Taxifahrerin deckt Schockanruf-Masche auf

„Hallo Papa, ich hatte einen Unfall und brauche Geld.“ Eine solche SMS haben bestimmt schon einige von Ihnen bekommen. Dahinter stecken in aller Regel Betrüger – und die versuchen mit immer neuen Methoden, an Geld zu kommen. Gleich spreche ich mit einer Kriminalhauptkommissarin über diese Betrugsmaschen. Vorab stellen wir Ihnen eine Taxifahrerin aus Rheinland-Pfalz vor, die eine ältere Stammkundin davor bewahrt hat, viel Geld zu verlieren.

Doris Danner ist mit Herz und Verstand dabei, wenn sie ihre Kunden in und um Winnweiler mit ihrem Taxi ans Ziel bringt. Sie wird direkt hellhörig, als sie vergangene Woche eine 79-jährige Kundin nach Kaiserslautern zur Bank fahren soll.
Doris Danner, führt ein Taxiunternehmen
„Und dann dachte ich schon: Wieso will die Dame mit mir im Taxi fahren? Weil sie eine Stammkundin ist und sie fährt nur, wenn sie zum Arzt muss.“
Alle anderen Fahrten macht die 79-Jährige mit ihrem privaten PKW. Bei Doris Danner stellt sich endgültig in seltsames Bauchgefühl ein, als sie ihre Kundin zu Hause abholt.
Doris Danner, führt ein Taxiunternehmen
„Die Dame kommt raus. Sie war ganz nervös und aufgelöst. Und dann hat sie auch schon ihre Schlüssel fallen lassen. Und da habe ich gesehen, dass auch ein Schließfachschlüssel dabei war. Und dann habe ich den Kopf geschüttelt und habe gesagt: ‚Sollen wir nicht zur Polizei fahren?‘ Und dann kommt sie an mein Ohr und sagt: ‚Ich kann nicht sprechen, ich habe das Handy an, wir werden abgehört‘.“
Ihr Handy hält die Dame versteckt. Doris Danner fährt los, beschließt aber schnell, dass es nicht bis nach Kaiserslautern geht. Sie fragt die Frau schriftlich, ob sie nicht lieber zur Polizei wolle. Immer wieder hält Doris Danner an und telefoniert mit den Beamten.
Doris Danner, führt ein Taxiunternehmen
„Wenn ich als ausgestiegen bin, habe ich sie gesehen. Also dass sie am Handy war. Und da dachte ich, die telefoniert jetzt mit denen.“
Als die Polizei dazustößt, lässt sich die Kundin noch immer nicht abbringen. Denn die Betrüger am Telefon haben ihr erzählt, dass in ihrer Nachbarschaft eine Frau überfallen wurde. Und jetzt müsse sie ihre Wertsachen zu einem Staatsanwalt nach Kaiserslautern bringen, sonst passiere ihr das gleiche. Die ältere Frau kann erst überzeugt werden, als die Polizisten persönlich die Kollegen in Kaiserslautern anrufen.
Doris Danner, führt ein Taxiunternehmen
„Sie war dann überglücklich, dass ich ihr geholfen habe. Und sie war froh, dass ich dann doch so energisch war mit ihr, weil sie wollte unbedingt nach Kaiserslautern fahren. Und ich habe immer wieder den Kopf geschüttelt und bin im Kreis gefahren.“
Die Täter können nicht gefasst werden. Die ältere Frau kommt mit dem Schrecken davon.
—————————————–
Markus Appelmann, Moderator:
Zu diesem Thema möchten wir Ihnen weitere Tipps geben und sprechen jetzt mit Kriminalhauptkommissarin Sylvia Jacob von der Polizeidirektion Wetterau. Guten Abend.
Sylvia Jacob, Polizeidirektion Wetterau:
Hallo, guten Abend.
Appelmann:
Frau Jacob, was für Täter sind das, die Senioren per Enkeltrick betrügen. Welche Merkmale haben Sie? Was wissen Sie über die Täter?
Jacob:
Es handelt sich dabei um gut strukturierte Täterbanden, die aus dem Ausland agieren, die aus Callcentern hier anrufen bei den Senioren und dann hier in der Gegend ihren Abholer positionieren, der dann kommt und das Geld oder die Wertgegenstände entgegennimmt.
Appelmann:
Sie haben gerade gesagt, dass die Täter meist aus dem Ausland kommen. Wie suchen die Täter sich ihre Opfer aus?
Jacob:
Ganz häufig immer noch aus den Telefonbüchern. Die gucken da gezielt nach altdeutschen Vornamen. Dann haben sie die Adresse, Wohnort, alles mit drin. Also all das, was die Täter brauchen oder wo sie auch drauf achten: kurze Durchwahl. Wenn ich eine drei- oder vierstellige Durchwahl habe, dann deutet das auf einen älteren Anschluss hin, wo auch meistens eine ältere Person dahinter steht.
Appelmann:
Geben Sie uns mal einen konkreten Tipp: Wann ist der Moment erreicht, an dem ich allerspätestens skeptisch werden sollte? Und wie reagiere ich am besten, wenn ich merke, dass da gerade ein Betrüger anruft?
Jacob:
Also spätestens wenn die Herausgabe von Geld oder Wertsachen verlangt wird, müssen alle Alarmglocken angehen. Weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft noch irgendein Gericht fordert von Ihnen am Telefon die Herausgabe von Geld oder Wertsachen. Und dann sollte man am besten das Telefonat beenden. Und um wirklich sicher zu sein, dass man jetzt hier keinem Täter auferlegen ist, dann einfach bei der Polizei direkt anrufen – gerne auch unter der 110 – und die Kollegen werden Ihnen dann weiterhelfen.
Appelmann:
Abschließende Frage: Viele Leute sagen ja: „Den Enkeltrick, den kenne ich, also kann mir das nicht passieren“. Opfer berichten aber immer wieder, dass sie eigentlich vom Enkeltrick wissen, aber genau in dem dann doch nicht daran gedacht haben. Woran liegt das?
Jacob:
Das liegt daran, dass die Täter sehr, sehr gut geschult sind. Die können psychologisch so gut auf die Leute einwirken, dass die Leute dann tatsächlich überzeugt sind, in diesem Moment hier ist das echt. Ich höre auch von Opfern immer wieder, dass die die Masche durchaus kannten, aber die Täter so überzeugend waren, dass die gedacht haben: „Das ist wirklich jetzt hier bei mir ein echter Anruf“.
Appelmann:
Tipps von Kriminalhauptkommissarin Sylvia Jacob von der Polizeidirektion Wetterau. Vielen Dank für das Gespräch.
Jacob:
Sehr gerne.