Neue Missbrauchsstudie des Bistums Speyer
Eine Aufgabe des neuen Papstes wird es sein, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche weiter voranzubringen. Übergriffe, sexuelle Misshandlungen – schreckliche Taten, die es auch im Bistum Speyer gab. Eine unabhängige Studie spricht jetzt von einem System der Vertuschung.
Es sind Orte wie dieser, in denen der Missbrauch meist stattgefunden hat. Heime für Kinder und Jugendliche. Orte, die eigentlich ein Zuhause sein sollten. Eigentlich. 150 Beschuldigte, davon 109 Geistliche. Die meisten von ihnen sind mittlerweile tot. Zentrale Aussage der Studie um die Historikerin Sylvia Schraut ist: Im Bistum Speyer haben Mechanismen gefehlt, um die Geistlichen und die Beschäftigten zu kontrollieren. So konnte der Missbrauch ungehalten wüten.
Prof. Dr. Sylvia Schraut, Studienleiterin
„Und ein Bistum als ein monarchisches System eigentlich so von Rom her gedacht, muss selber dann die eigene Macht begrenzen. Und sich dann auch noch verpflichten, diesen Machtbegrenzungen zu folgen. Das ist ein langsamer Prozess.“
Rund die Hälfte der Taten findet in den 1950er und 1960er Jahren statt. Doch die meisten Fälle werden erst ab dem Jahr 2000 bekannt. Grund für das lange Schweigen und Verdecken sei unter anderem die Sexualmoral der Katholischen Kirche.
Prof. Dr. Sylvia Schraut, Historikerin
„Eine Sexualmoral, die Sexualität als Sünde begreift. Grundsätzlich. Man darf natürlich ein bisschen sexuell tätig sein, wenn man Kinder zeugen will, dann ist aber gut. Die erzieht Menschen zum Heucheln. Also zur Tabuisierung ihrer eigenen Sexualität. Und dann wird natürlich auch nicht ein Kind in den Beichtstuhl gehen und sagen: ‚Der Lehrer, der Pfarrer, als ich Messdiener war, der hat mit mir so komische Sachen gemacht.“
Er habe 2010, ganz am Anfang der Aufarbeitung, selbst noch gedacht, dass es sich um Einzelfälle handle, so Bischof Wiesemann heute. Die Gespräche mit den Betroffenen bezeichnet er als die größte Lehrerfahrung seines Lebens.
Karl-Heinz Wiesemann, Bischof von Speyer
„Ich kenne diese Lebensgeschichten und weiß, was für verehrenden Folgen der Missbrauch auslösen kann. Und insofern bin ich erst einmal dankbar dafür, dass uns durch diese Studie auch Hilfen gegeben werden, wie wir in der Zukunft das effektiver verhindern können.“
Dazu zählt unter anderem eine externe Beratung, die helfen soll, die Strukturen der Kirche und des Bistums aufzubrechen. Denn die Aufarbeitungsstudie beruht hauptsächlich auf den Erzählungen der Betroffenen. Akten wurden meist nicht ordentlich geführt oder fehlen ganz.
Bernd Held, Vorsitzender Betroffenenbeirat
„Ich weiß als Betroffener, dass es sehr, sehr schwer ist, vor allem nach all den Jahren sich den Mut zusammen zu nehmen und darüber zu sprechen. Aber es ist wichtig, dass sich weitere Betroffene melden, damit wir auch weiterhin neue Tatorte und vielleicht auch neue Hotspots entdecken, die man dann untersuchen kann.“