Klettern statt Beten in Bad Orber Kirche

Zwei Sportkletterer haben eine ehemalige Kirche in Bad Orb in eine Kletterhalle verwandelt. Das gibt es in Hessen kein zweites Mal. Viel Zeit und Arbeit haben die beiden Sportler in das Projekt gesteckt. Am Wochenende war Eröffnung und wir waren dabei.

Hier geht‘s hoch hinaus. Auf zwei Ebenen gilt es, meterhohe Wände über 75 verschiedene Routen zu erklimmen, von leicht bis schwer. Technik, Kraft und Kreativität sind dabei gefragt. Statt Seilen und Gurtzeug genügen beim Bouldern die richtigen Schuhe und ein bisschen Kreidestaub. Wer doch mal abschmiert, landet auf weichen Matten. Das Ganze vor beeindruckender Kulisse – die ersten Gäste sind begeistert.
Ida Bartoszewicz, aus Rodgau
„Bouldern mache ich schon etwas länger. Aber ich find’s schon cool, dass es in einer alten Kirche ist.“
Lars Hartmann, aus Schlüchtern
„Es ist alles neu, Griffe neu. Also, es ist richtig gut geworden, schön ausgestattet. Und macht Spaß, ja.“
Joshua Schreiber, aus Burgjoß
„Ich find’s wirklich cool, dass hier der Raum so hoch ist. Also, man hat wirklich Freiraum.“
Juline Grigat, aus Maintal
„Ist auch imposant, sag ich mal. Der ganze Raum selbst ist ja ursprünglich für was ganz anderes gedacht gewesen. Aber ich finde, das ist eine super Idee.“
Eine Idee, die sie hatten – Marc Ihl und Marco Köhler. Die Bad Orber begeistern sich schon lange fürs Bouldern. Bisher mussten sie dafür nach Frankfurt, Fulda oder Aschaffenburg fahren. Mit ihrer eigenen Boulderhalle haben sich die beiden Unternehmer einen Traum erfüllt.
Marc Ihl und Marco Köhler, Boulder Church Bad Orb
„Wir können jetzt quasi herlaufen, haben nur noch ein paar Meter und können da unserer Leidenschaft fröhnen. Und das ist wirklich ein supertolles Gefühl. – Für alle da draußen eigentlich toll als Beispiel dafür: Glaub an was und mach’s einfach und halte dran fest.“
Dran festhalten und sich ordentlich reinhängen – genau das haben die beiden in den drei Jahren Bauzeit getan. Eine Woche vor der Eröffnung werden die letzten Griffe angeschraubt, bei Bedarf nachjustiert und auch gleich in der Praxis erprobt. Wo es geht, packen die Chefs selbst mit an. Beim Umbau haben sie versucht, die Atmosphäre der Kirche zu bewahren. Einstige Kirchenbänke dienen etwa als Sitzgelegenheit in den Umkleiden, ehemalige Beichtstühle als Schuhlager und Expressumkleide. Das Kreuz ist verschwunden, die biblische Wandmalerei geblieben. Statt einer Orgel gibt es nun Fitnessgeräte vor sakralen Fenstern. Ziel: Eine Boulderhalle zu erschaffen, die …
Marco Köhler und Marc Ihl, Boulder Church Bad Orb
„…dieser Würde dieses Raums, dieser Kirche, entspricht. Zum anderen aber auch eine ganz massive Ruhe ausstrahlt. Dass man hier wirklich abends, wenn man sich hier noch ein bisschen Sportzeit gönnt, ganz tiefenentspannt ist und hier eine gute Zeit hat. – Genau. Und man sieht ja dieses tolle Licht, was wir hier tatsächlich erzeugen. Ich glaub, das ist fast einmalig.“
Eine halbe Million Euro kostet der Umbau zur Boulder Church, finanziert über Kredite und Fördergelder. Die örtliche Kirchengemeinde gibt ihren Segen. Immer weniger Gottesdienstbesucher, dazu ein maroder Turm – acht Jahre lang stand St. Michael nun leer. Ganz entweiht ist das Gotteshaus aber nicht. Eine kleine Kapelle soll künftig vor allem als Jugendkirche dienen.
Stefan Kümpel, Pfarrer Katholische Pfarrgemeinde Bad Orb
„Die Jugendlichen werden diesen Raum jetzt gestalten, nach ihren Ideen. Und nebenan, im ehemaligen Altarraum und der ehemaligen Sakristei, wird ein Projektraum entstehen für Jugendliche.“
Somit vereint die Boulder Church zwei Welten unter einem Dach. Die Betreiber sind sicher, dass ihr Konzept langfristig aufgeht. Dafür sollen auch Kurse, Kooperationen mit Kitas und Schulen sowie gesundheitsfördernde Therapieangebote sorgen.