Gefährdet weniger Wind die Energiegewinnung?
Es klingt irgendwie zu schön, um wahr zu sein: Schon in wenigen Jahren könnte Deutschland seinen Strombedarf zu 100 % aus erneuerbaren Energien decken. Dazu muss lediglich der Ausbau von Solar-Anlagen und Windrädern vorangetrieben werden – den Rest erledigt dann schon die Natur. Sie ahnen es schon, ganz so einfach ist die Sache dann meistens doch nicht. Denn weder Wind noch Sonne sind verlässliche Größen. Vor allem länger anhaltende Windflauten könnten zum Problem werden.
Alle Räder stehen still, wenn der liebe Gott das will: In den ersten Monaten dieses Jahres hat es in Deutschland so wenig Wind gegeben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Besonders betroffen: Die Mitte Deutschlands – und somit auch Hessen und Rheinland-Pfalz.
Frank Kaspar vom Deutschen Wetterdienst erklärt das seltene Phänomen, das auch die Meteorologen überrascht.
Frank Kaspar, Deutscher Wetterdienst
„Wir hatten sehr viele Hochdruckgebiete. Diese Hochdruckgebiete haben verschiedene Dinge mit sich gebracht: Es hat sehr wenig geregnet. Wir hatten überdurchschnittlich viel Sonnenschein. Aber eben auch diese unterdurchschnittlichen Windgeschwindigkeiten. Wir haben auch versucht, uns da eine sehr lange Datenreihe anzuschauen. Wir haben da also 70 Jahre auch zurückgeschaut. Wenn man jetzt das ganze erste Quartal zusammen nimmt, dann ist es im Vergleich tatsächlich so, dass wir eine ähnliche Situation zuletzt vor ca. 50 Jahren hatten.“
Heißt das, dass wir uns in Deutschland auch in Zukunft auf immer weniger Wind einstellen müssen? Das, so der Experte, lasse sich aus den vorliegenden Daten nicht ableiten: ein langfristiger Trend sei nicht zu erkennen. Und doch wirft die monatelange Windflaute zu Beginn des Jahres Fragen auf. Vor allem in Rheinland-Pfalz. Denn dort hat die Landesregierung kürzlich beschlossen, dass der im Land verbrauchte Strom schon im Jahr 2030 bilanziell vollständig aus erneuerbaren Energien stammen soll. Unter den heutigen Bedingungen und beim derzeitigen Ausbau-Tempo völlig unrealistisch, sagt Michael Bleidt vom Verband kommunaler Unternehmen – hier bei der Besichtigung eines möglichen Windkraftstandorts in der Nähe von Koblenz.
Michael Bleidt, Verband kommunaler Unternehmen (VkU)
„Wir brauchen, um in einem volatilen System mit Fotovoltaik und Windenergie dann eben erneuerbar Strom zu erzeugen, Flexibilitäten im Netz. Das heißt: Wir müssen Lasten im Stromnetz an andere Stellen verschieben sozusagen, wo wir dann eben Strom im Netz haben. Das heißt also: An sonnige Tage. Das ist möglich, Flexibilitäten zu nutzen. Wir brauchen aber auch Stromspeicher, die dann in die Bresche springen, wenn wir eben keinen Strom haben. Bei beiden Bereichen sind wir noch im Hintertreffen. Da müssen wir noch kräftig weiter dran bauen, damit wir die Möglichkeit haben, dann auch die Dunkelflauten, wie man sie nennt, zu überbrücken.“