Hessische AfD-Politiker von Auslandsreisen ausgeschlossen

Ganz Deutschland diskutiert über einen Bericht, den nur ganz wenige gelesen haben. Ein Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das die AfD insgesamt als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Dass dieser Bericht kurz vor dem Ende der Amtszeit von Bundesinnenministerin Nancy Faeser veröffentlicht wurde – sicher kein Zufall. Rückt damit ein Verbot der AfD näher? Müssen AfD-Mitglieder um ihren Job als Beamte zittern? Erste Konsequenzen gibt es nun in Hessen. Europaminister Manfred Pentz hat zwei AfD-Abgeordnete von einer Auslandsreise ausgeladen. Kurzfristig.

Heute Abend reist der hessische Europaminister Manfred Pentz für fünf Tage nach Serbien und Kroatien, um für den Standort Deutschland zu werben. Es ist üblich, dass alle im hessischen Landtag vertretenen Parteien zu solchen Auslandreisen der Landesregierung eingeladen werden. Ursprünglich sollten auch zwei AfD-Abgeordnete mitreisen: Anna Nguyen,Vorsitzende des Europaausschusses, und Christian Rohde, europapolitischer Sprecher der Partei. Doch nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch hat Manfred Pentz die beiden von der Teilnehmerliste gestrichen.
Manfred Pentz (CDU), Europaminister Hessen
„Hessen ist ein internationaler Standort und meine Auslandsdienstreisen zielen darauf ab, für diesen Standort zu werben. Das kann ich nicht erreichen, wenn ich mit Vertretern einer gesichert rechtsextremen Partei anreise.“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in einem Gutachten festgestellt, dass die AfD insgesamt rechtsextremistisch und gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet ist. So sei erwiesen, dass die Partei Migranten und Flüchtlinge pauschal diffamiere und verächtlich mache. Sie schüre ihnen gegenüber Ängste und Vorurteile.
Die AfD hat heute eine Klage gegen die Entscheidung der Bundesbehörde eingereicht. Deshalb halten es die beiden hessischen AfD-Abgeordneten für völlig inakzeptabel, sie jetzt von Auslandsreisen auszuschließen.
Christian Rohde (AfD), Abgeordneter Landtag Hessen
„Wir halten das für einen Skandal, weil hier ja auch 18,4% der hessischen Wähler ausgeladen wurden, die uns bei der letzten Landtagswahl gewählt haben. Es waren ja nicht nur meine Kollegin und ich, sondern auch die, die wir hier im hessischen Landtag vertreten als Oppositionsführer. Ich glaube, dass es sich hier eher um den Versuch einer persönlichen Profilierung von Minister Pentz handelt. Mit den anderen Fraktionen im Landtag arbeiten wir auch weiterhin professionell zusammen.“
Manfred Pentz hatte bereits angekündigt, dass er auch künftig keine AfD-Abgeordneten mehr zu Delegationsreisen ins Ausland mitnehmen wird. Einen rechtlichen Anspruch auf die Teilnahme haben Abgeordnete nicht.
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Markus Appelmann, Moderator:
Und wir bleiben beim Thema. Die Länder prüfen derzeit, ob es Konsequenzen für AfD-Mitglieder im Staatsdienst geben kann? Darüber spreche ich jetzt mit dem hessischen Innenminister Roman Poseck. Guten Tag, Herr Poseck.
Roman Poseck (CDU), Innenminister Hessen:
Guten Tag, Herr Appelmann. Ich grüße Sie auch.
Appelmann:
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Welche Konsequenzen könnte das jetzt für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes haben, die Mitglieder der AfD sind?
Poseck:
Zunächst einmal ist das eine gravierende Einschätzung, die das Bundesamt hier vorgenommen hat: “gesichert rechtsextrem”. Die AfD ist leider immer radikaler geworden. Jetzt bleibt allerdings abzuwarten, die AfD hat Rechtsmittel angekündigt. Das ist ihr gutes Recht. Das heißt, es wird auch ein Gericht darüber zu entscheiden haben, ob diese Einstufung durch das Bundesamt richtig ist. Aber wenn diese Einschätzung am Ende Bestand hat, kann das auch Auswirkungen auf Beamte haben, die Mitglied oder Funktionär bei der AfD sind. Denn in unserem öffentlichen Dienst müssen wir Wert darauf legen, dass die Menschen mit beiden Beinen auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Sie repräsentieren ja diesen Rechtsstaat. Verfassungsfeinde dürfen im öffentlichen Dienst keinen Platz haben.
Appelmann:
Jetzt mal unterstellt es bliebe bei der Einstufung, würden dann Bewerber für den öffentlichen Dienst direkt aussortiert, wenn sie Mitglied oder Funktionär der AfD wären?
