Suche nach Nazi-Raubgut in Bad Wildungen

Das Dritte Reich hat nicht nur bleibende Spuren in Europa hinterlassen, sondern auch den Kunstmarkt verändert. Die Nazis haben im Zuge von Deportationen Hunderttausende Juden enteignet – und dabei auch Kunstgegenstände gestohlen. NS-Raubkunst wird vermutlich auch heute noch in vielen Museen ausgestellt. Deshalb wurde vor sieben Jahren der ‚Tag der Provinienzforschung‘ ins Leben gerufen – also ein Tag, der der Aufarbeitung der Enteignungen gewidmet ist. In Bad Wildungen und Eschwege geht man diesen Enteignungen jetzt auf den Grund.

Im Musikzimmer des Quellenmuseums in Bad Wildungen hängt dieses Gemälde aus dem Jahr 1867. Das Bild stammt von dem Künstler Wilhelm von Kaulbach und zeigt eine unbekannte Frau. Seit 1944 ist es im Besitz des Museums. Mutmaßlich handelt es sich um NS-Raubkunst.
Julia Heinzerling ist Provenienzforscherin. Sie untersucht Objekte nach ihrer Geschichte und findet so mehr über die Herkunft heraus. Aktuell befasst sie sich mit dem Kaulbach aus Bad Wildungen.
Julia Heinzerling, Provenienzforscherin
„Wenn das Gemälde sprechen könnte. Was könnte uns das sagen? Ist es ‚freiwillig‘ weiterverkauft worden? Wurde es aus einer Familie entrissen? Und das macht man, indem man herausfindet: Was sind die einzelnen Schritte gewesen die dieses Gemälde im Kunsthandel quasi abgegangen ist.“
Um die Geschichte des Gemäldes zu erfahren, wird es gründlich nach Hinweisen untersucht. Die befinden sich manchmal zwischen der Rückwand und dem Papier, meistens aber direkt auf der Rückseite des Rahmens.
Julia Heinzerling, Provenienzforscherin
„Hier sieht man dann verschiedene Provenienzhinweise, wie man das nennt. Zum Beispiel wurde das Gemälde in der Galerie am Lenbachplatz 1944 im April verkauft mit der Signatur 20206, dazu gab es ein Foto. Der Auktionskatalog ist derzeit nicht bekannt.“
Die Forscherin muss nun die Archive durchsuchen, um über diesen Hinweis herauszufinden, wer das Gemälde an die Galerie verkaufte. Verdächtig ist dabei, dass die Galerie erst wenige Jahre zuvor im Zuge der Arisierung den Besitzer gewechselt hat. Ein Indiz dafür, dass dort enteignete Kunst gehandelt wurde.
Julia Heinzerling, Provenienzforscherin
„Ob die Person, die das eingeliefert hat, auch wirklich die Person war, der das gehört hat, ist eine ganz andere Sache. Es kann zum Beispiel sein, dass es einer jüdischen Person gehört hat und das Gemälde enteignet wurde und dann von einer Person von der Gestapo oder so was, in der Galerie Zinckgraf eingeliefert wurde und dann verkauft wurde.“
Alleine in Bad Wildungen werden aktuell etwa 70 Objekte untersucht die womöglich NS-Raubkunst sein könnten. Darunter Gemälde, eine Thora aber auch jede Menge Bücher. Sollte sich der Verdacht bei einem Objekt bestätigen, tritt die Museumsleitung mit möglichen Nachfahren der ursprünglichen Besitzer in Kontakt.
Lisa Beutler, Museumsleiterin Städtische Museen Bad Wildungen
„Da schauen wir jetzt eben gibt es noch weitere Indizien, können wir die Besitzer ermitteln oder die Nachfahren und eben schauen wie gehen wir mit den Objekten um? Finden wir da eine Lösung? Können wir sie zurückgeben? Damit wir eben auch sicher sind mit unseren Sachen, die wir hier haben, dass wir wissen wie lautet die Herkunft und wie können wir es ausstellen, wie sollten wir es präsentieren?“
Dieser Koffer gehörte einmal der Jüdin Selma Hammerschlag. Sie überlebte den Holocaust und setzte sich danach für die Aufklärung der Verbrechen gegen die Juden ein. Ihre Nachfahren konnten ermittelt werden und gaben so ihr Einverständnis, dass der Koffer weiterhin in Bad Wildungen ausgestellt werden darf.
Nur ein Beispiel dafür, dass die Forschung auch heute noch wichtig ist. Vielleicht können auch die ursprünglichen Besitzer des Gemäldes ermittelt werden. Damit eine mögliche ungerechte Enteignung aufgeklärt werden kann.