Lage der rheinland-pfälzischen Wirtschaft – Präsidentin der IHK Koblenz Gast im Studio

Deutschlands Wirtschaft schrumpft. Und Rheinland-Pfalz ist im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum aktuell das Schlusslicht im Bundesvergleich. Zu viel Bürokratie, fehlende Fachkräfte und zu hohe Energiekosten werden immer wieder als Hauptgründe für die schwächelnde Entwicklung genannt. Wir haben uns die Sorgen der Unternehmen beispielhaft angeschaut. In Mündersbach im Westerwald.

Hier fliegen die Funken. Bei EWM, einem der Technologieführer im Bereich Schweißtechnik. Das Familienunternehmen beschäftigt weltweit 800 Mitarbeiter, davon 250 hier am Hauptsitz in Mündersbach im Westerwald. 60% seiner Produkte exportiert das Unternehmen ins Ausland, vor allem nach Österreich, Großbritannien, Frankreich und Italien.
Susanne Szczesny-Oßing, Vorstandsvorsitzende EWM
„Wir messen uns im Wettbewerb mit den besten der Welt. Unsere Wettbewerber kommen aus Deutschland, dem europäischen Ausland, USA und zunehmend auch China und da müssen wir gut gerüstet sein.“
In Deutschland ansässig zu sein, biete Unternehmen dafür aktuell allerdings nicht die besten Voraussetzungen, sagt die Firmenchefin. Der Grund: Hohe Steuern, hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und viel Bürokratie. Ein Beispiel:
EWM fertigt für seine Kunden sogenannte Stromquellen für Schweißtechnik, die aus diversen Einzelteilen zusammengebaut werden. Wegen des EU-Lieferkettengesetzes muss EWM für jedes dieser Einzelteile nachweisen und dokumentieren, dass es beispielsweise nachhaltig und ohne Kinderarbeit produziert worden ist.
Frank Bartels, Technischer Geschäftsführer EWM
„Irrer Aufwand, kostet unglaublich viel und in einem globalen Markt für uns als Mittelständler natürlich eine riesige Herausforderung, weil Sie dadurch natürlich einen Kostennachteil haben, da Sie Leute brauchen, die das tun.“
Die angespannte Wirtschaftslage lasse Unternehmen zurückhaltender werden, was große Investitionen angeht. Als Zulieferer für diverse Industrieunternehmen, bekommt EWM das unmittelbar zu spüren.
Gleichzeitig will und muss das Unternehmen kontinuierlich in die Weiterentwicklung seiner Produkte und Mitarbeiter investieren, um seine Spitzenposition im Bereich der Schweißtechnik zu halten. 10% des Firmenumsatzes fließen aktuell in Forschung und Entwicklung.
Umso wichtiger sei auch eine staatliche Technologieförderung, sagt Vertriebschef Thomas Häusle. Aber:
Thomas Häusle, Geschäftsführer Vertrieb EWM
„Das eine ist, dass generell die Fördertöpfe viel kleiner sind als in manch anderen Ländern und andererseits der Zugriff darauf in Deutschland viel bürokratischer ist.“
Den Kopf in den Sand stecken, will man bei EWM trotzdem nicht. Es brauche unternehmerischen Mut, Investitionen und Zuversicht. Und dann – so ist man sich hier im Westerwald sicher – stehen den deutschen Unternehmen auch wieder bessere Zeiten bevor.
———–
Markus Appelmann, Moderator:
Zumindest zuversichtlich bleibt man. Susanne Szczesny-Oßing ist bei uns im Studio. Gerade eben haben wir Sie als Chefin gesehen, Sie sind auch IHK-Präsidentin in Koblenz und sprechen für die IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz für 260.000 Unternehmen. Herzlich willkommen!
Susanne Szczesny-Oßing, Präsidentin IHK Koblenz :
Guten Abend, Herr Appelmann.
Appelmann:
Frau Szczesny-Oßing, wo drückt der Schuh? Wo sind Ihre drängendsten Probleme derzeit?
Szczesny-Oßing:
Ganz ehrlich, er drückt überall. Wenn man sich anschaut, dass wir in einer strukturellen Wirtschaftskrise sind, dass wir marode Infrastruktur haben, dass wir einen demografischen Fachkräftemangel haben, Bürokratie-Hemmnisse allenthalben jeden Tag in unserem praktischen Unternehmerleben und auch der Standort Deutschland insgesamt schlechter dasteht, was Arbeitskosten und auch Steuern angeht.
Appelmann:
Da haben Sie und viele Themen mitgebracht, die wir jetzt auch einzeln erörtern wollen. Lassen Sie uns mit dem Thema Bürokratie starten. Ministerpräsident Alexander Schweitzer hat so quasi als erste Amtshandlung ein Bürokratieabbau-Paket auf den Weg gebracht. Also Bauen soll einfacher werden, Förderprozesse weniger aufwendig und die Zusammenarbeit mit der Verwaltung unkomplizierter. Ist es das, was Sie brauchen?
Szczesny-Oßing:
Ja, also ein erster Schritt ist das auf jeden Fall auch für die Wirtschaft. Wir unterstützen das sehr, auch als IHK-Arbeitsgemeinschaft. Man muss sich die Details allerdings noch mal ein bisschen anschauen. Es stehen 57 Maßnahmen des Paketes auf der Landesseite beschrieben. Wenn man da genauer hinguckt, ist das alter Wein in neuen Schläuchen.
