Rehkitze vor dem Mähtod gerettet

Und jetzt nehmen wir Sie mit – auf Rettungsmission im hessischen Rodgau. Denn auch hier opfern freiwillige Helfer jedes Jahr aufs Neue für zwei bis drei Monate regelmäßig ihren Schlaf, um kleine, frischgeborene Rehkitze vor dem Mähtod zu retten. Der Einsatz startet früh, in den kühleren Morgenstunden, damit die kleinen Rehkitze auf den Wärmebildkameras der Drohnen noch zu erkennen sind.

 

Früh am Morgen um 5:30 Uhr, auf einem der Felder von Landwirtin Iris David. Die ehrenamtlichen Helfer von Aktion Rehkitz aus Offenbach, finden das erste Rehkitz – im hohen Gras. Hier bringt die Ricke – also das Muttertier – ihre Rehkitze zur Welt. Und das aus gutem Grund. 
Thomas Köthe, 1. Vorsitzender Aktion-Rehkitz e.V.: 
„Im Wald hätten wir Fressfeinde. Das heißt, wir hätten den Fuchs. Wir hätten das Wildschwein, die sich gerne über so kleine Tiere hermachen. Das heißt, die sie im Prinzip wirklich auffressen. Je weiter der Liegeplatz von so einem Kitz entfernt ist, von dem Waldrand, umso sicherer ist es eigentlich. Dazu kommt, dass im hohen Gras kein Geruch wahrnehmbar ist. Denn die Tiere haben auch dieses angeborene ‚nicht-Riechen‘ über die ersten drei Wochen.“ 
Das Problem: Naht eine Bedrohung, reagieren die Rehkitze in ihren ersten drei Lebenswochen mit einem Duckreflex und sie bewegen sich nicht vom Fleck. Für diese Kitze bedeutet der heranfahrende Mähdrescher also meist den Tod. Der Verein Aktion-Rehkitz will genau das verhindern. Er wurde vor 10 Jahren gegründet und rückt jährlich, von Anfang Mai bis in den Juli hinein, für bis zu 50 Einsätze aus. Für das Gefühl Tierleben zu retten, verzichten die freiwillgen Helfer gerne auf ihren Schlaf. 
Derya Arslantürk, Helferin/Freiwillige aus Rödermark:
„Das Gefühl ist unbeschreiblich schön. Man hilft ohne eine Gegenleistung und ich glaube gerade das macht einen richtig glücklich. Also die Endorphine danach sind zu spüren. Man kriegt Energie für den Tag.“
Janika Hoffmann, Helferin aus Urberach
„Also es ist natürlich ein super Gefühl zu wissen, dass man die kleinen Kitze vor dem Mähtod schützt. Und ich habe den Vorteil, dadurch, dass ich selbstständig bin, dass ich die Termine ein bisschen flexibler legen kann. Das heißt, im Zweifelsfall fliege ich einen Abendeinsatz, arbeite die Nacht durch und fliege dann den Morgeneinsatz gerade noch mit.“
Thomas Krammig, Helfer aus Hainburg
„Wenn man die ganzen kleinen Rehkitze sieht, das berührt einen schon. Wenn man dann auch die anderen Bilder sieht, die ins Mähwerk gekommen sind. Da möchte man halt schon helfen und gucken, dass die Kitze raus aus dem Feld kommen.“
In Gruppen von 2 bis 3 Personen, durchforsten die Helfer heute das sieben Hektar große Feld. Und finden dort in anderthalb Stunden vier Kitze. Da diese alle bereits älter als drei Wochen sind, haben sie den Duckreflex bereits überwunden und rennen davon. 
Zwei Drohnen helfen bei der Suche. Die Wärmebildkameras zeigen genau,
wo die Kitze liegen. Die Helfer am Boden werden dann per Funk in die richtige Richtung gesteuert. 
Situativer Ton:
„Seht ihr die Drohne?“
„Drohne ja, sehen wir.“
„Gut, dann geht mal unter die Drohne. Wir haben zwei Ziele und schaut mal.“
„Wir laufen.“ 
Jungtiere, die nicht von alleine in Richtung Wald flüchten, werden vorsichtig in Kisten gepackt und am Waldrand abgesetzt. Dabei tragen die Helfer stets Handschuhe und nehmen noch Gräser dazu. 
Thomas Köthe, 1. Vorsitzender Aktion-Rehkitz e.V.: 
„Wir Menschen haben ja auch unseren Körpergeruch. Das heißt, wir würden unseren Körpergeruch auf das Tier übertragen. (…) Aber wir versuchen alles Mögliche, um den menschlichen Kontakt zu dem Tier oder zu dem Fell zu vermeiden. So, dass wir auch kein Risiko darstellen für die Mutter, wenn sie kommt und will ihr Kitz wieder säugen, dass sie es nicht annimmt.“ 
Landwirtin Iris David arbeitet seit 8 Jahren mit dem Verein Aktion-Rehkitz zusammen. Und ist den Helfern für jeden Einsatz unendlich dankbar. 
Iris David, David-Hof Rodgau
„Es ist ein nicht entspannt, aber entspannteres Mähen, weil wir einfach wissen, sie sind drüber geflogen und haben halt vorher geguckt, ob da ein Reh drin liegt oder nicht.“ 
Sobald die Helfer das Feld für frei erklären, legt sie mit dem Mähdrescher los. Denn gerade in einem nassen und wechselhaften Sommer müssen Landwirte möglichst jede regenfreie Phase zum Mähen nutzen. Und das fällt Iris David deutlich leichter, wenn sie weiß: Heute wird hier kein Rehkitz zu Schaden kommen.