Ein Jahr Prinz-Reuß-Prozess – unser Reporter berichtet

Seit nunmehr einem Jahr läuft in Frankfurt der Prozess gegen die mutmaßliche Verschwörer-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die Vorwürfe in dem Staatsschutz-Verfahren gegen den Prinzen und seine acht Mitangeklagten wiegen schwer: Laut Anklage wollte die Gruppe die demokratische Grundordnung in Deutschland beseitigen – und dabei wenn nötig auch über Leichen gehen. Seit einem Jahr wird nun also schon verhandelt – hier nochmal ein kurzer Überblick über den Fall und den bisherigen Prozessverlauf.

Es ist ein Gerichtsprozess, wie es ihn in Deutschland seit der Anklage gegen die Baader-Meinhof-Gruppe Mitte der 70er Jahre nicht mehr gegeben hat: Insgesamt 9 Angeklagte müssen sich wegen mutmaßlicher Umsturzpläne vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verantworten. Zentrale Figur: Heinrich XIII. Prinz Reuß. Laut Staatsanwaltschaft Rädelsführer und nach erfolgreichem Umsturz für den Posten des Staatspräsidenten vorgesehen. Weitere mutmaßliche Mitverschwörer: Die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann und der Ex-Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder. Oder auch ein ehemaliger Fallschirmjäger-Kommandant, ein Ex-Polizist und eine Ärztin. Alle neun Angeklagten weisen sämtliche Vorwürfe weit von sich: Etwa, dass sie den Reichstag in Berlin ausgespäht hätten, um einen blutigen Umsturz vorzubereiten. Oder dass sie führende deutsche Politiker wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach dem Sturz der Regierung standrechtlich  zum Tode verurteilen wollten. Woraus die meisten Angeklagten dagegen keinen Hehl machen, ist ihre Reichsbürger-Gesinnung: Sie betrachten die Bundesrepublik Deutschland und ihre Instanzen, allem voran die Bundesregierung, als nicht legitim und wünschten sich einen Umsturz – selbst herbeiführen wollten sie diesen aber angeblich nicht. Den Systemwechsel hätte demnach stattdessen eine diffuse „Allianz“ aus Russen und Amerikanern nach einer Besetzung Deutschlands herbeiführen sollen – erst danach hätte die Gruppe Reuß als so genannte „Patriotische Union“ zur Übernahme der Regierungsgeschäfte bereit gestanden. Gewalt hätten die Angeklagten dabei nach ihren bisherigen Aussagen zu keinem Zeitpunkt anwenden wollen.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Wir wollen mehr dazu wissen. Und deshalb ist jetzt unser Reporter Michael Heide bei mir im Studio zu Gast. Michael, du verfolgst diesen Prozess von Anfang an und man muss sagen, es ist definitiv kein Prozess wie jeder andere.
Michael Heide, Gerichtsreporter:
Nein, das ist ein ganz besonderer Prozess. Auf jeden Fall. Schon allein vom Umfang her. Also es gibt neun Angeklagte. Jeder dieser Angeklagten hat noch mal so zwei bis drei Verteidiger mit dabei. So einen großen Gerichtssaal gibt es in ganz Frankfurt nicht. Deshalb hat man ja in Sossenheim extra eine Leichtbauhalle aufgebaut, wo der Prozess stattfindet. Und das Ganze findet auch unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Das wahrscheinlich auch zu Recht. Es ist ein Staatsschutzprozess. Und wenn man den Zuschauerraum sich mal betrachtet, da sitzen häufig auch Sympathisanten der Angeklagten aus der Reichsbürger- und Querdenkerszene. Ja, und das ist wahrscheinlich besser, dass man da ein bisschen guckt, wer da so hinkommt. Der Prozess geht jetzt seit einem Jahr. 67 Verhandlungstage sind schon rum und in dieser Zeit hat man 13 Zeugen gehört. Insgesamt will das Gericht 260 Zeugen hören. Jetzt kann man sich das ja ganz leicht ausrechnen: Wenn das alles in dem Tempo weitergeht, dann geht der Prozess noch 20 Jahre lang. Also da wird sich das Gericht früher oder später etwas überlegen müssen, wie man diesen ganzen Vorgang etwas beschleunigt.
Dieterle:
Das sind unvorstellbare Dimensionen. Schauen wir mal auf den Stand der Dinge. Was hat die Verhandlung denn bislang ergeben?
Heide:
Also aus meiner Sicht ist da bislang noch nicht viel bei rumgekommen. Also die Angeklagten haben schon ausgesagt, aber nichts zur Sache, größtenteils zu ihrer Person und zu ihrem Lebenslauf. Und selbst das hat manchmal schon tagelang gedauert. Also da wird das alles noch ein bisschen in die Länge gezogen und noch ziemlich lang dauern. Und dann muss man ja auch dazu sagen, das ist ja auch ein ganz besonderer Prozess, weil es ja nur Teil eines Prozesses ist. Also da finden gleichzeitig in Stuttgart und München noch weitere Prozesse rund um diese Patriotische Union statt, also in Frankfurt, hier bei uns, da steht die Führungsriege, die mutmaßliche, rund um Prinz Reuß vor Gericht. Und in Stuttgart, da geht es um den vermeintlichen militärischen Arm. Und in München stehen auch noch mal angeklagte Mitwisser und mit Mittäter, mutmaßliche, vor Gericht. Und da wird es auch noch mal ganz spannend sein, wie man das alles mal unter einen Hut kriegen soll. Diese ganzen Puzzleteile und wie sich diese Prozesse vielleicht irgendwie auch mal gegenseitig beeinflussen. Also das wird auf jeden Fall spannend.
Dieterle:
Worauf wird es denn jetzt aus deiner Sicht bei der weiteren Verhandlungen ankommen?
Heide:
Also bislang ergeben sich alle Angeklagten durch die Bank weg ziemlich harmlos und unschuldig und es ist auch schwierig, die Beweisaufnahme in dem Fall. Also es gibt einfach keine Smoking Gun. Es gibt nicht den schlagenden Beweis, den man gegen diese Gruppe in der Hand hätte, sondern nur viele kleine Hinweise, Indizien. Und deshalb wird es ein langer und zäher Indizienprozess werden, nehme ich an. Also ich wüsste jetzt nicht, wie es anders kommen soll und dass die Angeklagten da teilweise ein etwas gespaltenes Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland haben oder irgendwelchen Verschwörungstheorien anhängen, das ist ja per se erst mal nicht strafbar. Man wird den einzelnen Mitgliedern der Gruppe ganz konkret nachweisen müssen, dass sie wirklich aktiv die bestehende Ordnung in Deutschland umstürzen wollten. Und erst dann könnte es tatsächlich zu so einer Verurteilung kommen. Und das wird schwierig. Andererseits ist es aber auch so, dass jetzt zum Beispiel die Verteidigung des Hauptangeklagten Prinz Reuß angekündigt hat, dass ihr Mandant schon bald, nämlich noch im Juni, höchstwahrscheinlich an einem der nächsten Verhandlungstage umfassend zu den Vorwürfen aussagen will. Ja, vielleicht wissen wir dann ja mehr.
Dieterle:
Ja, es bleibt auf jeden Fall spannend. Du wirst es weiter für uns verfolgen, Michael. Vielen Dank heute für den Besuch und die aktuellen Informationen.
Heide:
Gerne.