Appelmann:
Aber Sie haben doch bestimmt im Kleingedruckten nachgelesen und haben Herrn Schweitzer dann mal angerufen, dass vielleicht doch noch nachgebessert werden muss.
Szczesny-Oßing:
Ja, wir sind ja im ständigen Austausch mit der Landesregierung und so auch mit Herrn Schweitzer. Aber ich will vielleicht ein Beispiel mal nennen Die Landesregierung feiert im Moment den digitalen Bauantrag. Das ist die Vereinfachung, die auf der Landesseite steht, und das ist sicher ein Beginn. Aber wenn man genauer hinschaut, das ist ein Pilotprojekt, das erst mal nur in Trier stattfindet. Es geht nur um die vereinfachten Bauanträge. Und das heißt, für die Wirtschaft springt eigentlich nicht viel bei raus, weil Sie können kein einziges Industrieunternehmen über diesen digitalen Bauantrag abwickeln.
Appelmann:
Da wird’s einem dann schon ein bisschen klarer. Lassen Sie uns auch über das große Thema Energie sprechen. Rheinland-Pfalz will fünf Jahre vor dem Bund schon klimaneutral sein, also im Jahr 2035. Beim CO2 muss also in den kommenden fünf Jahren so viel eingespart werden wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Ist das denn möglich für die energieintensiven Unternehmen hier in Rheinland-Pfalz?
Szczesny-Oßing:
Also wir halten das für ein sehr großes Risiko und sehr ambitioniert, hier nochmal fünf Jahre vor der Bundesregierung fertig oder vor dem Bund fertig sein zu wollen, weil unser Energiebarometer, was wir in der IHK abfragen, in der Wirtschaft zeigt deutlich, dass 40  % der Unternehmen das als besonders kritische Situation sehen, dass sie eben keine verlässlichen Rahmenbedingungen zu der Energie haben, zu Energiepreisen und zur Energieversorgung. Und dass man nicht einstellt, nicht produzieren kann und eher Abwanderungsgedanken hat aus Rheinland-Pfalz wegen dieser unsicheren Lage.
Appelmann:
Sie sagen es gerade, Planungssicherheit brauchen die Unternehmer, damit sie Investitionen tätigen und nicht abwandern. Was muss denn da passieren im Land, damit das nicht geschieht?
Szczesny-Oßing:
Also Frau Schmitt, die Wirtschaftsministerin, hat aus unserer Sicht im Juni dieses Jahres einen sehr guten Ansatz gehabt. Sie hat 50 Unternehmen, Kammern, Verbände zusammengebracht, um eine Art Manifest zu unterzeichnen, um nochmal niederzuschreiben, dass in Rheinland-Pfalz energieintensive Industrie auch wirklich gewünscht ist und unterstützt wird. Es darf halt nicht bei Sonntagsreden und Lippenbekenntnissen bleiben, sondern wir brauchen wirklich einen politischen Willen, der das umsetzt.
Appelmann:
Da ist die Frau Schmitt, die Wirtschaftsministerin, vorangegangen. Haben Sie das Gefühl, dass die ganze Landesregierung dahintersteht?
Szczesny-Oßing:
Nein, das ist exakt nicht unser Gefühl, weil andere Prioritäten gesetzt werden. Also die Wirtschaftsministerin allein wird das auch nicht reißen können, sondern es braucht wirklich den Willen und die Umsetzung einer konzertierten Aktion durch die Landesregierung. Das ist nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Wir sehen, dass eigentlich etwas anderes durchs Dorf getrieben wird, nämlich die Verschärfung eines eigenen Landesklimaschutzgesetzes in Rheinland-Pfalz, wie wir gerade gesehen haben, dass eben nochmal fünf Jahre schneller fertig sein soll als der Bund.
Appelmann:
Zum Abschluss: Der Internationale Währungsfonds hat das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr schon wieder nach unten korrigiert. In diesem Jahr sprechen wir sowieso nur von Stagnation. Welcher Ruck muss nun durch Rheinland-Pfalz gehen, damit es vielleicht endlich wieder aufwärts geht?
Szczesny-Oßing:
Ein wirklicher Weckruf. Also was ich in meiner Zeit – seit 2017 begleite ich das Amt der IHK-Präsidentin – nicht verändert hat, ist, dass wir gebetsmühlenartig genau die Themen, die wir heute hier besprechen, vortragen. Und es ändert sich nichts. Also es muss ein Ruck durch alle Instanzen gehen. Wir aus der Wirtschaft wollen unseren Teil dazu beitragen. Wir müssen genauso mitmachen, klimaneutral zu werden. Wir wollen nichts auf die lange Bank schieben, aber es muss verträglich und an den Realitäten gemessen werden. Und das heißt, wenn wir keine Reform-Agenda auf allen Bereichen Land, Bund, Europa bekommen, dann sehen wir nicht gut aus im internationalen Vergleich und werden weiter hinten abfallen. Und was das bedeutet für das Land, möchte ich hier heute nicht noch schwärzer malen, als es schon ist.
Appelmann:
Klare Worte von der IHK-Präsidentin in Koblenz, Susanne Szczesny-Oßing. Danke, dass Sie bei uns waren.
Szczesny-Oßing:
Ich danke Ihnen.