Prozess gegen IS-Rückkehrerin startet

Es ist der 30. März dieses Jahres, als Sahra M. am Frankfurter Flughafen festgenommen wird. Von dort soll sie sich im Jahr 2014 auf den Weg gemacht haben, um sich der Terrororganisation Islamischer Staat anzuschließen. Heute beginnt am Oberlandesgericht Koblenz der Prozess gegen die 27-Jährige aus Idar-Oberstein.

„Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ – so lautet die Anklage gegen Sahra M. Zwischen 2014 und 2019 soll sie Mitglied beim sogenannten „Islamischen Staat“ gewesen sein. Vor acht Jahren habe sie sich mit ihrem Bruder und dessen nach islamischen Recht verheirateten Frau auf den Weg nach Syrien gemacht, um sich der Terrororganisation anzuschließen. Dort soll sie dann drei IS-Kämpfer geheiratet und sich um den gemeinsamen Haushalt gekümmert haben. Dadurch habe sie ihren Männern ermöglicht, für den IS zu kämpfen. Zwei von ihnen sind im Gefecht gestorben, von dem anderen ließ sie sich scheiden, so die Anklageschrift.
Christopher do Paco Quesado, Oberstaatsanwal
„Frauen kamen im Rahmen der Struktur des Islamischen Staates eine ganz wesentliche Rolle zu, weil sie den Rückhalt für die Männer, die Kämpfen sollten, bilden sollten. Und sie sollten zugleich auch Kinder auf die Welt bringen, diese im Sinne des Islamischen Staates und der Ideologie, die diese Organisation vertritt, erziehen, um damit quasi den Nachwuchs für die terroristische Vereinigung zu organisieren.“
So habe Sahra M. in Syrien zwei Kinder bekommen, eins sei kurz nach der Geburt gestorben. Des Weiteren soll sie noch Propaganda für den IS betrieben haben.
Sahra M ist die Schwägerin von Lisa R., die vor dem Oberlandesgericht Koblenz bereits wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist. Die beiden sind laut Anklage gemeinsam nach Syrien gereist und hätten auch zusammen gewohnt. Heute kündigt Sahra M. an, sich am nächsten Prozesstag zu den Vorwürfen äußern zu wollen.
Michael Sertsöz, Verteidiger Sahra M.
„Die Angeklagte wird sich aller Voraussicht nach überwiegend geständig Einlassen, davon ist auszugehen. Sie hat am Verbandsleben teilgenommen, war da eingeflochten als Ehefrau von verschiedenen Kämpfern, wir haben das heute alle in der Anklage gehört. Das ist ein ganz klarer Fall von einer mitgliedschaftlichen Betätigung. Ich gehe davon aus, dass sie das einräumen wird, allerdings in Nuancen dann auch die eine oder andere Veränderung vornehmen wird.“
Zum Beispiel wolle sie über ihre Zeit im Gefangenlager berichten, in das sie 2019 von kurdischen Soldaten gebracht worden sei.
Michael Sertsöz, Verteidiger Sahra M.
„Die Angeklagte hat drei Jahre in Al Roj und Al-Hol in Nordsyrien im irakischen Lager verbracht, also unter der Bewachung von YPG Soldaten. Da ging es um Gewalt, um Krankheiten, auch sehr schlimme Zeiten, ich würde sagen, sie ist da durch die Hölle gegangen.“
Das habe die Generalstaatsanwaltschaft in der Anklageschrift nicht berücksichtigt.
Christopher Schulte-Holtey, Reporter
„Vor Gericht wirkt Sahra M. heute sehr zurückhaltend, fast schon schüchtern. Nur leise antwortet sie auf die Fragen des vorsitzenden Richters. Bei der Anklageverlesung hört sie aufmerksam zu, zeigt aber keine Gefühlsregung. Nur einmal, als sie ins Publikum blickt und ihre Familie sieht, da lächelt sie.“
Nächsten Dienstag will sich die Angeklagte umfassend erklären. Falls sie verurteilt wird, drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft.