Kommentar: „Dieser Koalitionsvertrag verhindert den Politikwechsel“

Das Warten hat ein Ende. Doch wie zufriedenstellend kann dieser doch große Kompromiss zwischen Union und SPD am Ende für die Wähler sein? Diese Frage können sie sich nur selbst beantworten. Eine klare Meinung dazu gibt es jetzt aber von unserem 17:30 Sat.1 live Chefredakteur Philipp Stelzner.

Die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sagte in ihrer Antrittsrede: „Der Kompromiss beweist die Stärke und Handlungsfähigkeit der Demokratie.“ Doch wer in den Koalitionsvertrag von Union und SPD blickt, stellt fest: Der Kompromiss ist der Feind der Konsequenz. Er verhindert den drastischen Politikwechsel, den Deutschland jetzt braucht – und den CDU und CSU im Wahlkampf versprochen haben. Wollte die Union nicht sofort alle Asylbewerber an den Grenzen zurückweisen? Jetzt soll das laut Koalitionsvertrag nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten geschehen. Also erst einmal gar nicht. Dieses Bündnis der Zaghaften traut sich keine grundlegende Steuer-, Renten- und Sozialreform zu. Die geplante Entlastung der Wirtschaft wird ihr nicht so viel Rückenwind bringen, wie sie braucht, um alle sozialen Wohltaten zu finanzieren. Von Wehrpflicht und Atomkraft ist keine Rede mehr. Viele wichtige Forderungen der Union wurden von der SPD weichgespült. Der Wahlergebnis-Zwerg hat sich als Verhandlungsriese erwiesen. Im Wahlkampf warnte die Union: Wenn die Parteien der Mitte verhindern wollen, dass die AfD an die Macht kommt, müssen sie in dieser Legislaturperiode die Probleme unseres Landes lösen. CSU-Chef Markus Söder sprach sogar von der „letzten Patrone der Demokratie.“ Doch der Koalitionsvertrag lässt befürchten: Union und SPD werden diesen letzten Schuss verballern. Damit hat die Union viele ihrer Wähler enttäuscht. Sie fragen sich, was sie eigentlich noch tun sollen, um einen drastischen Politikwechsel herbeizuführen. Der Koalitionsvertrag wirkt, als planten Union und SPD eine gemütliche Spazierfahrt. Aber wenn wir nicht endlich Vollgas geben, werden uns die Probleme des Landes und die Krisen dieser Welt links und rechts überholen.