbund zu sehen und was für liberale Ideen kann man da einbringen. Und dann muss man das den Menschen auch kommunizieren. Ich bekomme oft die Rückmeldung von Wählerinnen und Wähler bei mir in meiner Heimatstadt: “Ich bezahle Steuern, ich bezahle Krankenkassenbeiträge, aber ich erhalte nicht die Leistung, die ich erwarte vom Staat. Welche Antwort hast du darauf?”
Dieterle:
Wie wollen Sie verhindern, dass potenzielle FDP-Wähler sagen: “Ich habe zu viel Angst, dass dann meine Stimme ganz verlorengeht. Dann wähle ich lieber die CDU oder sogar die AfD.” An die haben Sie auch viele Stimmen verloren.
Wink:
Ich habe Rückmeldungen bekommen nach der Bundestagswahl: “Wenn ich gewusst hätte, wie es kommt, hätte ich doch FDP gewählt.” Und mit diesen Menschen bin ich jetzt nochmal im Gespräch. Und ich glaube, und ich bin mir sicher, dass wenn wir die Themen darlegen und den Menschen erklären, wo wir hinwollen, dann wird sich das auch früher oder später in den Umfragen zeigen.
Dieterle:
Aber selbst wenn es reichen sollte, dass Sie den Sprung in den Landtag schaffen, dann sieht in den aktuellen Umfragen nichts danach aus, dass Sie in einer zukünftigen Regierungskoalition noch eine Rolle spielen werden. Oder sehen Sie etwas anderes als wir?
Wink:
Rheinland-Pfälzern istTradition wichtig und über die Hälfte der Rheinland-Pfälzischen ist zufrieden mit der rheinland-pfälzischen Arbeit der Landesregierung. Und ich glaube, dass auch nach der Sommerpause, wenn der Bundestrend ein bisschen weggeht aus den Umfragen und mehr der Blick auf die Landespolitik erfolgt, dann haben wir neun Jahre seriöse Politik gemacht, und ich glaube, das wird auch letztendlich wieder gestützt werden.
Dieterle:
Trotzdem muss es am Ende natürlich von den Prozentpunkten her auch reichen. Wir hören uns mal an, was der Politikwissenschaftler der Universität in Trier, Professor Uwe Jun über die FDP denkt. Und er sagt: “Auch in Rheinland-Pfalz geht es um die parlamentarische Existenz.”
———-
Prof. Uwe Jun, Politikwissenschaftler aus Trier
„Es geht also auch hier im Land Rheinland-Pfalz um die parlamentarische Existenz. Und man muss dazu sagen, dass selbst in Rheinland-Pfalz auch die Ampel-Koalition bei FDP-Anhängern jetzt nicht so beliebt ist wie andere Koalitionen. Man hat es ja schon beim letzten Mal gesehen, als die FDP eben schon Stimmen verloren hatte und gerade nochmal so in den Landtag reinkam. Das heißt also, für die FDP stellt sich die Frage, wie kann sie profilstark erscheinen, um am Ende ihre parlamentarische Existenz zu sichern.“
————
Dieterle:
Ist das auch die Frage, die Sie umtreibt?
Wink:
Das ist natürlich eine Frage, und deshalb haben wir auch mit Beginn meiner Fraktionsvorsitzendenzeit damit begonnen, eigene Themen als Profil darzustellen, ohne dabei Streitigkeiten entstehen zu lassen und zu zeigen, wo die Freien Demokraten thematisch hin wollen und was uns wichtig ist. Und ich glaube, das ist dann auch eine Möglichkeit, die wir nutzen können und müssen.
Dieterle:
Aber die Frage ist, ob Sie sich nicht stärker profilieren müssen. Sie betonen oft “ohne Streitigkeiten” – es geht ums Überleben. Muss sich der Ton in der Ampel nicht auch verschärfen, wenn Sie eine Chance haben sollen?
Wink:
Nein, das sehe ich nicht. Also man kann sich auch profilieren, ohne Streitigkeiten zu provozieren und kann auch ganz klar aufzeigen, für was wir stehen, ohne dabei nochmal die Streitigkeiten herbeizurufen oder Provokationen herbeizurufen.
Dieterle:
Okay, wir schauen jetzt mal auf die Themen im Land, ganz konkret auf das Landesklimaschutzgesetz. Die FDP trägt es mit, sehr zur Verärgerung der Unternehmer.
———-
Klimaschutz ist notwendig, er muss aber machbar sein. Das ist die Botschaft eines Offenen Briefes an die rheinland-pfälzische Landesregierung, den zahlreiche Unternehmen unterzeichnet haben. Sie wollen damit verhindern, dass das neue Klimaschutzgesetz in Kraft tritt, welches vorsieht, dass Unternehmen in Rheinland-Pfalz bereits ab 2040, also zehn Jahre früher als in Europa und fünf Jahre früher als in anderen Bundesländern klimaneutral sein müssen.
