Dieselzusatz AdBlue wird knapp

Erst die wieder stark angestiegenen Spritpreise und jetzt droht die nächste Hiobsbotschaft! Der Diesel-Zusatzstoff AdBlue könnte knapp werden und ohne ihn, könnten schon bald Millionen Autofahrer, Lastwagen und Busse zum Stehen kommen. Den Tankstellen und Supermärkten drohen leere Regale.

Der allerletzte Kanister im Regal dieser Tankstelle in Frankfurt. Und bald schon könnte er vielerorts knapp werden, der Dieselzusatzstoff AdBlue. Die Harnstoff-Mischung lässt den Ausstoß von Stickoxiden bei Dieselmotoren deutlich sinken. Das Problem: Ohne AdBlue können viele Dieselautos erst garnicht starten.
Oliver Reidegeld, ADAC Hessen-Thüringen
„Also die mit einer Euro 6-Norm, die AdBlue tatsächlich zur Abgasreinigung benötigen. Der wird dann letztendlich nicht mehr anspringen, wenn kein AdBlue mehr im Tank vorhanden ist. Aber ich kriege als Autofahrer ja rechtzeitig eine Warnung vom Bordcomputer, dass ich dann mal nachfüllen muss.“
Auf Deutschlands Straßen sind rund 15 Millionen Diesel-PKW unterwegs. Davon sind etwa 10 Prozent auf den Zusatzstoff angewiesen. Die Produktion des AdBlues braucht viel Gas und ist daher aktuell sehr teuer. Deshalb hat SKW Piesteritz, einer der bundesweit größten AdBlue-Hersteller, die Produktion des Dieselzusatzes vor kurzem eingestellt. Schon im vergangenen Jahr hatte sich der Preis für AdBlue mindestens verdreifacht.
Oliver Reidegeld, ADAC Hessen-Thüringen
„Wir hatten Ende letzten Jahres schon mal das Thema gehabt, dass AdBlue eben knapp werden könnte und dementsprechend dann auch teurer geworden ist. Wir müssen ein bisschen unterscheiden zwischen dem AdBlue, das der LKW an der Zapfsäule tanken kann und dem, was der Endverbraucher letztlich als Gebinde, 5-Liter-, 10-Liter-Kanister bekommt. Da gibt’s schon eklatante Preisunterschiede. Deswegen, wer da ein Fuchs sein möchte, der sollte mal die Preise vergleichen und gucken, ob er nicht auch anderweitig über die Zapfsäule an AdBlue kommt.“
Laut ADAC reicht die Preisspanne von 1,50 bis 4 Euro je Liter. Ein Liter reicht einem PKW im Durchschnitt für 750 Kilometer. Der ADAC rät Dieselfahrern, beim nächsten Tanken AdBlue aufzufüllen oder sich eine kleine Reserve anzulegen. Hamsterkäufe lohnten sich aber nicht. Länger als ein bis eineinhalb Jahre sei AdBlue nicht haltbar. Unter einem möglichen Versorgungsengpass würden nicht nur Autofahrer leiden. Auch Busse des öffentlichen Nahverkehrs und ganz besonders die Logistikbranche wären betroffen. Geht das AdBlue aus, könnte den ersten LKW schon bald eine Zwangspause drohen. Und das hätte weitreichende Folgen.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Über diese Folgen möchte ich jetzt mit Dirk Engelhardt in Frankfurt sprechen. Er ist Vorstands-Sprecher des Bundes-Verbands Güter-Kraftverkehr Logistik und Entsorgung. Herr Engelhardt, Sie haben jetzt vor einem Mangel an AdBlue gewarnt. Was befürchten Sie, wenn dieser Stoff wirklich knapp wird?
Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher BGL: Wenn wir kein AdBlue haben – das ist die wässrige Harnstofflösung, die benötigt wird, um moderne Dieselfahrzeuge zu betreiben -, dann fällt die Güterversorgung in Deutschland aus. Fast 90% der LKW. In Deutschland sind Euro-6-Fahrzeuge und benötigen AdBlue, sonst können diese Fahrzeuge nicht eingesetzt werden.
Dieterle: Können Sie das zeitlich einordnen. Wenn es kein AdBlue mehr gäbe, wie lange könnten die Lkws noch fahren?
Engelhardt: Bis der AdBlue-Tank leer ist, das ist in der Regel dann wenige Tage und dann stehen die LKW still. Die sind technisch so programmiert, dass sie nicht weiterfahren können, wenn kein AdBlue vorhanden ist.
Dieterle: Können Sie uns sagen, was das für die Lieferketten bedeuten könnte?
Engelhardt: Über 70% der Güter in Deutschland werden mit dem LKW transportiert, das heißt, er ist absolut essenziell für die tägliche Versorgung. Wenn die LKWs nicht auf unseren deutschen Straßen rollen, dann sind nicht nur die Supermarktregale leer, dann ist von der Drogerie bis zur Krankenhauslogistik und von der Produktionsbetrieb bis hin zum Handel die kompletten Lieferketten betroffen und es käme zu einem Stillstand, sowohl in der Produktion wie auch in unserem privaten Konsum.
Dieterle: Das ist ja nicht das einzige Problem, vor dem Sie stehen. Die hohen Dieselkosten müssen Sie ja auch tragen. Gehen Sie davon aus, dass Sie etwas von dem Entlastungspaket spüren werden?
Engelhardt: Wir haben uns das Entlastungpaket der Bundesregierung sehr genau angesehen. Leider ist es in vielen Teilen relativ unkonkret. Wir haben schon seit Wochen die Forderung an die Politik gerichtet, dass gerade die Unternehmen, die in Gasfahrzeuge investiert haben, die derzeit einzige verfügbare Technik, um dem Klimaschutz Rechnung zu tragen, dass wir dort Subventionen brauchen wegen den hohen Gaspreisen. Die haben wir bis jetzt leider noch kein Signal der Politik, dass es hier eine Entlastung geben soll. Da ist unsere dringende Forderung: Hier brauchen die Unternehmen, die in solche Fahrzeuge investiert haben, dringend Entlastung. Ansonsten werden diese in die Insolvenz gehen.
Dieterle: Haben Sie das Gefühl, dass das Problem schon bei der Politik angekommen ist?
Engelhardt: Wir mussten uns bewusst an die Medien wenden, weil wir mehrere Briefe an die Politik gesendet haben, das Problem adressiert haben, aber bis jetzt fehlen uns einfach konkrete Lösungsvorschläge. Wir als Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung sind jederzeit als Gesprächspartner bereit, solche Lösungsvorschläge gemeinsam zu erarbeiten. Wir brauchen sie aber schnell, dringend, weil jeder LKW in Deutschland benötigt wird.
Dieterle: Schwierige Zeiten – auch für den Güterverkehr. Herr Engelhardt, vielen Dank für das Interview.
Engelhardt: Ich danke Ihnen.