FDP will Sondervermögen noch stoppen

Gestern Nachmittag war klar: Das milliardenschwere Schuldenpaket für Verteidigung und Infrastruktur hat die erste Hürde im Bundestag genommen. Union und SPD erreichten mit Hilfe der Grünen die benötigte Zweidrittel-Mehrheit. Doch während viele Landesregierungen sich auf mehr finanzielle Spielräume freuen, regt sich auch Widerstand gegen diese Lockerung der Schuldenbremse, beispielsweise bei der FDP in Hessen.

Denn das Finanzpaket des Bundes umfasst historisch hohe neue Schulden: Die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent der Wirtschaftsleistung aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden. Alles darüber kann aus Krediten finanziert werden.
Außerdem gibt es ein sogenanntes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die  Infrastruktur.Diese sollen auch dazu dienen, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.
Und: Die Länder erhalten mehr Spielraum um Schulden aufzunehmen.
Doch final beschlossen ist noch nichts. Denn auch der Bundesrat muss bei seiner nächsten Sitzung am Freitag den Grundgesetzänderungen noch mit einer Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Genau das wollen die freien Demokraten in fünf Bundesländern mit Verfassungsklagen verhindern, darunter auch die FDP-Fraktion in Hessen.
Stefan Naas (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Wir sind der Auffassung, dass hier die Rechte des Landtages beschnitten werden und auch die Rechte des hessischen Volkes. Denn diese Schuldbremse ist ja in der hessischen Verfassung besonders niedergelegt und die kann eben nur durch Volksentscheid geändert werden.“
Doch die schwarz-rote Landesregierung in Hessen will dem Schuldenpaket im Bundesrat zustimmen. Die Argumentation des Finanzministers: „Bundesrecht bricht Landesrecht“, also seien die Pläne des Bundes gewichtiger als die Hessische Schuldenbremse.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident hatte gestern im Bundestag für das Schuldenpaket appelliert. Der Koalitionspartner FDP allerdings hält wenig von den geplanten Schulden.
Philipp Fernis (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag Rheinland-Pfalz:
„Herr Schweitzer hat gestern im Bundestag ja das Investitionspaket begrüßt. Ich verstehe auch, dass man begrüßt, wenn Mittel nach Rheinland-Pfalz kommen. Gleichzeitig mache ich halt sehr klar: Das darf nicht weiter zulasten der jungen Generation gehen. Das heißt, wenn dann müssen das echte Investitionen in Infrastruktur, in Zukunftsfragen und in die zukünftige wirtschaftliche Stärke unseres Landes sein.“
Fernis hofft auf eine Enthaltung der Landesregierung im Bundesrat am Freitag.
Die Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz haben eine klare Meinung zu neuen Schulden. Sie stehen zur Schuldenbremse, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende.
Hugo Schwartz, stell. Landesvorsitzender Junge Liberale Rheinland-Pfalz
„Wir als Junge Liberale, wir sagen konkret Nein zu diesem Schuldenpaket. Mit diesen kurzfristigen Wahlgeschenken wird eben der Wohlstand von morgen geopfert. Wir erwarten von der Landesregierung Rheinland-Pfalz, dass sie da ein klares Signal für nachhaltige Finanzen setzen wird. Wir fordern konkret, dass sich die Landesregierung ihrer Zustimmung im Bundesrat verweigern soll oder zumindest sich enthalten soll.“
Am Ende wird es aber auf die Stimmen von Rheinland-Pfalz nicht ankommen. Denn die Länder, in denen CDU, CSU, SPD und Grüne mitregieren, reichen für eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundesrat. Vorausgesetzt, sie werden nicht noch durch die Verfassungsklagen der FDP-Fraktionen an einer Zustimmung gehindert.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Über die aktuelle Lage spreche ich jetzt mit der Fraktionsvorsitzenden der hessischen FDP, mit Wiebke Knell. Guten Abend, schön, dass Sie hier sind.
Wiebke Knell (FDP), Fraktionsvorsitzende Landtag Hessen:
Vielen Dank für die Einladung.
Dieterle:
Frau Knell, ist es nicht längst überfällig, dass endlich mehr investiert wird in Verteidigung, aber auch in die Infrastruktur? Warum stellt sich die Bundes-FDP denn generell gegen dieses Schuldenpaket?
Knell:
Wir sehen als Freie Demokraten natürlich die Notwendigkeit von Investitionen sowohl in die Verteidigungsfähigkeit dieses Landes, gerade wegen der weltpolitischen Lage – wir müssen mehr investieren, und das wurde über Jahrzehnte auch versäumt – als auch in die Infrastruktur auch da: Wir haben marode Brücken und Straßen und es fehlt an allen Ecken und Enden. Aber die Frage ist, wie man Gelder einsetzt und wie man die sich beschafft. Und das, was gestern im Bundestag passiert ist, das ist ja schon historisch und aus unserer Sicht historisch schlecht, weil eine unvorstellbare Summe da aufgenommen wurde. Fast 1 Billion Schulden, das ist wahnsinnig, Das geht zulasten der künftigen Generationen. Und da sehen wir wirklich ein Problem, auch nicht beim Ziel, sondern beim Weg, der gerade bestritten wird.
Dieterle:
Sie sagen, es geht zulasten der kommenden Generationen. Sie sehen Investitionsbedarf, aber der muss natürlich groß sein, weil wir jetzt schon einen Sanierungsstau haben und nicht zu investieren in die Infrastruktur belastet doch die kommenden Generationen mindestens ebenso.
Knell:
Das stimmt. Und klar, wir müssen investieren, auch in die Infrastruktur. Aber am Ende gibt es ja auch normale Haushalte. Und das sind eigentlich Punkte, die in einen normalen Haushalt reinmüssen. Und Aufgabe der Politik ist es auch, Prioritäten zu setzen. Und da muss man eben sich Gedanken machen, wie man Gelder klug investiert. Aber das, was jetzt passiert, also dass man diese Milliarden aufnimmt und gar nicht weiß, wo letztendlich dieses Geld landet, das finde ich schwierig. Das öffnet Tor und Tür für die Finanzminister ja sowohl auf Bundes als auch auf Landesebene. Und das halten wir einfach für den falschen Weg und auch nicht für generationengerecht.
Dieterle:
Aufgabe der Politik ist es auch, sich klar zu positionieren. Wie finden Sie es, dass sich die FDP in Rheinland-Pfalz nicht so klar positioniert in diesem Punkt?
Knell:
Also die FDP im Bund und auch in den Ländern ist geschlossen in der Frage der Beurteilung der gestrigen Versammlung im Bundestag und über dieses Milliardenpaket. Das finden wir alle falsch. Und auch die Kollegen hier in Rheinland-Pfalz haben ja ganz klar gesagt, dass sie auch sehen, dass das ja im Prinzip Geschenke für die Wählerschaft sind. Aber natürlich ist die Fraktion hier in Rheinland-Pfalz in einer anderen Rolle. Wir sind in Hessen in der Opposition, genauso wie die anderen Länder, die gegen dieses Verfahren gerade klagen. Und in Rheinland-Pfalz ist die FDP Teil einer Landesregierung, und deswegen kann sie schlecht auch gegen die eigene Landesregierung klagen. Aber ich denke, inhaltlich sind wir da einer Meinung.
Dieterle:
Okay, bleiben wir in Hessen, schauen auf das Argument des Finanzministers, auf das Argument von Alexander Lorz. Er sagt ja, Bundesrecht sticht eben nun mal Landesrecht. Was sagen Sie dazu?
Knell:
Er hat recht damit, dass eigentlich der Bund über den Ländern steht. Aber hier wird ja wirklich vom Bund in Landesrecht eingegriffen, in die Landesverfassung. Und wir haben in Hessen die besondere Situation, dass die Hessinnen und Hessen 2011 eine Volksabstimmung gemacht haben. Und sie haben sich ganz klar mit 70 % für die Schuldenbremse ausgesprochen. Und das, was jetzt passiert, das ist ein Ignorieren des Wählerwillens. Und das können wir eigentlich so nicht zulassen, dass hier einfach in die Länderautonomie eingegriffen wird durch den Bund.
Dieterle:
Wenn Ihre Klage scheitern sollte, das Finanzpaket am Freitag durch den Bundesrat kommt – machen Sie es uns mal plastisch. Welche Konsequenzen befürchten Sie denn? Was wird das für Hessen denn bedeuten aus Ihrer Sicht?
Knell:
Es wird alles teurer werden, und zwar für jeden Einzelnen. Wir sehen es aktuell schon. Die Zinsen steigen, weil jede Milliarde, die jetzt aufgenommen wird, muss ja irgendwann auch wieder zurückbezahlt werden. Und das belastet ja meine Kinder. Da denke ich auch mit Sorge daran, was wir auch für einen Schuldenberg dann hinterlassen. Aber es trifft eben jede Bürgerin, jeden Bürger. Sie müssen alles bezahlen und das wird uns irgendwann einholen und deswegen halten wir das für falsch. Die Politik muss klug investieren und handeln, muss sorgsam mit dem Geld der Menschen umgehen. Das tut sie aktuell nicht.
Dieterle:
Wir sind gespannt, was am Freitag passiert. Frau Knell, vielen Dank, dass Sie heute so spontan Zeit hatten für dieses aktuelle Thema.
Knell:
Sehr gerne.