Karsten Tacke, Geschäftsführer Landesvereinigung Unternehmerverbände RLP
„Darauf werden die Unternehmen mit einer Verlagerung ihrer Investitionen reagieren. Die Emissionen finden anderswo statt, aber wir in Rheinland-Pfalz haben den Schaden.“
Die Wirtschaft stagniert das dritte Jahr in Folge. Aus Sicht der rheinland-pfälzischen Verbände kommt der Gesetzentwurf daher zur Unzeit.
Karina Szwede, Geschäftsführerin IHK Rheinhessen
„Unsere IHK-Konjunkturumfrage Frühsommer 2025 hat klar gezeigt, dass die wirtschaftliche Belebung einfach och auf sich warten lässt und die Herausforderungen für unsere exportstarke Wirtschaft Rheinland-Pfalz sind weltweit so enorm, dass es wirklich momentan darauf ankommt, Entlastung zu schaffen.“
Nächste Woche soll das Klimaschutzgesetz im Landtag beschlossen werden. In ihrem offenen Brief fordern die Unternehmer die Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtags auf, nicht zuzustimmen.
———–
Dieterle:
Und ich frage Sie: Wie werden sie sich verhalten? Werden Sie zustimmen?
Wink:
Ich bin sicher, wir beschließen nächste Woche ein Landesklimaschutzgesetz.
Dieterle:
Das heißt, nicht die Version, die jetzt vorliegt, oder was wollen Sie damit andeuten?
Wink:
Ich will damit andeuten, dass wir in guten Gesprächen sind. Wir nehmen die Argumente aus der Wirtschaft natürlich sehr ernst. Aber das Klimaschutzgesetz an sich geht ja auch weiter. Es wird sehr verengt jetzt in der öffentlichen Debatte. Der eine Punkt ist natürlich die wirtschaftliche Stärke, die wir brauchen, die ist auch verankert im Gesetz selbst. Und wie gesagt, die Argumente nehmen wir ernst und wir versuchen, die auch zu berücksichtigen. Die andere Seite ist aber auch die, dass sich der Staat verpflichtet in diesem Gesetz, was zu tun für den Klimaschutz. Die Enquetekommission nach der Ahrtalflut hat eben auch gezeigt, dass Naturkatastrophen, dass die Risiken bestehen, und wir uns bewegen müssen. Und dazu gehört auch der Staat. Und dann finde ich es gut, wenn der Staat sagt: Ich belaste nicht nur Unternehmen, ich belaste nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern ich nehme mich selbst in die Pflicht. Und das ist auch ein Teil davon.
Dieterle:
Trotzdem lassen Sie eine Tür offen. Das heißt, Sie machen indirekt den Unternehmern doch noch Hoffnung, dass sich gravierend noch etwas ändert. Nicht nur in Details.
Wink:
Also die Ampelkoalition arbeitet auch in diesem Bereich. Wir reden täglich über viele, viele verschiedene Dinge und wir sind auch hier in guten Gesprächen. Und wie gesagt, die Argumente wurden uns alle dargelegt, wurden uns alle dargestellt und die nehmen wir auch ernst und versuchen wir mitzunehmen. Aber auch mit der Interesse des Klimaschutzes an sich.
Dieterle:
Okay, schauen wir mal auf ein weiteres Argument Die chemische Industrie, die zusammen mit der Zementindustrie für 90 % der Treibhausgasemissionen in Rheinland-Pfalz verantwortlich ist, die befürchtet, dass es sie natürlich besonders hart treffen wird. Und genau dazu hören wir jetzt eine Stimme.
———–
Bernd Vogler, Geschäftsführer Chemieverbände RLP
„Wir wissen sehr genau, was Klimaneutralität in der Chemie bedeutet. Das ist nicht mit Energiesparen oder mit Stromanbieterwechsel getan. Wir brauchen immense Investitionen der Firmen, wir brauchen vor allem sehr, sehr viel grünen Strom und Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen. Wir brauchen auch eine CO2-Infrastruktur. Das sind Dinge, die uns der Bund geben kann und der Bund hat das Ziel bis 2045. Wir werde nicht fünf Jahre früher die nötige Infrastruktur in Rheinland-Pfalz haben.“
———–
Dieterle:
Was sagen Sie zu diesem Argument.
