Debatte um Zurückweisungen an unseren Grenzen
Von Tag eins an soll es ein Einreiseverbot für Migranten ohne gültige Einreisepapiere geben – es war eines der Versprechen von CDU und CSU im Bundestagswahlkampf. Gesagt, getan. Seit knapp einem Monat also finden an den deutschen Außengrenzen verstärkt Zurückweisungen statt. Ausgenommen sind Schwangere, Kinder und Schwerkranke. Gestern dann hat das Verwaltungsgericht Berlin der Klage von drei Somaliern recht gegeben: Die Bundesregierung verstößt mit ihrer Migrationspolitik gegen europäisches Recht – will aber weiter an ihrem Vorhaben festhalten. So blicken die Rheinland-Pfälzer und Hessen auf das Hin und Her.
„Einmal Ihre Papiere, bitte“, heißt es seit knapp einem Monat häufiger an der Grenze zwischen Luxemburg und Rheinland-Pfalz. Und das wird es auch erst einmal so bleiben, teilt uns heute ein Sprecher der Bundespolizeiinspektion Trier mit. Denn oberster Polizeichef ist Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Und der gibt gestern bekannt:
Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister
„Es geht darum, das deutliche Signal auch zu setzen, dass wir weiterhin daran festhalten, dass Deutschland mit dieser hohen Zahl an neuankommenden Asylbewerbern, Flüchtlingen, nicht zurechtkommt. Und deswegen auch diese Zurückweisungen auch weiterhin stattfinden werden.“
Diese verstoßen aber nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin gegen europäisches Recht. Das sogenannte Dublin-Verfahren schreibe vor, dass Deutschland erst prüfen müsse, welcher EU-Staat für den Asylantrag zuständig sei. Deshalb dürften Asylbewerber nicht einfach zurückgewiesen werden. Die Bundesregierung hält ihr Vorgehen für rechtmäßig, weil eine Notlage vorliege. Doch genau dem widerspricht das Gericht in Berlin.
Anna von Öttingen, Richterin Verwaltungsgericht Berlin
„Deutschland kann sich nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung wegen einer Notlage unangewendet bleiben dürfe. Es ist nicht hinreichend dargetan, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht.“
Die rheinland-pfälzischen Grünen zeigen sich heute verärgert darüber, dass der Bundesinnenminister an den Zurückweisungen festhalten will.
Carl-Bernhard von Heusinger (Bündnis 90 / Die Grünen), Landtagsabgeordneter Rheinland-Pfalz
„Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin ist natürlich eine krasse Niederlage für die Union. Und dass Innenminister Dobrindt nun angekündigt hat, an diesen Grenzkontrollen festzuhalten, intendiert einen weiteren Rechtsbruch. Ich finde, das geht überhaupt nicht.“
Der hessische Innenminister verteidigt hingegen die Entscheidung, die Kontrollen weiterhin durchzuführen. Er sagt, das europäische Dublin-Verfahren sei gescheitert.
Roman Poseck (CDU), Innenminister Hessen
„Und wenn das europarechtliche Verfahren nicht zur Anwendung kommen kann, dann können wir aus meiner Sicht ins nationale Recht zurückgehen. Von daher sollte man aus meiner Sicht jetzt auch wirklich noch weiter abwarten. Wir können nicht die politische Linie allein auf der Grundlage einer einzelnen Entscheidung in einem singulären Fall einer ersten Instanz jetzt wieder ändern.“
Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident unterstützt die Grenzkontrollen. Er äußert sich heute auf Anfrage von 17:30 Sat.1 live schriftlich:
Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident Rheinland-Pfalz
„Die Zahl der Menschen, die zu uns flüchten, ist seit 2024 in der gesamten EU um 50 % und auch in Deutschland zurückgegangen […]. Das zeigt, dass effektivere Kontrollen an den EU-Außengrenzen, Drittstaatenabkommen und temporäre Kontrollen an den Grenzen wirkungsvoll sind.“
Dennoch brauche es für die Zukunft eine europäische Antwort und keinen nationalen Alleingang.
Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident Rheinland-Pfalz
„In Bezug auf die aktuelle Lage will ich unterstreichen, dass mir wichtig ist, dass die Bundesregierung eine europäische Flüchtlingspolitik betreibt, die auf gemeinsamer Solidarität beruht.“