Zu Gast im Studio: RLP-Landeskommandeur Michael Trautermann

Der Krieg in der Ukraine zwingt die Bundeswehr zu grundlegenden Reformen, zumal die USA ihre Unterstützung reduzieren wollen. Bundeskanzler Friedrich Merz hat angekündigt, die Bundeswehr solle die stärkste Armee Europas werden. Dafür werden vor allem mehr Soldaten benötigt. Die Bundeswehr will deshalb in der Öffentlichkeit sichtbarer werden – wie zum Beispiel auf dem Rheinland-Pfalz-Tag in Neustadt an der Weinstraße.

„Waren das immer Zweisitzer?“
Fragen zu den Maschinen der Bundeswehr und zu den Einsätzen der Soldaten. Auf dem sogenannten „Platz der Streitkräfte“ auf dem Rheinland-Pfalz-Tag ist viel los. Das Interesse ist groß.
Natalie Kaufmann
„Aufgrund der aktuellen politischen Situation fühlt man sich schon sicherer, wenn man weiß, da gibt es Menschen, die im Katastrophenfall irgendwie wissen was zu tun ist, einen beschützen würden und das Land verteidigen.“
Matthias Breiling
„Seit dem Ukraine-Krieg wissen wir halt, dass es auf jeden Fall notwendig ist. Wir wussten es auch vorher, wir hatten es nur nie so präsent vor uns.“
Mary Iannone
„Ich finde es eher sehr interessant, das mit zu gucken. Was so, was es für Fahrzeuge gibt, was so die Bundeswehr macht für Aufgaben.“
Die Soldaten informieren gerne über ihre Arbeit. Auch in der Hoffnung, dass sich vielleicht einige der Besucher ebenfalls für eine Karriere bei der Bundeswehr entscheiden. Das wäre dringend nötig. Denn es fehlt an Personal.
Im Koalitionsvertrag setzen Union und SPD auf Freiwilligkeit. Wörtlich heißt es:
„Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.“
Eigentlich wollte die Union eine schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht. Doch die SPD pochte auf Freiwilligkeit. Also gibt es erstmal weiterhin keine Wehrpflicht. Aber was es gibt, das sind mehrere Hundert Milliarden Euro für die Bundeswehr. Dafür hatte der Bundestag noch in alter Besetzung mit einer Zweidrittelmehrheit die Schuldenbremse gelockert. Ein Mammut-Schuldenpaket, das es in der Geschichte der Bundesrepublik so vorher noch nie gab.
In seiner ersten Regierungserklärung Mitte Mai fasst es Bundeskanzler Friedrich Merz so zusammen:
Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler, am 14.5.2025
„Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“.
Im Ernstfall verteidigungsfähig sein. Dafür ist auch ER zuständig. Oberstabsfeldwebel Chris. Seinen Nachnamen nennen wir nicht. Seit 33 Jahren ist er Soldat, derzeit ist er im Landeskommando Rheinland-Pfalz in Mainz stationiert.
Chris, Oberstabsfeldwebel
„Ich bin in den 90ern in die Streitkräfte eingetreten – sehr hohe Akzeptanz. Wir hatten zwischendrin ein – ich möchte es nennen – vermindertes Interesse an der Bundeswehr und an den Streitkräften. In den letzten zwei Jahren nimmt das Interesse wieder sehr stark zu – im positiven sehr stark zu.“
Interesse, das auch zeigt: Der Blick auf die Bundeswehr hat sich in der deutschen Bevölkerung nach dem Beginn des Ukraine-Krieges gewandelt.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Und über die Lage der Bundeswehr spreche ich jetzt mit dem Kommandeur des Landeskommandos Rheinland-Pfalz, mit Oberst Michael Trautermann. Guten Abend, schön, dass Sie hier sind.
Oberst Michael Trauermann, Kommandeur des Landeskommandos Rheinland-Pfalz:
Vielen Dank, dass ich hier sein darf. Guten Abend.
Dieterle:
Sehr gerne. Herr Trautermann, Sie haben das Landeskommando ja vor kurzem übernommen. Man muss sagen, in ziemlich angespannten Zeiten. Viele Jahre dachte man, Frieden in Europa, das sei sicher. Seit dem Angriff auf die Ukraine wissen wir, das ist nicht so. Inwieweit hat das auch Einfluss auf Ihre Arbeit in Rheinland-Pfalz?
Trautermann:
Wir hatten in der Vergangenheit im Landeskommando Rheinland-Pfalz und auch in den anderen Bundesländern klar umrissene Aufgaben, die im Bereich der zivilmilitärischen Zusammenarbeit lagen, zum Beispiel, wie wir es während der Ahrflut gesehen haben, Unterstützung in Katastrophenfällen. Das hat sich eben seit dem Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine grundlegend geändert. Im Rahmen der Planungen für die NATO-Verteidigung, die Bündnisverteidigung, aber eben auch für die Landesverteidigung kommen hier komplett neue Aufgaben auf die Länder und auf die Landeskommandos zu, um eben im territorialen Bereich, also nicht vorne an der Front, wo gekämpft wird, sondern, wenn Sie so wollen, im Hinterland als Drehscheibe, Deutschland den Transport von Truppen und Personal und Gerät nach vorne zu gewährleisten.