Wink:
Herr Dr. Vogler spricht eigentlich das Richtige an, und dann interessiert es die Menschen auch nicht, ob das der Bundesland oder die Kommune finanziert. Wir müssen auf allen politischen Ebenen jetzt das herbeiführen, was es an äußerlichen Parametern braucht. Und er hat die Strominfrastruktur angesprochen, er hat die CO2-Infrastruktur angesprochen und der Bund hat jetzt viele Schulden aufgenommen, um Infrastruktur zu finanzieren. Und ich hoffe, dass auch dieser Teil dabei involviert ist. Weil wir brauchen den Bund natürlich auch, um diese äußeren Parameter, die es brauchen, im Land Rheinland, Pfalz auch umzusetzen. Und das sollte dann auch zügig passieren.
Dieterle:
Man stellt sich natürlich trotzdem die Frage, das wurde ja jetzt im Kabinett schon beschlossen – das Gesetz in dieser Form, das hat für eine massive Verunsicherung gesorgt. Das haben wir jetzt mehrfach gehört. Die Unternehmen, die verunsichert sind, die investieren hier nicht. Das ist etwas, was die FDP aber in diesem Zusammenhang ja auch mit in Kauf nimmt.
Wink:
Ich sehe das etwas anders. Also wenn man die äußerlichen Parameter passen und die Infrastrukturen stehen, dann fällt es den Unternehmen auch leichter zu investieren. Ich würde auch gerne trennen zwischen der Regierungsebene und dem parlamentarischen Verfahren. Das sind zwei Paar Schuhe, wenn ich es mal platt sagen darf.
Dieterle:
Aber es ist trotzdem beides FDP-Verantwortung, dass es mitgetragen wird.
Wink:
Ja, aber ich bin im Parlament und nicht in der Regierung. Und das nehme ich auch ernst und nehme ich auch wahr. Und das sind zwei verschiedene Verfahren. Aber die Argumente, wie gesagt, der Unternehmer, die haben wir gesehen und die wurden uns auch dargelegt. Deshalb ist es eben wichtig, Strom zu haben, Wasserstoff zu haben, CO2 abtransportieren zu können. Und da brauchen wir den Bund, wie gesagt, dass diese äußeren Parametern passen.
Dieterle:
Okay. Ein weiteres Thema, das die FDP gerade beschäftigt, sind die Straßenausbaubeiträge. Die FDP ist eigentlich dagegen, trägt das aber mit.
———-
Die Einwohner von Trittscheid in der Vulkaneifel sind sauer und verzweifelt. Um die marode Dorfstraße zu sanieren, sollen sie zahlen – teils hohe fünfstellige Beträge.
Wolfgang Sablotni, Anwohner aus Trittscheid
„Die Höhe ist für uns nicht mal existenzbedrohend, die vernichtet unsere komplette Existenz, was wir uns fürs Alter angespart haben.“
Rheinland-Pfalz ist das einzige Bundesland, in dem die Kommunen solche Straßenausbaubeiträge noch erheben müssen. Die Landesregierung aus SPD, Grünen und FDP könnte das ändern, hält aber am bisherigen Modell fest. Die Alternative sei, dass alle Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Da sei es fairer, wenn nur diejenigen zahlen, die von dem Ausbau auch profitierten. Die Trittscheider zeigen sich enttäuscht von dieser Politik.
Ilona Schmidt, Anwohnerin aus Trittscheid
„Ich bin enttäuscht von der FDP, die das vor der letzten Landtagswahl versprochen hatte und dann eben eingeknickt ist als sie ein Teil der Ampelregierung wurde.“
Mitte Mai bekräftigt der neue FDP-Fraktionschef im rheinland-pfälzischen Landtag Steven Wink den Plan, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Nur einen Monat später rudert er allerdings wieder zurück.
———-
Dieterle:
Herr Wink, erst Hoffnung machen, dann doch die Absage.
Dieterle:
Können Sie verstehen, dass die Menschen enttäuscht sind?
Wink:
Ich würde gerne die Antwort zweiteilen. Zum ersten bin ich noch sehr verwundert, dass die Menschen noch fünfstellige Einmalbeiträge zahlen müssen, denn in Rheinland-Pfalz gibt es seit 1. Januar 2024 eigentlich die Wiederkehr. Das bedeutet, man zahlt keine fünfstelligen hohen Beiträge auf einmal mehr, sondern die Beiträge werden auf das ganze Gebiet verteilt mit wiederkehrenden Beiträgen. Und zum Zweiten hatte ich ja immer diesen Vorschlag gemacht und ich hatte den ja jetzt letztens auch erneuert, diesen Vorschlag, aber immer mit der Argumentation, dass wir eine solide Finanzierung brauchen. Also die Opposition hat zum Beispiel vorgeschlagen, die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge mit den Mitteln für Alphabetisierung zu finanzieren. Und das ist einfach keine solide Haushaltspolitik. Das ist keine ganzheitliche Haushaltspolitik. Und deswegen sagte ich: “Ja, wir wollen die Abschaffung und wir stehen dafür. Aber wir müssen natürlich schauen, wenn zum Beispiel Gelder vom Bund kommen, wie die Haushalte strukturiert sind, kann man freie Mittel herausziehen und dann vielleicht die Straßenausbaubeiträge damit abschaffen.” Und das war unsere Meinung die ganze Zeit.
