Studiogespräch mit Hessens Innenminister Roman Poseck über Sicherheitslage, Klimakleber und Islamisten
Einfach so auf das Rollfeld des Frankfurter Flughafens kommen? Das ist nicht möglich – zumindest haben das bis gestern viele gedacht und wurden eines Besseren belehrt. Klimakleber der sogenannten letzten Generation haben sich illegal Zutritt verschafft und sich auf dem Rollfeld festgeklebt. Sie mussten von der Bundespolizei entfernt werden. Und – wie heute bekannt wurde – sind bereits alle wieder auf freiem Fuß. Doch was sich nicht so schnell lösen wird, wie der Sekundenkleber, ist die Kritik an den offensichtlichen Sicherheitsmängeln. Darüber spricht Eva Dieterle mit dem hessischen Innenminister.
Taschen ablegen, Jacke und Gürtel ausziehen. Wer in ein Flugzeug steigen will, muss sich vorher strikten Sicherheitskontrollen unterziehen. Auf das Rollfeld zu kommen, scheint einfacher zu sein.
Zumindest haben das gestern sieben sogenannte Klimakleber der letzten Generation geschafft. Am frühen Donnerstagmorgen durchtrennen sie den Maschendrahtzaun, kleben sich auf den Rollbahnen fest und bringen den Flugverkehr damit vorrübergehend komplett zum Erliegen. Über 270 Flüge fallen laut Flughafenbetreiber aus. Mitten in der Ferienzeit.
Andreas, Urlauber am Frankfurter Flughafen
„Uns platzt die Hutschnur. Weil wir uns ein Jahr lang auf einen tollen Urlaub freuen. Hatten große Vorbereitungsarbeiten. Nehmen viel Geld in die Hand. Und so ein paar Idioten kleben sich einfach hin und halten hier den ganzen Verkehr auf.“
Bundes- und Landespolitiker verurteilen die gestrige Aktion scharf, bezeichnen die Klimakleber als Straftäter.
Der Flughafenbetreiber Fraport prüft rechtliche Schritte gegen die Eindringlinge. Auf unsere Frage, wie man solche Vorkommnisse künftig verhindern will, gibt sich das Unternehmen schmallippig und teilt schriftlich mit, in engem Austausch mit den Behörden und Sicherheitskräften zu sein. Aber:
Fraport AG
„Zu Einzelheiten der Sicherheitsmaßnahmen können wir, mit der Bitte um Verständnis, aus Sicherheitsgründen keine detaillierten Angaben machen.“
Ob man die Sicherheitsvorkehrungen in Frankfurt nach ähnlichen Aktionen der Klimakleber in Hamburg und Düsseldorf im Sommer 2023 erhöht habe, lässt Fraport unbeantwortet.
Der Frankfurter Flughafen erstreckt sich über ein Gelände von 24 Quadratkilometern und wird von einem 30 Kilometer langen Zaun geschützt, der offenkundig an manchen Stellen überwindbar ist.
Das muss sich ändern. Darüber sind sich alle einig. Auf das Rollfeld des Frankfurter Flughafens zu kommen, soll künftig nicht mehr so leicht sein wie gestern Morgen.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Ja, der Flugverkehr läuft wieder. Und trotzdem sind noch einige Fragen offen. Und genau deshalb begrüße ich jetzt bei mir den hessischen Innenminister Roman Poseck. Herzlich willkommen!
Roman Poseck (CDU), Innenminister Hessen:
Guten Tag, Frau Dieterle!
Dieterle:
Herr Poseck, die erste Frage muss sein: Wie kann so was in Frankfurt passieren?
Poseck:
Der Frankfurter Flughafen hat hohe Sicherheitsstandards. Wir haben es gehört. Der gesamte Flughafen ist eingezäunt, das sind 37 Kilometer. Das ist die Fläche oder der Weg von Frankfurt bis nach Wiesbaden. Aber in der Tat, dieser Vorfall gestern hat auch Sicherheitsdefizite offengelegt und ich glaube, es ist wichtig, diesen Vorfall jetzt auszuwerten und die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Ich habe jedenfalls auch die Erwartung an den Flughafenbetreiber, dass die Sicherheit noch einmal erhöht wird, dass es nicht so leicht in Zukunft ist, auf das Rollfeld dieses Flughafens zu gelangen.
Dieterle:
Jetzt haben sich sieben Klimakleber gestern Zutritt verschafft auf den größten Flughafen Deutschlands. Einfach so. Das hätten natürlich auch Attentäter sein können oder Terroristen.
Poseck:
Also es ist festzuhalten, dass es ja sehr schnell aufgefallen ist, dass es Menschen auf dem Rollfeld, dass es Menschen auf dem Flughafengelände gibt. Von daher haben die Sicherheitsmaßnahmen schon gegriffen, jedenfalls auf dem Flughafengelände. Aber in der Tat , terroristische Gefahren sind noch mal größere Gefahren als die, die von diesen Klimakriminellen ausgehen, und die Flughäfen sind neuralgische Sicherheitspunkte. Deshalb gibt es ja hohe Sicherheitsstandards im Flughafengebäude. Und wir brauchen diese hohen Sicherheitsstandards an allen Orten. Das heißt, auch außerhalb des Flughafens, auch bei der Einzäunung. Und deshalb noch einmal: Meine Erwartung ist, dass dort nachgelegt wird, dass es stabilere Zäune gibt oder dass es weitere Sicherheitsmaßnahmen gibt, zum Beispiel durch elektronische Sicherungen, die dann Alarm geben durch entsprechende Beleuchtungen, die angehen. Da gibt es Möglichkeiten, und ich glaube, das ist jetzt die Aufgabe, das auch zu ergreifen, damit sich so etwas wie gestern nicht wiederholt und vor allen Dingen niemals Terroristen so auf das Flughafengelände gelangen.