Dieterle:
Bundeskanzler Friedrich Merz hat gesagt, er will die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas machen. Schauen wir mal nur auf Rheinland-Pfalz. Was braucht die Bundeswehr hier denn, um stark zu sein, um stärker zu werden?
Trautermann:
Ich glaube, ein ganz gutes Beispiel ist das taktische Luftwaffengeschwader 33 in Büchel, auch in Rheinland Pfalz, wo gerade alles vorbereitet wird, um die F35 in den kommenden Jahren aufzunehmen und den Flugbetrieb mit 35 aufzunehmen. Wir reden also davon, dass die im Beitrag angesprochenen zusätzlichen Milliarden tatsächlich für Hardware, für Flugzeuge, für Schiffe, für Fahrzeuge der Landstreitkräfte ausgeben werden. Wir benötigen aber eben auch, was wir in Büchel sehen, erhebliche Investitionen in Infrastruktur. Wir brauchen aber in vielen anderen Bereichen vor allem Personal, zusätzliches Personal, um diese zusätzlichen Waffen und Waffensysteme tatsächlich bedienen und zum Einsatz bringen zu können, so es erforderlich sein sollte.
Dieterle:
Personal wird dringend gebraucht. Im aktuellen Koalitionsvertrag steht nichts von der Wehrpflicht, es wird weiterhin auf Freiwilligkeit gesetzt. Deshalb meine Frage an Sie: Wie kommen Sie denn an Nachwuchs?
Trautermann:
Auf der einen Seite denke ich, dass der Bundesverteidigungsminister hinreichend deutlich war, genau jenen Freiwilligendienst mit großer Geschwindigkeit nach vorne zu bringen, sodass wir bereits nächstes Jahr beginnen können zu sehen, wie es dann wirken wird. Und dann bewerten können, wie es wirkt, um dann gegebenenfalls wiederum in der Koalition weitere Schritte einzuleiten, so sie erforderlich sein sollten. Was wir in Rheinland-Pfalz tun – und der Rheinland-Pfalz-Tag war ja ein Paradebeispiel – wie gesagt, 225.000 Besucher und so ziemlich jeder einzelne war auf dem Platz der Streitkräfte und so viel Interesse für den Dienst in den Streitkräften, wie wir dort hatten, habe ich noch selten erlebt. Und wir hatten dort ein Karrieremmobil, wo Interessenten Informationen zum Dienst den Streitkräften bekommen konnten. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel, wie wir nach außen gehen und versuchen, junge Menschen vor allem für den Dienst in der Bundeswehr zu interessieren.
Dieterle:
International passiert ja gerade auch sehr viel und da sind Sie heute natürlich ein spannender Gast, denn Sie haben viele Jahre im Pentagon gearbeitet und kennen sich aus, wenn es um die Beziehungen zu den USA geht. In Rheinland-Pfalz und in Hessen sind die meisten US-Soldaten in Deutschland stationiert. Wie viel Verunsicherung bedeutet denn die erneute Präsidentschaft von Donald Trump für die US-amerikanischen Beziehungen zwischen der Bundeswehr und den Amerikanern?
Trautermann:
Ich habe tatsächlich aus meiner Zeit im Pentagon noch eine Vielzahl an amerikanischen Freunden und Bekannten quer durch alle Dienstgrade bis in höchste Generalsränge hinein.
Trautermann:
Keiner von denen ist nicht zumindest hinreichend, aber zumeist deutlicher Transatlantiker. Die allermeisten stehen zur NATO und wir alle wissen, dass der Präsident der Vereinigten Staaten weitreichende Befugnisse hat. Aber ich denke, auch in den USA wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Und ganz besonders während meiner Zeit in Ramstein beim NATO Allied Air Command habe ich persönlich erleben dürfen, dass auf der einen Seite unsere Amerikaner, unsere Gastgeber auf der Ramstein Air Base voll hinter der NATO stehen und diese Rolle ernst nehmen und wahrnehmen und jeden Tag leben. Und genau das gleiche auch im NATO-Stab. Die 180 Amerikaner, die dort jeden Tag Dienst tun, da sitzt keiner auf gepackten Koffern, die stehen alle zum Auftrag, den wir bei der NATO haben und unterstützen den weiter, wie sich’s gehört.
Dieterle:
Das ist natürlich auch eine Aussage. Ja, wir werden das beobachten, wie es weitergeht. Herr Trautermann, vielen Dank, dass Sie heute zum Interview bei uns waren.
Trautermann:
Herzlichen Dank.