Studiogespräch zur Lage der Bauwirtschaft

400.000 neue Wohnungen im Jahr – dieses Ziel hatte sich die alte Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz gesetzt – und ist damit krachend gescheitert. Gerade einmal rund 200.000 sind im vergangenen Jahr tatsächlich neu gebaut worden. Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz aus Rheinland-Pfalz will nun endlich den Bau-Turbo zünden. Darüber sprechen wir gleich mit einem Experten – vorher sind wir im Taunus auf einer Baustelle.

Dieses Gebäude kennt in Oberursel fast jeder: In dem Altbau aus dem Jahr 1815 war jahrzehntelang eine beliebte Gaststätte untergebracht. Die gibt es inzwischen nicht mehr – derzeit baut Hausherr Dieter Schwidtal das Gebäude aufwändig um. Das Haus einfach abzureißen und einen Neubau zu errichten wäre unkomplizierter und wohl auch günstiger gewesen – die Familie hat sich aber dafür entschieden, die historische Fassade und das Dach zu erhalten und einen Umbau im Bestand vorzunehmen. Inzwischen ist das 210 Jahre alte Gebäude komplett entkernt. Jetzt folgt der Wiederaufbau unter modernsten energetischen Gesichtspunkten. – im Prinzip also alles mustergültig. Und doch musste der Bauherr mehrere Jahre lang auf die erforderliche Baugenehmigung warten.
Dieter Schwidtal, Bauherr
„Es sind eben halt alles auch Behörden. Es dauert ewig lang.“
Zunächst war der Plan, das Haus komplett barrierefrei zu gestalten. Als sich Dieter Schwidtal aus Kostengründen dafür entschied, doch keinen Aufzug einzubauen und zudem die alten Deckenbalken aus Holz zu erhalten, musste der Bauherr einen komplett neuen Bauantrag einreichen: Mit einfach nur Nachbessern war es nicht getan. Aus Sicht von Schwidtal viel überflüssige Bürokratie, die sich mit ein wenig politischem Willen ganz leicht überwinde ließe.
Dieter Schwidtal, Bauherr
„Ein ganz wenig mutiger Weg, aber total sinnvoll, wäre zum Beispiel, die 16 Landesbauordnungen abzuschaffen. Es gibt eine Musterbauordnung, da sollten sich alle 16 Länder dran halten. Dass es nicht in jedem Bundesland extra Regelungen gibt.“
Ein möglicher Lösungsansatz: Der sogenannte „Gebäudetyp E“. „E“ steht dabei für „einfach“. Die alte Bundesregierung hatte dieses Verfahren zum vereinfachten und standardisierten Bauen noch vergangenen November auf den Weg gebracht. Doch das Ampel-Aus machte dem bereits ausformulierten Gesetzentwurf zumindest vorerst einen Strich durch die Rechnung.
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Markus Appelmann, Moderator:
Wann kann endlich einfacher gebaut werden? Darüber spreche ich jetzt mit Thomas Reimann. Er ist der Präsident des Verbands baugewerblicher Unternehmer in Hessen. Guten Abend.
Thomas Reimann, Präsident des Verbands baugewerblicher Unternehmer in Hessen:
Schönen guten Abend.
Appelmann:
Wir haben gerade eben im Beispiel gesehen in Oberursel, da hat man viele Jahre auf die Baugenehmigung gewartet. Warum dauert das in Deutschland so lange?
Reimann:
Bauen ist immer noch zu kompliziert. Wir haben Antragsverfahren, die gewisse Regularien zu erfüllen haben. Von denen trennt man sich nicht. Das macht Bauen teuer. Das macht die Genehmigungszeiten lang. Und das ist eigentlich der völlig falsche Weg, gerade jetzt, wo wir ausreichend und mehr Wohnraum brauchen.
Appelmann:
Wir haben gerade eben Gebäudetyp E gehört, das war so eine Formulierung aus der Ampelregierung. Aber das Thema ist ja immer noch super aktuell. Es muss einfacher gebaut werden. Was muss vereinfacht werden Ihrer Meinung nach?
Reimann:
Grundsätzlich war das gut, zu sagen, wir brauchen jetzt einfacheres Bauen, einfachere Genehmigungen. Was brauchen wir? Wir brauchen kürzere Genehmigungszeiten, deutlich kürzere Genehmigungszeiten. Wir brauchen keine 16 Landesbauordnungen. Wir brauchen deutlich weniger Auflagen und deutlich weniger Vorgaben. Wir brauchen einen richtig wichtigen Wink aus Berlin für die Länder in unserer Republik, damit auch Gemeinden und Kommunen es einfacher haben, schneller Baugenehmigungen gerade dann, wenn es um Umbaumaßnahmen geht, um Nutzungsänderung geht, auf den Weg zu bringen.
Appelmann:
Und manchmal müssen wir einfach nur ins europäische Ausland schauen, zum Beispiel in die Niederlande, wo weniger Bauauflagen sind und wo mehr gebaut wird.
Reimann:
Nun, die Niederlande hatten ja vor etwa zehn Jahren genau das gleiche Problem dass sie sich Gedanken gemacht haben, wie können wir ausreichend Wohnraum für günstigeres Geld schaffen? Und man hat eine große Baurechtsreform durchgeführt. Man hat sie erfolgreich durchgeführt und auch nach zehn Jahren wird immer noch günstiger gebaut als beispielsweise bei uns und nicht schlechter. Ja, man muss mal ins Ausland blicken und darüber nachdenken, ob man sich da vielleicht gute Gedanken mitnimmt, um in nächster Zukunft ähnlich zu entscheiden.
Appelmann:
Schauen wir mal noch auf das Hessengeld hier bei uns. Eine Unterstützung des Landes Hessen. Eine Familie mit zwei Kindern, die sich ein Haus kauft, bekommt zum Beispiel 30.000 € Unterstützung. Insgesamt sind bislang 100 Millionen € zugesagt. Ist das für die Bauwirtschaft ein guter Ansatz?
Reimann:
Also das ist nicht nur für die Bauwirtschaft ein guter Ansatz, dass ist auch für die Menschen, die das nutzen können, ein sehr guter Ansatz. Wir diskutieren über viele Dinge, beispielsweise die Herabsenkung der Grunderwerbsteuer. Alles problematisch in der Umsetzung. Umso erfreulicher, dass dieses Hessengeld geschaffen wurde und mit diesem Hessengeld eine Investition gerade für junge Familien, die erstmalig Eigentum erwerben, eine Möglichkeit geschaffen wurde, um es ein bisschen leichter und ein bisschen angenehmer zu gestalten. Wir brauchen diese wichtigen Signale in die Bau- und Immobilienwirtschaft hinein, damit sich etwas nach vorne bewegt. Im Moment haben wir eine Stagnation, einen starken Rückgang, was die Wohnungsbaugenehmigungen anbelangt. Das muss ein Ende finden.
Appelmann:
… sagt Thomas Reimann, der Präsident des Verbands baugewerblicher Unternehmer in Hessen. Danke für den Besuch heute.
Reimann:
Herzlichen Dank.