Poseck
Das will ich genau besprechen. Das müssen wir jetzt sorgfältig untersuchen. Wir müssen die weitere Entwicklung auch abwarten. Wie gesagt, auch ein eventuelles Gerichtsverfahren. Aber wir haben im öffentlichen Dienst in der Tat zwei Bereiche. Zum einen haben wir Beamte und Mitarbeiter, die schon tätig sind, die Mitglied oder Funktionär bei der AfD sind. Das sind wenige, aber die gibt es. Und dann geht es aber auch, wie Sie richtig sagen, um den Zugang zum öffentlichen Dienst. Ich kann mir jedenfalls vorstellen, dass wir zukünftig, wenn sich diese Einschätzung bestätigt, Personen, die in der AfD aktiv sind, den Zugang zum öffentlichen Dienst, beispielsweise bei der Polizei, auch versagen. Noch einmal, für mich ist entscheidend: Extremisten dürfen im öffentlichen Dienst keinen Platz haben. Im öffentlichen Dienst muss es darum gehen, dass unsere freiheitlich demokratische Grundordnung vertreten und verteidigt wird.
Appelmann:
Da gibt es noch den Fall Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD Thüringen, der sich mehrmals rechtsextremistisch geäußert hat. Höcke ist als hessischer Lehrer beurlaubt. Müsste ihm nicht als erstem der Beamtenstatus aberkannt werden?
Poseck
Zunächst einmal: Höcke ist ein besonders negatives Beispiel für die AfD. Er steht beispielhaft für den extremistischen Kurs der AfD. Und ich vermisse, dass es irgendeine Distanzierung seitens der AfD von Herrn Höcke gibt. Ich nehme das auch von der hessischen AfD beispielsweise nicht wahr. Und das spricht auch Bände. Die Rechtslage bei Höcke ist eine besondere. Er ist in der Tat hessischer Beamter, er ist aber im Moment im thüringischen Landtag. Und bislang war es so, dass ihn eben dieser Abgeordnetenstatus geschützt hat, dass uns beamtenrechtlich die Hände gebunden waren. Und ich gehe davon aus, dass das auch weiter so gilt. Das sind rechtliche Vorgaben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Höcke noch mal in Hessen als Lehrer tätig wird. Da hat er sich aus meiner Sicht disqualifiziert. Aber natürlich müssen wir uns bei allen Maßnahmen auch an das geltende Recht halten.
Appelmann:
Sie sprechen sich für eine einheitliche, bundesweite Linie aus. Hatten Sie schon die Möglichkeit mit den anderen Ländern zu sprechen, ob da ein Konsens auf der nächsten Innenministerkonferenz im Juni zu erreichen ist?
Poseck
Wir sind uns jedenfalls einig, dass es jetzt einige Folgefragen gibt. Das ist beispielsweise die Frage eines etwaigen Verbotsverfahren. Das sind Fragen der Parteienfinanzierung, das ist der Umgang mit Beamten. Das ist auch der Umgang mit Personen, die eine waffenrechtliche Erlaubnis haben und die Mitglied oder Funktionär bei der AfD sind. Diese Themen stellen sich nicht nur in Hessen und in Rheinland-Pfalz, sondern in allen Bundesländern. Deshalb werden wir sie im Rahmen der Innenministerkonferenz im Juni in Bremerhaven beraten. Und ich bin zuversichtlich, dass wir dabei auch zu einheitlichen Lösungen kommen. Mir scheint ein abgestimmtes, einheitliches Vorgehen auf alle Fälle wichtig.
Appelmann.
Abschließende Frage: gerade nimmt das Thema AfD Verbotsverfahren wieder an Fahrt auf. Schließen Sie sich dieser Forderung an?
Poseck
Ich verstehe, dass es jetzt diese Diskussion gibt. Es gibt aber keinen Automatismus. Die Höherstufung durch das Bundesamt bedeutet nicht, dass jetzt ein Verbotsverfahren geführt werden muss. Persönlich bin ich im Hinblick auf ein Verbotsverfahren eher skeptisch. Ich lege Wert darauf, dass wir gegen die AfD politisch vorgehen. Mit den politischen Mitteln. Wir haben die besseren Argumente als demokratische Parteien, und deshalb werbe ich um die Wähler, im Übrigen auch um Wähler der AfD, die nicht rechtsextrem sind. Wir sollten hier ein politisches Angebot machen. Wir müssen gute Politik im Interesse der Menschen machen. Das ist das beste Instrument, um die AfD auch wieder kleinzukriegen. Darum geht es. Und ein Verbotsverfahren wäre für mich nur Ultima Ratio.
Appelmann:
… sagt der hessische Innenminister Roman Poseck. Danke Ihnen.
Poseck
Sehr gerne, Herr Appelmann.