Diskussion um Aufweichung des Acht-Stunden-Arbeitstags

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht, es soll künftig statt einer täglichen nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit geben. Heißt: Aktuell dürfen Arbeitnehmer 8 Stunden arbeiten, in Ausnahmen bis zu 10 Stunden – geplant soll nun sein, bis zu 13 Stunden am Tag arbeiten zu dürfen, solange die maximale Wochenarbeitszeit eingehalten wird. Die beträgt 48 Stunden verteilt auf 6 Tage. Wie kommt diese Idee bei Unternehmen und Arbeitnehmern an?

Die Aqseptance Group in Aarbergen im Untertaunus produziert Maschinenteile rund ums Thema Wasser – zum Beispiel für Kläranlagen oder Kraftwerke. Die Produktionsabläufe sind genau aufeinander abgestimmt, Verzögerungen stören die gesamte Kette.

Baldassare La Gaetana, Geschäftsführer Aqseptance Group:„Vor der Qualitätsprüfung verzögert sich jetzt der Transport beispielsweise. Dann haben Sie einen Leerlauf bei uns, weil Sie warten auf den Transport, müssen aber noch eine Qualitätssicherung machen, bevor die Maschine dann verschifft wird. Das heißt, es kann dazu kommen, dass wir um einen Tag, manchmal sogar um eine Woche oder wenn ein Wochenende dazwischen ist eben um ein paar Tage eine Verschiffung verschieben müssen.“

Wäre es rechtlich möglich, in so einem Fall auch mal länger als 10 Stunden zu arbeiten, ließe sich das verhindern. Geschäftsführer Baldassare La Gaetana begrüßt daher die Pläne der Bundesregierung, von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umzusteigen. Weniger Bürokratie und mehr Flexibilität. Davon hätten auch die Arbeitnehmer etwas. Je nach Branche könnten sie sich ihre Arbeitszeit besser einteilen, mal länger bleiben, dafür wann anders früher gehen. Auch die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände hält die Pläne für einen längst überfälligen Schritt, das Modell sei europäischer Standard. Wichtig dabei aber: die doppelte Freiwilligkeit.

Franz-Josef Rose, Arbeitsrechtler Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände: „Es wird bei der Reglung keine Gewinner und keine Verlierer geben, weil es eine relativ ausgewogene Geschichte ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der doppelten Freiwilligkeit müssen das Ganze wollen. Wenn das einer nicht mitmacht, ist vorbei. Wenn ich jetzt als Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu irgendwas zwinge, wird der entweder arbeitsunfähig erkrankt oder er macht Dienst oder sie macht Dienst nach Vorschrift, das bringt also auch nichts.“

Die Gefahr, dass Arbeitgeber regelmäßig von ihren Angestellten verlangen könnten, länger als 10 Stunden zu arbeiten, sieht der Wirtschaftsverband nicht. Anders als der Deutsche Gewerkschaftsbund. Nicht jeder Arbeitgeber sei so wohlwollend, die Arbeitnehmer aber finanziell abhängig.

Michael Rudolph, DGB Hessen-Thüringen: „Jetzt sieht es noch so aus als wenn die Beschäftigten das am Ende entschieden. Wenn es aber erst möglich ist gesetzlich so lange zu arbeiten, dann wird es ganz schnell so sein, dass vor allem für diejenigen, die ohne Tarifverträge, ohne anderen Schutz arbeiten, es einfach abverlangt wird, dass sie eben diese Flexibilität mitbringen und dann ist es keine Flexibilität mehr aus der Sicht der Beschäftigten.“

Und die Arbeitnehmer? Sie sind geteilter Meinung.

Rainer Bomke, Teamleiter Pharmabranche: „Manchmal müssen Sachen einfach fertig gemacht werden und da würde ich mir wünschen, man hängt nochmal eine Stunde dran oder zwei Stunden dran.“

Loubna, Pflegerin: „Tja halt so viel Stress, insbesondere im Gesundheitsbereich, da finde ich halt wirklich die 8 Stunden sind schon mal viel.“

Latifa, medizinische Fachangestellte: „Ich finde das gut, also ich kann dann vier Tage arbeiten und dann einen Tag frei haben.“

Marlex Silva, Werkstudent bei einer Versicherung: „Man ist viel freier in der Arbeitszeitgestaltung. Man könnte zum Beispiel morgens anfangen, 5 Stunden arbeiten, dann kurz Mittagsschlaf machen und dann wieder 5 Stunden arbeiten oder dann mehr sogar, weil man wieder frisch ist.“

Natascha Lecoz, arbeitet in der Kinder- und Jugendhilfe: „Am wichtigsten ist, für sich selber einzustehen und zu sagen ja okay, da ist für mich mein Limit erreicht, denn ansonsten wird man glaub ich schon dann auch ausgebeutet.“

Bislang geht es um Pläne, keinen konkreten Gesetzesentwurf. Grenzen gibt es auf jeden Fall durch die Arbeitszeitrichtlinie der EU. Die geltenden Ruhezeitregelungen von mindestens 11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen werden also bleiben.