Dieterle:
Also Sie sind gegen die Straßenausbaubeiträge, gegen den Vorschlag der Opposition. Aber ein ganz konkretes Finanzierungsmodell, das die FDP hat, haben Sie nicht. So sieht doch lösungsorientierte Politik nicht aus.
Wink:
Ich würde das anders sehen. Ich würde auch nicht sagen, ich sei zurückgerudert. Ich sagte von Beginn an, wir brauchen eine solide Finanzierung des Ganzen. Was mein Vorgänger an Argumentation dargelegt hat die letzten Jahre, war korrekt, denn wir kamen zum Beispiel aus der Coronarkrise. Wir haben Krisen auf der Welt und wir mussten Wirtschaft fördern. Wir mussten Universitäten fördern und das hatte natürlich auch Vorrang und war wichtig für die Gesellschaft und für die Entwicklung des Landes damals. Aber jetzt haben wir eben gesagt: Wenn jetzt neue Haushaltsmittel frei werden können und das müssen wir prüfen und miteinander besprechen, dann wünschen wir uns eine direkte Entlastung der Bürgerinnen und Bürger aus dem Landeshaushalt heraus. Und das ist zu prüfen. Das ist solide Haushaltspolitik, wie wir sie uns vorstellen.
Dieterle:
Und trotzdem sind da jetzt natürlich Menschen, die sagen: “Das ist mehr als existenzgefährdend für uns.” Was können Sie diesen Menschen sagen?
Wink:
Diesen Menschen würde ich gerne das Angebot machen, dass es sich bei mir melden können, weil ich auch verwundert darüber bin, dass sie noch hohe Einmalbeiträge, also fünfstellige hohe Einmalbeiträge zahlen müssen. Denn wir haben in Rheinland-Pfalz ja diesen Zwischenschritt eingeführt, flächendeckend über das ganze Land hinweg, dass eben diese Beiträge nicht mehr anfallen. Also ich würde mich gerne darum kümmern.
Dieterle:
Okay, so viel zum politischen Teil, Herr Wink. Es waren viele kritische Fragen. Wir wollen versöhnlich enden. Deswegen haben wir jetzt zum Schluss noch eine schnelle Runde vorbereitet. Sie bekommen von mir Schlagwörter und ich bekomme einfach von Ihnen ihre ersten Assoziationen dazu. Los geht’s. Erstes Wort: “Wutausbruch”.
Wink:
Habe ich eher selten. Wenn ich einen habe, dann geht es um einen Boxsack.
Dieterle:
“Geschwisterliebe”.
Wink:
Sehr verbunden bei uns. Ich wurde ja mit drei Brüdern groß, ein behinderter Bruder und ich liebe meine Mutter dafür, danke auch dafür, was sie alles für uns getan hat damals in der Zeit. Und die Geschwisterliebe war sehr eng.
Dieterle:
“Worst Case Scenario”. Haben Sie so was?
Wink:
Worst Case Scenario wäre Einsamkeit.
Dieterle:
Okay. “Selbstgespräch”.
Winker:
Führe ich manchmal, zum Beispiel vor diesem Interview.
Dieterle:
Um sich darauf einzustellen?
Wink:
Darauf einzustellen und auch selbst zu sagen, dass es gut wird.
Dieterle:
“Horrorfilme”.
Wink:
Schaue ich sehr gerne. Meine Frau geht dann meistens schlafen.
Dieterle:
Die nächste Frage ist “Siebtes Jahr”.
Wink:
Das haben wir überstanden. Es war sehr gut ohne irgendwelche Risse.
Dieterle:
Okay. “No Go”.
Wink:
No Go ist das, wenn ich mit jemandem Probleme habe, diese Person nicht darauf anzusprechen.
Dieterle:
Als letztes: “Achterbahn”.
Wink:
Fahren wir alle sehr gerne. Die Kinder auch. Am liebsten dann den ganzen Tag. Wenn wir im Park sind, wird jede mitgenommen, die da steht.
Dieterle:
Damit sind wir am Ende angekommen. Das Sommerinterview ist hiermit vorbei, aber wir haben noch was für sie. Ein kleines Präsent. Wir fanden die Boxhandschuhe so toll im Shooting. Wir sehen sie auch noch mal für die Zuschauer. Das dürfen Sie gerne mit nach Hause nehmen oder ins Fraktionsbüro, wo auch immer Sie einen Platz dafür finden. Vielen Dank, dass Sie sich heute den Fragen gestellt haben.
Wink:
Danke Ihnen.