Trotz Wahlkreis-Sieg nicht im Bundestag

Im Wahlkreis Darmstadt ist nicht nur die Siegerin des Direktmandats nicht in den Bundestag eingezogen, sondern auch sonst kein Politiker aus dem Wahlkreis. Heißt: Darmstadt ist mit keiner Stimme im neuen Bundestag vertreten. Und das hat große Auswirkungen auf die Stadt.

Der Darmstädter Hauptbahnhof. Viele Male ist Astrid Mannes hier schon angekommen. Die CDU-Politikerin pendelt zwischen Berlin und Darmstadt. Das letzte Mal vergangenen Dienstag. Denn da war Mannes dabei, als der Bundestag – noch in alter Zusammensetzung – das milliardenschwere Schuldenpaket beschlossen hat. Es war die letzte Abstimmung an der die 58-Jährige teilgenommen hat. Und auch die Pendelei hat für sie jetzt ein Ende.
Mannes hat bei der vergangenen Wahl das Direktmandat in Darmstadt gewonnen, bereits zum zweiten Mal. Und das in der Stadt, in der es Christdemokraten insgesamt überhaupt nur dreimal gelungen ist, den Wahlkreis zu gewinnen. Ein historischer Erfolg, der nicht belohnt wird. Denn Mannes darf nicht in den neuen Bundestag einziehen.
Astrid Mannes (CDU), Siegerin Direktmandat Wahlkreis Darmstadt
„Man war letztendlich schon darauf vorbereitet, dass dies so ein Wahlkreis ist, der dem neuen Wahlrecht zum Opfer fallen könnte, es war also nicht ganz überraschend. Aber trotzdem ist die Enttäuschung groß, wenn man so einen grandiosen Wahlsieg da hinlegt – mit 5 Prozent Vorsprung – und dann vor dem Nichts steht.“
Der Wahlkreis von Astrid Mannes, der Wahlkreis 185 – er besteht nicht nur aus der Stadt Darmstadt, sondern auch aus 14 weiteren Städten und Gemeinden aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg.
Rund 240.000 Menschen waren im Wahlkreis wahlberechtigt. Rund 203.000 von ihnen haben ihre Stimme auch abgegeben – also fast 85 Prozent. Doch ihre Erststimmen – sie werden keine Bedeutung haben.
„Widersinnig. Sollte man ändern in naher Zukunft.“
Jürgen Lang
„Ich finde es gut, dass das Parlament nicht mehr ganz so groß ist, wie es mal war. Weil es sind ja auch wahnsinnige Kosten die da entstehen und insofern finde ich es von daher gar nicht schlecht, dass es so ist. Ob es die beste Lösung ist, ist mal noch die Frage.“
Patrik Neumann
„Ich bin zwar kein Darmstädter, aber Landkreis und der ist ja auch betroffen und das finde ich natürlich eine etwas unglückliche Konstellation, dass das gerade in Südhessen so massiv der Fall war.“
Bei vier Wahlkreisen in Südhessen ist es so, dass der gewählte Direktkandidat nicht im neuen Bundestag sitzen wird.
Denn hier müssen viele Stühle weichen. Auch der von Astrid Mannes. Und nicht nur sie wird nicht im Bundestag sitzen, aus Darmstadt ist auch niemand über die Landesliste einer anderen Partei eingezogen. Als einer von deutschlandweit vier Wahlkreisen wird der Wahlkreis Darmstadt im Bundestag damit gänzlich verwaist sein. Und das wird Folgen haben.
Astrid Mannes (CDU), Siegerin Direktmandat Wahlkreis Darmstadt
„Es geht immer darum, dass man gut vernetzt ist in Berlin. Man erfährt viel früher als viele andere, wo es Fördermittel des Bundes gibt, wo neue Förderprogramme auferlegt sind und dann kann man entsprechend die Institutionen im Wahlkreis direkt dann auch informieren, die würden das manchmal sonst gar nicht mitbekommen. Also da hängt schon sehr, sehr viel dran.“
Das befürchtet auch der Darmstädter Oberbürgermeister Hanno Benz. Es werde nun schwieriger werden an Fördermittel zu kommen – für zum Beispiel den Ausbau von Glasfasernetzen oder Bundesstraßen.
Dazu kommt: Die Bezuschussung für Klassenfahrten und Gruppenfahrten in den Bundestag fallen weg. Sowohl für den Bürger als auch für die Stadt gilt jetzt:
Hanno Benz (SPD), Oberbürgermeister Darmstadt
„Das ist keine gute Situation. Das heißt, wir haben keinen direkten Abgeordneten aus unserer Stadt in Berlin, mit dem wir Fragen, die die Stadt betreffen, direkt klären können. Und deshalb brauchen wir Alternativen.“
Der Landrat des Kreises Darmstadt-Dieburg hat deshalb ein Regionalbüro Südhessen ins Spiel gebracht, das in der hessischen Landesvertretung in Berlin angesiedelt sein könnte. Ein Vorschlag, den auch Hanno Benz unterstützt.
Und auch wenn es die SPD-geführte Ampelregierung war, die die Wahlreform beschlossen hatte – der Oberbürgermeister, selbst SPD-Mitglied, sagt: Es brauche dringend Nachbesserungen.
Hanno Benz (SPD), Oberbürgermeister Darmstadt
„Es muss sichergestellt sein, dass alle Regionen und alle Wahlkreise auch künftig in Berlin vertreten sein werden. Das ist mein Anspruch an die nächste Bundestagswahl.“
So sieht das auch Astrid Mannes. Ihr Vorschlag: Die Wahlkreise vergrößern, damit jeder gewählte Direktkandidat sicher in den Bundestag einziehen kann. Sonst sähe es künftig düster aus für die deutschen Großstädte.
Astrid Mannes (CDU), Siegerin Direktmandat Wahlkreis Darmstadt
„Weil in den Städten treten immer mehr Kandidaten und mehr Parteien an als in den ländlichen Räumen. Und deshalb sind hier automatisch die Ergebnisse immer knapper und das sind dann automatisch auch immer die Streichergebnisse. Also das liegt in der Natur der Sache“
Wie es für Astrid Mannes jetzt beruflich weitergeht, weiß sie noch nicht. Sie hofft, dass die Wünsche ihres Wahlkreises in Berlin doch auch weiter Gehör finden – auch wenn man gewählte Abgeordnete aus Darmstadt im Bundestag jetzt vergeblich sucht.