Lage in den Intensivstationen entspannt

Wenn es in den letzten eineinhalb Jahren der Corona-Pandemie um Entscheidungen wie Lockdown oder Lockerung ging, war die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz der prägende Wert. Nun sind aber über 60% der Bevölkerung vollständig geimpft. Das heißt, es könnte zwar weiterhin viele Infektionen geben, aber durch die Impfung ist die Wahrscheinlichkeit, schwer an Corona zu erkranken, gering. Daher soll nur noch die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken darüber entscheiden, wie politische Entscheidungen ausfallen. Wie die Lage gerade auf den Intensiv-Stationen ist, haben wir uns in Seeheim-Jugenheim bei Darmstadt angeschaut.

In der Kreisklinik Jugenheim ist die Lage noch entspannt. Chefarzt Patrick Schmenger versorgt mit seinem Team auf der Intensivstation 16 Patienten. Fünf davon sind schwer an Corona erkrankt. Bei unserem letzten Besuch vor einem halben Jahr waren es fast drei Mal so viel. Der Impfeffekt ist hier deutlich zu spüren. Vier der fünf Corona-Patienten sind ungeimpft.
Dr. Patrick Schmenger, Chefarzt Intensivstation Kreisklinik Jugenheim
„Das sind häufig Leute aus prekären Lebensverhältnissen mit niedrigem sozio-ökonomischem Status. Häufig mit Sprachbarrieren. Das sieht man, wenn man sich die Etiketten anschaut. Wo ist denn die Wohnadresse – man kennt ja so seine Region ein bisschen. Und ich denke, da kann man noch einiges rausholen an Impfungen. Durch Aufklärung.“
Auch ein über 80jähriger Mann liegt hier trotz Impfung auf der Intensivstation. Das hinge oft mit dem Alter und Vorerkrankungen zusammen – so der Intensivmediziner.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in anderes hessischen Kliniken. Trotz einer landesweiten Inzidenz von 72 ist die Situation nicht besorgniserregend.
Wie entspannt oder angespannt die Lage ist, zeigt der sogenannte Hospitalisierungswert. Er gibt an, wie viele Coronapatienten pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ins Krankenhaus gekommen sind. Heute liegt der Wert in Hessen bei 2. Wenn er 8 erreicht, soll es in Hessen wieder Einschränkungen geben.
Kai Klose, Bündnis 90 / Die Grünen, Gesundheitsminister Hessen
„Das wird sich dann im Zweifel um Orte handeln, wo wir besondere Ausbrüche möglicherweise beobachten. Das kommt ja dann auf die Situation drauf an. Was selbstverständlich ist, ist dass wir Orte mit besonders vulnerablen Personen, beispielsweise besonders Alte oder in Krankenhäusern, dass wir da dann erhöhte Schutzmaßnahmen ergreifen.“
Doch wie schon die Inzidenz ist auch der neue Hospitalisierungswert umstritten. Zu ungenau sei die Berechnung. Außerdem können zwischen Corona-Infektion und Einlieferung ins Krankenhaus viele Tage vergehen.
Martin Stürmer, Virologe Universität Frankfurt
Das ist ein Parameter der relativ spät im Infektionsgeschehen greift. Also ich werde ja nicht, wenn ich mich mit dem Virus infiziere, sofort intensivbettenpflichtig oder krankenhauspflichtig, sondern das dauert eine Weile. Demensprechend reagiere ich relativ spät auf akutes Infektionsgeschehen.
Ein starker Anstieg der Corona-Infektionen im Winter könne dadurch zu spät erkannt werden. Insbesondere Kinder, die sich nicht impfen lassen können, wären dieser Gefahr schutzlos ausgeliefert.
Patrick Schmenger fürchtet auf der Intensivstation aber keine Überlastung. Er hofft nur, dass er in Zukunft weniger Corona-Patienten versorgen muss, die eine Chance auf eine Impfung hatten.