Dieterle:
Das ist alles nicht nur Ihre Erwartung, sondern auch die Erwartung zum Beispiel der Deutschen Polizeigewerkschaft. Wir haben hier gestern dazu ein Interview geführt und die Deutsche Polizeigewerkschaft hat Forderungen an den Flughafenbetreiber, aber auch an die Politik. Und die hören wir uns jetzt noch mal kurz an wir schauen mal rein.
Manuel Ostermann, stv. Vorsitzender Deutsche Polizeigewerkschaft
“Wir dürfen da natürlich nicht im Wirtschaftssektor denken, sondern im sicherheitsspezifischen Sektor. Sicherheit kostet Geld, ist aber essenziell wichtig bei solchen sensiblen Infrastrukturen. Deswegen ist es auch wichtig, dass es staatliche Instrumente gibt, die nicht wirtschaftlich abhängig sind wie der Flughafenbetreiber, sondern wo es rein um die Sicherheit geht. Und da darf Geld in dieser Hinsicht keine Rolle spielen.
Dieterle:
Herr Poseck, hat Herr Ostermann Recht? Darf Geld beim Thema Sicherheit keine Rolle spielen?
Poseck:
Ich teile die Auffassung von Herrn Ostermann. Sicherheit darf keine Frage des Geldes sein. Sicherheit muss gewährleistet werden, egal was es am Ende auch kostet. Deshalb ist hier auch der Flughafenbetreiber, also die Fraport, in der Pflicht, zu prüfen und auch zu handeln. Und dabei darf Geld auch keine Rolle spielen. Die Sicherheitsmaßnahmen im Flughafengebäude, die kosten auch viel Geld und dann darf natürlich nicht bei der Außensicherheit irgendwie gespart werden. Ich setze auf die Eigenverantwortung des Flughafenbetreibers, dass er selbst hier aktiv wird. Die Bundesregierung hat aber auch angekündigt, gegebenenfalls im Verordnungswege Vorgaben an die Flughafenbetreiber zu machen, dass sie mehr in puncto Sicherheit, mehr in punkto Außensicherheit tun.
Dieterle:
Schauen wir noch mal kurz auf die Aktion an sich, auf die Klimakleber. Sollte es auf eine solche Aktion nicht eine Mindeststrafe geben?
Poseck:
Ich bin jedenfalls für harte Strafen, denn das ist schwerwiegendes kriminelles Unrecht, was hier geschehen ist. Wir haben gesehen, dass davon sehr viele Menschen betroffen sind. Wir haben gesehen, dass es zu immensen wirtschaftlichen Schäden gekommen ist. Und natürlich gefährden diese Aktionen auch Menschenleben. Deshalb ist es schwerwiegendes Unrecht, das entsprechend bestraft werden muss. Das muss sich in den Strafrahmen ausdrücken. Das muss aber auch durch die Justiz in den entsprechenden Verfahren zur Geltung gebracht werden. Die Bundesregierung plant ja eine Anhebung der Strafen gerade auch für diese Vorkommnisse. Das ist eine Folge der Aktion, die es in Hamburg vor einigen Monaten gegeben hat. Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundesgesetzgeber jetzt schon dieses Gesetz auch so gefasst hätte. Dann würden jetzt höhere Strafen drohen. Dieses neue Gesetz kommt zu spät. Wir brauchen hier ein entschlossenes Handeln der Politik, und das hat die Bundesregierung leider an dieser Stelle nicht an den Tag gelegt.
Dieterle:
Herr Poseck, Sie bleiben noch bei uns, denn wir haben ein weiteres Thema. Bei diesem Thema hat der Staat hart durchgegriffen und hat das Islamische Zentrum Hamburg verboten. Es gab bundesweite Razzien, unter anderem auch in Bad Homburg und in Frankfurt.
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Vor zwei Tagen haben 80 Einsatzkräfte der Polizei das „Zentrum der Islamischen Kultur“ in Frankfurt-Rödelheim durchsucht. Ziel sind der Vereinssitz und die Wohnräume zweier Vereinsvorstände. Die Aktion war Teil einer bundesweiten Razzia gegen den schiitischen Moschee-Verein „Islamisches Zentrum Hamburg“ und Teilorganisationen in acht Bundesländern.
Ihn hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch verboten, denn er richte sich „gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetztes“ und „propagiere die Errichtung einer autoritär theokratischen Herrschaft“. Das IZH sei zudem ein verlängerter Arm des iranischen Revolutionsführers und habe Gewalttaten der Terrororganisation Hamas verherrlicht.
Ein überfälliges Verbot, findet Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam.
Prof. Susanne Schröter, Forschungszentrum Globaler Islam
„Man hat da tatkräftig die Augen geschlossen. Dass das jetzt anders wird, wahrscheinlich unter dem Druck auch, dass da massiv antisemitische Propaganda gepredigt wird – das ist erfreulich. Und ich hoffe, dass man da in Zukunft auch gegenüber solchen Akteuren, die extrem demokratiefeindlich sind, etwas konsequenter vorgeht.“